Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bemühte sich, das erweiterte Kindergeld als wirtschaftliche Notwendigkeit darzustellen: "Wenn wir das Wirtschaftswachstum prognostizieren gibt es ein großes Problem, das die Erwartungen dämpft, und das ist die demographische Entwicklung. Wenn wir in der Perspektive von zehn, 20, 30 Jahren denken, dann ist unser Programm 500 plus notwendig. Wir brauchen Kinder, damit wir auch künftig genug Bürger haben, die arbeiten können. Es geht um unsere langfristige Entwicklung." Deshalb sollten künftig alle Familien schon für das erste Kind umgerechnet 120 Euro pro Monat bekommen. Bisher gilt das nur für Bedürftige.
Kritik von Wirtschaftswissenschaftlern
Die staatlichen Ausgaben für das Kindergeld werden sich damit in etwa verdoppeln - auf knapp zehn Milliarden Euro pro Jahr. Eine umstrittene Maßnahme, vor allem unter Wirtschaftswissenschaftlern. Denn schon das Kindergeld in seiner jetzigen Form habe die Geburtenrate nur kurzfristig steigen lassen, sagt Jakub Borowski von der Warschauer Wirtschaftshochschule SGH: "Schon seit anderthalb Jahren fällt die Zahl der Geburten im Jahresmaßstab wieder. Außerdem ist dieses Kindergeld wirtschaftspolitisch kontraproduktiv. Es kurbelt den Konsum an, dabei bräuchten wir mehr Ersparnisse, um Investitionen zu finanzieren. Nur so können wir die stärker entwickelten Länder einholen."
Die Regierung rechtfertigte das Kindergeld in seiner ursprünglichen Form auch damit, dass es die Armut mindere. Das ist tatsächlich gelungen, wie Statistiken zeigen. Doch nun sollen auch reiche Familien die Zuwendung schon beim ersten Kind beziehen - ungerecht sei das, meinen Kritiker.
Weiteres Wahlversprechen: mehr Rente
Beim Kindergeld will die rechtskonservative Regierungspartei PiS im Superwahljahr aber nicht stehenbleiben. Sie hat weitere soziale Maßnahmen angekündigt. So sollen Rentner eine sogenannte 13. Rente ausbezahlt bekommen.
Die Sozialausgaben näherten sich damit einer gefährlichen Grenze, meint Monika Kurtek, Chefökonomin bei der polnischen Postbank: "Diese Ausgaben sind, wie sich zeigt, nicht mehr von den Einnahmen gedeckt. So etwas hat schon in vielen Ländern zu Finanzkrisen geführt. Im Moment ist die Konjunktur gut, die Wirtschaft wächst, die Steuereinnahmen steigen. Aber das kann sich schnell ändern. Denn um uns herum gibt es viele Unsicherheitsfaktoren."
PiS hofft auf absolute Mehrheit
Die zusätzliche Rente, das erweiterte Kindergeld und andere Maßnahmen kämen nicht zufällig im Super-Wahljahr, meint Małgorzata Bonikowska, Politologin und Leiterin des Zentrums für internationale Beziehungen in Warschau. Denn nach der Europawahl im Mai stehen im Herbst in Polen Parlamentswahlen an: "Die Politiker sind leider in der Lage, alles zu versprechen, nur um Wahlen zu gewinnen. Das führt uns in den Untergang. Es ist, als ob der Pilot eines Flugzeugs den Passagieren alles verspricht, was sie nur wollen - anstatt das Flugzeug in die richtige Richtung zu steuern."
Die Regierungspartei PiS steht in Umfragen zwar nach wie vor sehr gut da. Doch ob sie bei der polnischen Parlamentswahl noch einmal die absolute Mehrheit der Sitze erringen kann, ist im Moment ungewiss. Außerdem hat auch die Opposition angekündigt, mit sozialen Versprechen in den Wahlkampf zu gehen.
Auch Opposition setzt auf Wahlkampf mit Sozialpolitik
Im vergangenen Jahr lag das Haushaltsdefizit in Polen noch bei nur 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In diesem Jahr dürfte es trotz einer stark wachsenden Wirtschaft deutlich höher werden, erklärte Finanzministerin Teresa Czerwińska im März. Die kritische Marke von drei Prozent werde Polen jedoch nicht überschreiten, so die Ministerin.