Es war der vorläufige Schlusspunkt eines langen Gesetzesmarathons, den Bundesjustizministerin Christine Lambrecht im März dieses Jahres im Bundestag ankündigte: "Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beraten heute morgen eine sehr besondere Reform, nämlich die Reform des Urheberrechts. Sie erinnern sich, 2019 haben das Europäische Parlament und der Rat die DSM-Richtlinie beschlossen, ein längst überfälliges Update für das europäische Urheberrecht. Und diese Richtlinie setzen wir jetzt um."
Der Marathon hatte 2016 in Brüssel unter dem damaligen Wettbewerbskommissar Günther Oettinger begonnen und endete schließlich in diesem Jahr mit der Verabschiedung des "Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des Digitalen Binnenmarktes" Ende Mai.
Heftige Debatten hatten insbesondere die Brüsseler Beratungen begleitet, Zehntausende vor allem junge Menschen waren auf die Straßen gegangen, um gegen die Pläne zu demonstrieren. "Ich kann mir vorstellen, dass viel nicht mehr so frei ist. Das kann ja dann alles später so gefiltert werden. Dann hat man einmal so einen Uploadfilter und dann werden halt auch Meinungen zensiert und so. Davor habe ich Angst."
Im Zentrum des Protestes stand Artikel 13, der später Artikel 17 wurde und der vorsieht, dass Plattformen wie Youtube, Instagram oder Facebook mit technischen Mitteln verhindern sollen, dass urheberrechtlich geschütztes Material bei ihnen überhaupt erst veröffentlicht wird. Und zwar mit Hilfe sogenannter Uploadfilter. Gerade junge Menschen fürchteten, dadurch massiv eingeschränkt zu werden, und künftig nicht mehr wie bislang bereits veröffentlichte Inhalte nutzen zu können, um daraus eigene Bilder, Videos oder ähnliches zu erstellen und diese dann wiederum selbst hochzuladen - ohne sich groß um die Urheberrechte zu kümmern.
Im Zentrum des Protestes stand Artikel 13, der später Artikel 17 wurde und der vorsieht, dass Plattformen wie Youtube, Instagram oder Facebook mit technischen Mitteln verhindern sollen, dass urheberrechtlich geschütztes Material bei ihnen überhaupt erst veröffentlicht wird. Und zwar mit Hilfe sogenannter Uploadfilter. Gerade junge Menschen fürchteten, dadurch massiv eingeschränkt zu werden, und künftig nicht mehr wie bislang bereits veröffentlichte Inhalte nutzen zu können, um daraus eigene Bilder, Videos oder ähnliches zu erstellen und diese dann wiederum selbst hochzuladen - ohne sich groß um die Urheberrechte zu kümmern.
Nachdem die Europäische Urheberrechtsrichtlinie trotz des Protestes 2019 in Brüssel verabschiedet worden war, musste die Neuregelung in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Bundesregierung befand sich nun aber in einer Bredouille: Sie hatte nur ein Jahr zuvor Uploadfiltern noch kategorisch eine Absage erteilt. Es galt nun die Interessen der Kreativschaffenden, der Plattformnutzer und der Plattformbetreiber in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.
Das neue Gesetz mit dem etwas sperrigen Namen "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz" – kurz UrhDaG soll das leisten. Am 1. August tritt es in Kraft. Die Bonner Urheberrechtsprofessorin Louisa Specht-Riemenschneider hat den Bundestag als Sachverständige beraten, sie zeigt sich im Großen und Ganzen zufrieden mit dem neuen Gesetz. "Es wurden sowohl Belange der Urheber berücksichtigt, im Gesetzgebungsprozess, als auch Belange der Nutzer, als auch Belange der Plattformen. So dass wir im Großen und Ganzen ein Interessengleichgewicht haben, das von dem UrhDaG hergestellt wird."
