Can Dündar und Erdem Gül – die beiden vielleicht bekanntesten Journalisten der Türkei – entsprechen nicht gerade dem Klischee von Terroristen. Doch geht es nach Staatspräsident Erdogan, dann sind die beiden Herren in Hemd und Jacke genau das.
"Man könnte meinen, die Türkei befindet sich mitten im Kriegszustand."
So Erdem Gül – jahrelanger Ankara, Korrespondent der Zeitung "Cumhuriyet", am vergangenen Freitag.
"Der kleinste Artikel und jede Kritik an der Regierung kann zu einer Anklage führen. Aber wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Einschränkung der Pressefreiheit und die Schranken des freien Denkens wieder fallen!"
Beeindruckende Entschlossenheit
Die Entschlossenheit, mit der Erdem Gül und Can Dündar auch nach mehreren Monaten in Untersuchungshaft noch auftreten, ist beeindruckend. Denn Präsident Erdogan selbst gehört zu den Klägern, die die beiden Journalisten möglichst bald im Gefängnis sehen wollen. Weil sie Fotos veröffentlicht haben, die angeblich türkische Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien belegen, wird ihnen unter anderem Terrorunterstützung vorgeworfen. Ein "Totschlagargument", so die Angeklagten, das in diesen Tagen gegen viele Kritiker der türkischen Regierung zum Einsatz kommt.
Kein Zufall, dass Präsident Erdogan nach den blutigen Anschlägen von Ankara Anfang März forderte, die Terrordefinition im türkischen Strafgesetzbuch zu verschärfen.
"Zwischen Terroristen, die Waffen und Bomben tragen, und jenen, die ihre Position, ihren Stift oder ihren Titel den Terroristen zur Verfügung stellen, damit sie an ihr Ziel gelangen, besteht überhaupt kein Unterschied."
So Erdogan bei einer Rede vor Medizinern in Ankara.
"Hier geht es nicht um Fragen der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit oder der Organisationsfreiheit. Einige Kräfte im In- und Ausland müssen sich jetzt entscheiden: Entweder sie stehen auf unserer Seite – oder auf der der Terroristen. Einen Mittelweg gibt es nicht."
Auslegungssache Terrorunterstützer
Schon jetzt gilt das türkische Anti-Terrorgesetz als eines der schärfsten weltweit. Auch sogenannte Helfershelfer lassen sich mit den bestehenden Paragrafen längst belangen, so der Istanbuler Politologe Sedat Laciner. Doch sollte die angekündigte Neudefinition tatsächlich kommen, könnten damit nicht nur Journalisten wie Can Dündar und Erdem Gül zum Schweigen gebracht werden. Auch Wissenschaftler Laciner, der sich vor allem mit Sicherheitsfragen und damit auch mit der kurdischen PKK beschäftigt, könnte kaum noch seiner Arbeit nachgehen.
"Erdogan hat es ja ganz deutlich gesagt: Jeder, der nicht ihn unterstützt, unterstützt automatisch den Terror. Wenn ich Ihnen also zum Beispiel im Interview sage, dass die Strategie des türkischen Staates gegen die PKK falsch ist, dann könnte man mir in Zukunft vorwerfen: Du schwächst mit solchen Aussagen unseren Kampf gegen den Terror und unterstützt damit die PKK. Also bist du auch ein Terrorist."
Wachsender Druck
Kritische Journalisten, die von bekennenden AKP-Anhängern zusammengeschlagen wurden, freie Theater, die keine Zuschüsse mehr bekommen oder vom Dienst suspendierte Universitätsprofessoren: Schon lange klagen Regierungskritiker aus allen Branchen über den stetig wachsenden Druck in der Türkei. Durch eine Erweiterung der Terrordefinition im Sinne Erdogans könnten auch die Mutigsten von ihnen ihren Widerstand bald aufgeben: Je zwei Mal lebenslänglich und zusätzlich je dreißig Jahre Haft drohen den beiden "Cumhuriyet"-Journalisten Can Dündar und Erdem Gül!
"Erdogan will jede oppositionelle Person in diesem Land mit seiner Terrordefinition greifen können."
So der angeklagte Can Dündar.
"Das Ergebnis wäre eine Gesellschaft mit 40 Millionen Terroristen. Keine Gesellschaft kann das aushalten!"
Testlauf für die Freiheit der Justiz
Vielen gilt das nun auf den 1.April verschobene Verfahren gegen Dündar und Gül als Testlauf dafür, wie frei die Justiz in der Türkei noch ist. Die Tatsache, dass zwei der zuständigen Richter bis vor kurzem noch als AKP-Anwälte tätig waren, stärkt die Hoffnung auf einen fairen Prozess nicht. Ebenso wenig die Entscheidung des Gerichts, den Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden zu lassen.