Tobias Zuser, Universitätsdozent in Hongkong mit den Schwerpunkten Sport und Gesellschaft, erläutert im Dlf, dass Fußballspiele, vor allem Länderspiele, in Hongkong als Plattform benutzt wurden, um auch international Aufmerksamkeit auf die Situation in der chinesischen Sonderverwaltungszone zu lenken. Fans hätten die chinesische Hymne, die auch die offizielle Hymne von Hongkong ist, in den vergangenen fünf Jahren regelmäßig ausgebuht und ausgepfiffen. Außerdem hätten Anhänger der Nationalmannschaft Protest-Slogans während Länderspielen gerufen, was dem Fußball eine politische Rolle verliehen habe.
Vermutlich weniger Fans in den Stadien
Schon vor dem in dieser Woche verabschiedeten Sicherheitsgesetz wurde ein Gesetz zum Schutz der Nationalhymne beschlossen. Demzufolge wird Ausbuhen und Auspfeifen der Hymne mit einer mehrjährigen Haftstrafe geahndet. Wegen des Coronavirus sei noch nicht sichtbar geworden, inwiefern es schon Proteste im Stadion unter Kontrolle gebracht hätte.
Es sei aber anzunehmen, dass in Zukunft weniger Fans in die Stadien kommen. Im Gegenzug erwartet Zuser eine erhöhte Polizeipräsenz und möglicherweise direkt Verhaftungen im Stadion bei Zuwiderhandlungen gegen das neue Sicherheitsgesetz oder das Gesetz zur Hymne. Fans, Clubs oder die Hongkonger Football Association haben sich noch nicht offiziell zum Sicherheitsgesetz geäußert, vermutlich, um sich selbst nicht zu schaden. Finanziell sei man "in allen Belangen" von der Regierung abhängig.
Hongkong ist seit den 1950er-Jahren unabhängiges Fifa-Mitglied und unabhängiges Mitglied beim Internationalen Olympischen Komitee. Der von China kontrollierte Stadtstaat Hongkong tritt bei internationalen Wettbewerben als eigenständiges Mitglied an. Demnach, so Zuser, sei auch der Sport sehr unabhängig, und China halte sich zurück, da es sich bei Hongkong um einen potenziellen Rivalen handle.
Kurzfristig rechnet der Sozialwissenschaftler nicht damit, dass China seinen Einfluss auf den Sport in Hongkong weiter ausbaut. Es sei davon auszugehen, dass sich am Prinzip "Ein Land - zwei Systeme" im Sport in den kommenden Jahren wenig ändere. Somit könnte der Sport seine Sonderrolle behalten, wobei Zuser anmerkt, dass die Regierung in Hongkong wenig in den Sport investiert. "Das ist schon länger ein Problem", so Zuser.