Tanya Lieske: Und nun zum Hotzenplotz. Es gab eine große Broschüre des Thienemann-Verlags. Das Wort "Sensation" stand darüber. Und seit gestern ist er da, der neue Hotzenplotz von Otfried Preußler. Alle sind sie mit dabei, Kasperl, Seppel, die Großmutter und unser etwas bescheidener Wachtmeister Dimpfelmoser. Eine Erzählung für Kinder nach Aufzeichnungen des Autor, fertiggestellt von Susanne Preußler-Bitsch. "Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete" sollte ursprünglich erst im Juli 2018 erscheinen. Der Titel wurde nun aber vorgezogen. Warum? Das habe ich vor der Sendung Bärbel Dorweiler gefragt. Sie ist die Verlagsleiterin des Thienemann-Verlags.
Bärbel Dorweiler: Ja, warum haben wir das Buch vorgezogen. Wir haben Anfang Mai die Ankündigung gemacht, dass es dieses Buch geben wird, und sind auf ein so überwältigend positives Echo gestoßen, dass wir uns gedacht haben, jetzt wird's ganz schwer, all die Leute, die sich so auf eine weitere Hotzenplotz-Geschichte freuen, noch zwei Monate warten zu lassen. Und wir haben geschaut, geht das, können wir ihn früher herausbringen? Und tatsächlich, es geht, und jetzt ist er da.
Lieske: Es gab tatsächlich im Vorfeld einiges Rumoren, Vorfreude natürlich auf den neuen "Räuber Hotzenplotz", aber es gab auch ein paar Fragen zur Editionsgeschichte. Mittlerweile hat sich ja der Verdacht erhärtet, dass es tatsächlich keine Novität ist. Es gibt ein kleines Bühnenstück, das schon in einem Kasperltheater gespielt wird, und es gab bereits Veröffentlichungen in den 1960er-Jahren in Sammelbänden des Thienemann-Verlags. Wie sorgfältig, Frau Dorweiler, ist denn der Nachlass von Otfried Preußler geregelt?
Dorweiler: Ich glaube – wir sprechen natürlich jetzt über Publikationen von vor über 50 Jahren, und wir haben natürlich versucht, sowohl wir im Verlag als auch Frau Preußler-Bitsch, die den Nachlass betreut, da wirklich sorgfältig nachzuprüfen. Wir haben beim Verlag eine sehr akribisch geführte Archivliste, wir haben ein sehr großes Archiv. Alle Bücher, die im Thienemann-Verlag erschienen sind, sind auch tatsächlich bei uns noch im Haus vorhanden. Und diese digitale Archivliste gab gar keinen Hinweis auf diesen Titel.
Und der Sammelband, in dem es tatsächlich bei uns im Haus als Kasperlspiel schon erschienen war, war auf keine Art und Weise mit dem Namen Preußler verbunden. Was aber an unserem Buch tatsächlich neu ist – denn, wie gesagt, dieser ursprüngliche Preußler-Text, das ist ein Kasperlspiel, also wirklich ein Bühnenstück, ein Theaterstück, das natürlich mit verteilten Rollen geschrieben ist und mit Regieanweisungen, während das Buch, das jetzt erschienen ist, das ist eine auserzählte Geschichte.
"Er bietet die Essenz dessen, was ein Hotzenplotz-Abenteuer ist"
Lieske: Eine von Susanne Preußler-Bitsch, der Tochter von Otfried Preußler, zu Ende erzählte Geschichte. Sie ist eine ganze Ecke kürzer als die übrigen Hotzenplotz-Bände, und ich finde, sie weicht auch in der Dramaturgie ab. Es ist relativ geradlinig: Der Räuber Hotzenplotz ist ausgebrochen, Kasperl und Seppel erdenken einen Trick, nämlich sie locken ihn in eine sogenannte Mondrakete, die aber eigentlich ein Gefängnis ist, und schon sitzt der Räuber Hotzenplotz wieder ein. In den anderen Hotzenplotz-Büchern, Frau Dorweiler, ist es natürlich so, dass das alles ein bisschen länger dauert. Auch der Räuber Hotzenplotz hat mal einen guten Einfall. Unsere Helden sind ja komische Helden, manchmal gelingt ihnen ein Streich eher wegen der komischen Nebenwirkungen. Also es fehlen einige Schleifen und Eskapaden, und es fehlt natürlich auch die Preußler'sche Dramaturgie. Glauben Sie, dass dieser Hotzenplotz bestehen wird neben den bereits erschienenen Bänden?
Dorweiler: Ich glaube schon, dass er bestehen wird, weil er bietet sozusagen die Essenz dessen, was ein Hotzenplotz-Abenteuer ist. Er bietet natürlich Ausbruch und Wiedergefangennahme, und er bietet die witzige Idee, mit der Kasperl und Seppel den Räuber hereinlegen wollen. Was er nicht bietet, da haben Sie natürlich recht, er bietet keinen groß auserzählten Spannungsbogen. Der Spannungsbogen ist hier wesentlich kleiner, aber darin liegt natürlich schon die Essenz der drei anderen Räuberbände.
Lieske: Die Idee stammt von 1967. So ist diese Handschrift von Otfried Preußler datiert. Die tatsächliche Mondlandung war ja 1969. Was hat Otfried Preußler denn schon so an diesem Thema der Mondrakete fasziniert?
Dorweiler: Das können wir nur raten. Ich denke, dass es ein Thema war, das damals die gesellschaftliche Diskussion sehr bestimmt hat. Raumfahrt war wichtig, war politisch wichtig, es war spannend. Würde es der Menschheit tatsächlich gelingen, auf den Mond zu fliegen? Und da war es natürlich vielleicht ein Gedankenblitz, auch in einem Kindertheaterstück darauf anzuspielen, mit der Mondrakete.
"Es ist unsere Pflicht, dieses Werk zu pflegen"
Lieske: Kein menschliches Begehren war für Otfried Preußler zu groß, um bei Kasperl und Seppel aufzutauchen. Frau Dorweiler, ich sehe Ihre Vorschauen immer mit großer Freude an. Ich bemerke allerdings auch, dass keine Saison verstreicht, ohne dass noch mal auf Max Kruse, Michael Ende, Otfried Preußler oder James Krüss zurückgegriffen würde, also die großen erzählenden Autoren der 1920er- und 30er-Jahre. Warum ist das so?
Dorweiler: Ich glaube, dass das tatsächlich auch unsere Pflicht ist und unsere Aufgabe, dieses Werk zu pflegen, um dem Publikum immer wieder zu zeigen: Wisst ihr noch? Das ist ein tolles Buch, vergesst es nicht. Es gibt mit Sicherheit Kinder, denen diese Geschichten etwas bedeuten können.
Lieske: Sagt Bärbel Dorweiler, die Verlagsleiterin des Thienemann-Verlags. Vielen Dank für das Gespräch! "Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete" sind jetzt am Start. Der Name Otfried Preußler steht oben, zu Ende erzählt hat die Geschichte seine Tochter Susanne Preußler-Bitsch, und illustriert hat Thorsten Saleiner. 64 Seiten, gebunden, 12 Euro.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ottfried Preußler: "Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete".
Thienemann-Verlag, Stuttgart 2018. 64 Seiten, 12 Euro.
Thienemann-Verlag, Stuttgart 2018. 64 Seiten, 12 Euro.