So viel Material wie möglich lizensieren
Auch von der Initiative Urheberrecht kommt vorsichtige Zustimmung. Matthias Hornschuh ist Komponist und Sprecher der Kreativen in dem Verband, der nach eigenen Angaben die Interessen von rund 140.000 Urheberinnen und Urhebern und ausübenden Künstlerinnen und Künstlern vertritt. "Also ich denke schon, dass wir einen Kompromiss haben, der auf eine bestimmte Art tragfähig ist. Der ist schmerzhaft für eigentlich alle Beteiligten, was unter Umständen ein gutes Zeichen sein könnte, weil keiner alle anderen über den Tisch gezogen hat."
Im Interesse der Kreativwirtschaft sieht das neue Gesetz wie auch schon die Richtlinie selbst vor, dass so viel Material wie möglich lizensiert wird. Es kann dann durch die Nutzer der jeweiligen Plattform für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Plattformen müssen sich jetzt also aktiv darum bemühen, von Verwertungsgesellschaften und großen Rechteinhabern, wie beispielsweise Plattenlabels, Lizenzen einzuholen. Und müssen dafür natürlich auch zahlen. Das sei ein Paradigmenwechsel, der dringend nötig war, heißt es von den Urhebern und Rechteinhabern. Auch der Berliner Fotograf Rainer F. Steußloff kennt den Ärger, wenn er immer wieder seine Bilder unlizenziert im Internet findet.
"Das war ein Landtagsabgeordneter, der hatte dann die ganze Zeitungsseite auf seine Webseite übernommen hat, mit dem Bild, mit dem Artikel. Dann war da eine Uni in der Schweiz, die hatte ein Bild von meiner Webseite genommen und für ihre eigene Webseite zur Werbung für irgendwelche Stipendien oder so was benutzt. Es gibt aber auch Leute, die einfach ein Bild toll finden und das dann auf ihre Webseite, bei Facebook oder bei Twitter oder sonstwo verbreiten, das findet man sehr oft."
Üblicherweise sende er dann eine Rechnung an die Betreiber der jeweiligen Webseite, sagt Rainer F. Steußloff. "Da muss man dann mit sehr, sehr heftigen Reaktionen rechnen. Also es ist manchmal schon der Weltuntergang, wenn man dadurch produziert, wenn man von irgendjemand 50 Euro haben möchte."
Mit dem neuen Gesetz soll sich das ändern – so zumindest das hehre Ziel. Urheber sollen dann nicht mehr Plattformen durchforsten müssen, um ihre Rechte geltend zu machen. Künftig sollen die Lizenzeinnahmen von den Plattformen in der Regel über die jeweilige Verwertungsgesellschaft quasi automatisch an die Urheber und Rechteinhaber fließen. In welchem Maße das konkret geschieht, ist in den verschiedenen Kreativbereichen unterschiedlich. Für Musikautoren und Komponisten beispielsweise wird sich ab dem 1. August erst einmal nicht so viel ändern.
Im Interesse der Kreativwirtschaft sieht das neue Gesetz wie auch schon die Richtlinie selbst vor, dass so viel Material wie möglich lizensiert wird. Es kann dann durch die Nutzer der jeweiligen Plattform für nichtkommerzielle Zwecke genutzt werden. Plattformen müssen sich jetzt also aktiv darum bemühen, von Verwertungsgesellschaften und großen Rechteinhabern, wie beispielsweise Plattenlabels, Lizenzen einzuholen. Und müssen dafür natürlich auch zahlen. Das sei ein Paradigmenwechsel, der dringend nötig war, heißt es von den Urhebern und Rechteinhabern. Auch der Berliner Fotograf Rainer F. Steußloff kennt den Ärger, wenn er immer wieder seine Bilder unlizenziert im Internet findet.
"Das war ein Landtagsabgeordneter, der hatte dann die ganze Zeitungsseite auf seine Webseite übernommen hat, mit dem Bild, mit dem Artikel. Dann war da eine Uni in der Schweiz, die hatte ein Bild von meiner Webseite genommen und für ihre eigene Webseite zur Werbung für irgendwelche Stipendien oder so was benutzt. Es gibt aber auch Leute, die einfach ein Bild toll finden und das dann auf ihre Webseite, bei Facebook oder bei Twitter oder sonstwo verbreiten, das findet man sehr oft."
