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Neues Programm von Mathias Tretter
Die Mechanismen des Populismus

Wenn man auf die USA schaut, "wird einem doch eher bange", sagte Kabarettist Mathias Tretter im Dlf. In seinem neuen Programm "Pop" seziert er die Mechanismen des Populismus und blickt auf das Trump-Land. Schwarmintelligenz sei im digitalen Zeitalter nicht mehr viel wert, so Tretter in "Pop".

Mathias Tretter im Corsogespräch mit Bernd Lechler |
    Mathias Tretter, eine Zigarette zwischen den rotgeschminkten Lippen (Bild: Stefan Stark)
    "Das Internet treibt die Politiker vor sich her": Kabarettist Mathias Tretter (Stefan Stark )
    Bernd Lechler: Mathias Tretter macht seit 15 Jahren Kabarett und wird gefühlt jedes Jahr mit ein oder zwei Preisen ausgezeichnet, vom Salzburger Stier über den Stuttgarter Besen bis zum deutschen Kabarettpreis und Kleinkunstpreis – für seine ganz spezielle Art, Zeitphänomene zu analysieren, indem er sie ins Absurde fortspinnt oder in Dialoge mit einem fiktiven fränkischen Freund packt oder an sich selbst demonstriert, immer mit einer klaren Haltung. Sein neues Programm heißt "Pop" - das sind die ersten drei Buchstaben zum Beispiel von Populismus. Letztes Wochenende hat er es in Würzburg und Leipzig vorgestellt, seit gestern spielt er drei Abende in München - und dort hatte er heute Mittag Zeit für ein Corsogespräch. Hallo, Herr Tretter!
    Mathias Tretter: Hallo!
    "Das Zeitalter der Dilettanten"
    Lechler: Pop steht bei Ihnen auch, unter anderem, für "Partei ohne Partei", wie wir zu Beginn gehört haben. Und das hat wiederum damit zu tun, dass Sie das Zeitalter der Dilettanten heraufziehen sehen. Wollen Sie das kurz erklären?
    Tretter: Das ist natürlich bedingt durch die Kommunikationsformen, die mittlerweile vorherrschen – nämlich das Internet, das vielen Leuten doch suggeriert, dass sie alles könnten. Und die Spitze hat das natürlich erreicht mit Donald Trump. Wo jetzt ein absoluter Dilettant, ein Amateur, der vorher nie ein politisches Amt hatte, gleich dann ins mächtigste Amt der Welt gewählt worden ist. Ich glaube, das kann man jetzt nicht mehr übertreffen.
    Lechler: Für eine Welt des Dilettantismus reicht das noch nicht ganz, oder? Wo sehen Sie es noch?
    Tretter: Ich sehe das zum Beispiel im Journalismus, wo Blogger als die neuen Journalisten gelten, und ich sehe es auch vor allem in der Kostenloskultur, die sich entwickelt hat – was Künstler besonders auch betrifft. Weil eigentlich alles im Netz verfügbar sein soll, für jeden, gratis. Was natürlich bedeutet, dass sich dann kein Geld mehr mit dem Erzeugen von Inhalten machen lässt – und damit landen wir dann bei den Amateuren.
    Wir haben noch länger mit Mathias Tretter gesprochen - Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    "Tagsüber arbeiten, abends ein Programm erstellen"
    Lechler: Aber sorgen Dilettanten nicht auch für frischen Wind manchmal? Also ob das jetzt ein guter Blogger im Netz ist, oder ein politischer Shooting Star wie Macron in Frankreich - und die Profis haben uns jetzt ja auch nicht lauter Glück und Gerechtigkeit gebracht.
    Tretter: Nein. Ich glaube, es wird nur problematisch, wo es keine Profis mehr gibt. Und das droht in bestimmten Bereichen. Man sieht es ja, bei CD-Verkäufen zum Beispiel: Damit ist kein Geld mehr zu verdienen, weswegen jetzt alle wieder live touren. Und wenn sich das - in verschiedensten Bereichen – weiter ausbreitet, dann sind eben nur noch Dilettanten da. Wenn Profis und Dilettanten da sind, ist das etwas anderes, finde ich. Aber in dem Moment, wo bestimmte Bereiche einfach ausgeklammert werden, weil zum Beispiel so was wie das Urheberrecht komplett fällt – dann haben wir eben niemanden mehr, der das Ganze professionell betreibt und es braucht … also ich kenne das ja aus meiner Branche: Ich könnte nicht tagsüber etwas anderes arbeiten und dann abends ein Programm erstellen, das würde einfach scheitern.
    Lechler: Wobei Sie ja im Fall von Donald Trump den Trost parat haben in ihrem Programm, dass die Geschichte voll sei von schwachsinnigen Regenten. Ist es ein Trost?
    Tretter: Es ist natürlich ein satirischer Trost. In der Realität bringt uns das relativ wenig, sich darauf zu beziehen, dass es mal in der Antike schon beim Nachfolger von Alexander dem Großen einen schwachsinnigen Herrscher gab, oder mit Karl dem Wahnsinnigen in Frankreich. Das sind kuriose historische Tatsachen, die sich satirisch gut verarbeiten lassen – aber wenn man jetzt in die USA schaut, dann wird einem da doch eher bange.