Üblicherweise sende er dann eine Rechnung an die Betreiber der jeweiligen Webseite, sagt Rainer F. Steußloff. "Da muss man dann mit sehr, sehr heftigen Reaktionen rechnen. Also es ist manchmal schon der Weltuntergang, wenn man dadurch produziert, wenn man von irgendjemand 50 Euro haben möchte."
Mit dem neuen Gesetz soll sich das ändern – so zumindest das hehre Ziel. Urheber sollen dann nicht mehr Plattformen durchforsten müssen, um ihre Rechte geltend zu machen. Künftig sollen die Lizenzeinnahmen von den Plattformen in der Regel über die jeweilige Verwertungsgesellschaft quasi automatisch an die Urheber und Rechteinhaber fließen. In welchem Maße das konkret geschieht, ist in den verschiedenen Kreativbereichen unterschiedlich. Für Musikautoren und Komponisten beispielsweise wird sich ab dem 1. August erst einmal nicht so viel ändern.
"Wir glauben aus GEMA-Sicht, dass es jetzt für uns und unsere Mitglieder nicht diesen großen Big Bang geben wird, also, dass schlagartig sich Dinge ändern und geändert werden müssen", sagt Michael Duderstädt von der GEMA, der Verwertungsgesellschaft für Komponisten und Musikautoren.
"Denn letztendlich haben wir ja mit den meisten Online-Plattformen bereits Lizenzverträge und daran wird sich kurzfristig erstmal nichts ändern."
Längerfristig rechnet er aber damit, dass die Mitglieder der GEMA mit Mehreinnahmen rechnen können. "Perspektivisch glauben wir eben schon, wird sich die Situation für die Kreativschaffenden verändern, denn es wird uns gelingen, jetzt auch mit Rückendeckung durch das Gesetz mit den Plattformen Lizenzverträge abzuschließen, die sich bis jetzt geweigert haben oder sich ihrer Verantwortung entzogen haben, entsprechend eine Vereinbarung einzugehen."
Plattformen sollen urheberrechtlich geschützte Werke schneller blockieren
Die VG Bildkunst, die für die Rechteverwertung unter anderem von Malern, Bildhauern, Fotografen und Illustratoren zuständig ist, hat bereits vor einiger Zeit mit den Vorbereitungen für eine umfassendere Lizenzierung begonnen.
Anke Schierholz, Juristin bei der VG Bildkunst: "Es ist ja nicht ganz einfach zu erfassen, wieviel lizenzpflichtiges Material auf den einzelnen Plattformen überhaupt genutzt wird. Da müsste man die Plattformserver wahrscheinlich genau durchforsten und da gehen wir mal davon aus, dass das nicht so einfach sein wird."
Deshalb habe man jetzt zunächst einmal eine Nutzerstudie erstellt, erläutert Anke Schierholz: "Wo wir geschaut haben, in den fünf großen Plattformen, was laden denn die privaten Nutzer überhaupt an Bildmaterial hoch, damit wir eine Basis haben, auf der wir eine Schätzung vornehmen können, was an lizenzpflichtigen Bildmaterial auf den einzelnen Plattformen überhaupt unterwegs ist."
Die "fünf Großen" seien Facebook, Youtube, Instagram, Flickr und Twitter, so Schierholz. "Und sobald wir diese Daten haben und unsere eigene Position bestimmen können, werden wir auf jeden Fall auf die Plattformen zugehen. Wir rechnen allerdings damit, dass auch die Großen jetzt schon auch wissen, wie wichtig das Bildmaterial in ihrem Content ist und dann auch von sich aus auf uns zukommen".
Dann werde auch mehr Geld bei den Urhebern ankommen, ist Anke Schierholz überzeugt. Dass die Lizenzierung der Plattformen kein kleines Zubrot für Kreative ist, zeigen beispielsweise Zahlen der GEMA: Über 60 Prozent der Einnahmen von Musikautoren kommen über die Verwertungsgesellschaft. Aber nicht alle Inhalte können und sollen lizensiert werden. Manche Rechteinhaber wollen mit ihren Bildern, ihrer Musik, ihren Videos auf Facebook, Instagram, tiktok und co. überhaupt gar nicht erscheinen.