    "Der Diskurs über Politik ist obsolet geworden"
    Lechler: Sie rücken Trump auch in Ihren Pop-Kontext. Das hier ist ein kleines Beispiel aus der Premiere:
    "Donald Trump ist übrigens interessanterweise genau in dem Jahr zum Präsident gewählt worden, als David Bowie dem Pop verloren gegangen ist. Da sieht man, wie sich die Evolution momentan zurückdreht: Die große Regression. David Bowie war über die Maßen cool, intelligent, eloquent, kosmopolitisch, stilsicher und charmant. Und wenn Sie sich jetzt ein Wesen vorstellen, das von dem am weitesten entfernt ist, dann haben Sie den Unterschied zwischen Homo Sapiens und Homo Erectus."
    Lechler: Und es fällt einem tatsächlich Trump als erstes ein. Jetzt ist er in Hamburg beim G20-Gipfel. Wie wird dieser Gipfel in Ihr Programm hineinstrahlen, wenn Sie heute Abend in der Lach- und Schießgesellschaft auf die Bühne gehen? Strahlt das… nehmen Sie so was mit?
    Tretter: Nein, überhaupt nicht. Ich befasse mich nicht mehr mit tagesaktueller Politik, es sei denn, es ist wirklich ein sehr, sehr einschneidendes Ereignis, auf das man dann eingehen muss. Das ist der G20-Gipfel jetzt für mich nicht. Grundsätzlich ist in dem Programm nichts aktuell Politisches drin; es sind nur breite Themen, die jetzt uns schon seit Monaten – zum Teil Jahren – beschäftigen und uns beschäftigen werden. Eine These des Programms ist es auch, dass die Kommunikationsformen – also speziell das Internet – und die dahinter stehenden Konzerne die Demokratie eben auch an den Rand bringen. Und dass der normale Diskurs über Politik eigentlich jetzt mittlerweile obsolet geworden ist. Das ist die satirische Spitze des Programms.
    "Die wichtigste Infrastruktur ist in privaten Händen"
    Lechler: Ja, Sie sprechen da an einer Stelle Mittelhochdeutsch. Und schlagen vor, das Publikum hätte auch im Reifrock kommen können und mit Dukaten bezahlen. Und das ist die Stelle, an der Sie zu erklären versuchen, dass es vielleicht verkehrt ist, sich über Merkel versus Schulz zu streiten, Visionäre gebe es in der Politik eh nicht, sondern die seien bei Google und damit an der Macht, an der wahren Macht. Haben Sie wirklich den Eindruck, wir gucken alle in die falsche Richtung und haben den Schuss nicht gehört?
    Tretter: Ja, sehr stark, finde ich das. Man muss sich ja mal vorstellen, dass Google, Facebook, Amazon – die ganzen Internetgiganten – die wichtigste Infrastruktur der Welt beherrschen, also: Die ist in privaten Händen, nicht mehr in staatlichen! Und wir unterhalten uns die ganze Zeit darüber, ob Martin Schulz oder Angela Merkel Kanzlerin oder Kanzler wird, deren Positionen sich jetzt nicht allzu weit unterscheiden. Und man hat das Gefühl: Die werden sowieso nur noch vor dem Internet… also, das Internet treibt sie vor sich her. Twitter ist ja so ein Beispiel. 140 Zeichen, das ist der politische Diskurs mittlerweile.
    "Der Zuschauer bildet sich seine Meinung selber"
    Lechler: Das politische Kabarett greift diese Themen typischerweise eher nicht auf, oder? Oder nicht so beharrlich wie Sie jetzt?
    Tretter: Ja, das ist was, was mich sehr stört. Ich mag auch dieses Kabarett nicht, das so volkspädagogisch-belehrend daherkommt und die eigenen Quellen als die "richtigen" sieht. Und den eigenen Standpunkt als den "richtigen" verkauft. Und den Leuten mal sagt, wo es lang geht. Das liegt mir sehr fern.
    Lechler: An einer Stelle Ihres Programms beklagen Sie, es gebe keine Spießer mehr, weil alle tolerant und inklusiv sind heutzutage - und vegan auch noch. Aber das sind ja alles durchaus begrüßenswerte Qualitäten?
    Tretter: Absolut. Aber das ist natürlich eine satirische Spitze. Also das wird übertrieben, um dann dadurch eben zu zeigen, was jetzt gerade da ist. Also ich nehme ja sehr oft – Sie haben vorhin gesagt, ich hätte immer eine klare Haltung, das sehe ich gar nicht so. Also mir ist es schon wichtig, dass da immer wieder auch mal Ambivalenz aufscheint, dass der Zuschauer nicht ganz sicher ist: In welche Richtung geht das jetzt? Sondern, dass er dann sich seine Meinung über mich, beziehungsweise die Figur, die ich ja darstelle, selber bildet. Und das kann dann durchaus mal negativ auch sein.
    Unsterblichkeit als Dystopie
    Lechler: Ihr Programm wird am Schluss dann fast zu einer Horror-Dystopie: Da entwerfen Sie so ein Zukunftsbild einer arbeitslosen, haarlosen, sexlosen, genussfreien Gesellschaft von unsterblichen Menschen. Wie ernst ist Ihnen mit dieser Warnung?
    Tretter: Ziemlich ernst! Ich zitiere Ray Kurzweil, den Chefentwickler von Google, der das wirklich propagiert. Der sagt: Es könnte bis zur Jahrhundertmitte - also durchaus noch in meiner Lebenszeit möglicherweise, - schon möglich sein, Unsterblichkeit zu erzeugen beim Menschen. Und den Menschen vor allem zu optimieren. Und das halte ich für hochproblematisch.
    Lechler: Mathias Tretter gastiert mit seinem neuen Programm "Pop" noch heute und morgen in München, dann ist er im September wieder ausgiebig auf Tour, die Termine stehen auf seiner Website. Herr Tretter, danke fürs Corsogespräch!
    Tretter: Ich bedanke mich!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.