Deshalb habe man jetzt zunächst einmal eine Nutzerstudie erstellt, erläutert Anke Schierholz: "Wo wir geschaut haben, in den fünf großen Plattformen, was laden denn die privaten Nutzer überhaupt an Bildmaterial hoch, damit wir eine Basis haben, auf der wir eine Schätzung vornehmen können, was an lizenzpflichtigen Bildmaterial auf den einzelnen Plattformen überhaupt unterwegs ist."
Die "fünf Großen" seien Facebook, Youtube, Instagram, Flickr und Twitter, so Schierholz. "Und sobald wir diese Daten haben und unsere eigene Position bestimmen können, werden wir auf jeden Fall auf die Plattformen zugehen. Wir rechnen allerdings damit, dass auch die Großen jetzt schon auch wissen, wie wichtig das Bildmaterial in ihrem Content ist und dann auch von sich aus auf uns zukommen".
Dann werde auch mehr Geld bei den Urhebern ankommen, ist Anke Schierholz überzeugt. Dass die Lizenzierung der Plattformen kein kleines Zubrot für Kreative ist, zeigen beispielsweise Zahlen der GEMA: Über 60 Prozent der Einnahmen von Musikautoren kommen über die Verwertungsgesellschaft. Aber nicht alle Inhalte können und sollen lizensiert werden. Manche Rechteinhaber wollen mit ihren Bildern, ihrer Musik, ihren Videos auf Facebook, Instagram, tiktok und co. überhaupt gar nicht erscheinen.
Im Filmbereich beispielsweise geht es oftmals nicht darum, zusätzliche Lizenzeinnahmen über die Plattformen zu generieren. Der neue Blockbuster soll im Kino und nicht über Youtube angeschaut werden. Ergänzend zur Verpflichtung, sich um Lizenzen zu bemühen, sieht daher das neue Gesetz vor, dass Plattformen, bestmöglich sicherstellen müssen, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werk blockiert wird, wenn die Rechteinhaber das wollen und die dazu notwendigen Daten zur Verfügung stellen. Um die umstrittenen Uploadfilter ist der Gesetzgeber also doch nicht ganz herumgekommen.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht präsentiert das Modell zu Beginn der Beratungen im Bundestag dennoch mit Stolz: "Auf einer Linie mit der Europäischen Kommission haben wir deshalb, wie ich finde ein sehr innovatives Konzept entwickelt, nämlich das Institut der mutmaßlichen erlaubten Nutzung. Und wie soll das aussehen? Geringfügige Nutzungen fremder Werke dürfen die Plattformen nicht vorsorglich schon blockieren, diese Inhalte müssen zuerst einmal ins Netz gehen. Das Gleiche gilt für Inhalte, die von Nutzerinnen und Nutzern beim Hochladen als erlaubt gekennzeichnet werden. Ich finde, das ist eine ausgewogene Lösung, die nämlich zwischen diesen unterschiedlichen Positionen die Balance hält und auch in Europa auf großes Interesse stößt."
Konkret heißt das, dass bei Inhalten, die weniger als die Hälfte eines fremden Werkes enthalten und die mit anderen Inhalten kombiniert werden, zunächst vermutet wird, dass sie legal sind, wenn es entweder nur um eine so genannte geringfügige Nutzung geht oder der Plattformnutzer seinen Inhalt beim Hochladen als Karikatur, Zitat oder eine andere gesetzlich erlaubte Ausnahme vom Urheberrecht kennzeichnet. Solche mutmaßlich erlaubten Inhalte verbleiben zunächst so lange auf der Plattform, bis ein etwaiges Beschwerdeverfahren des Rechteinhabers beendet ist.
Konkret heißt das, dass bei Inhalten, die weniger als die Hälfte eines fremden Werkes enthalten und die mit anderen Inhalten kombiniert werden, zunächst vermutet wird, dass sie legal sind, wenn es entweder nur um eine so genannte geringfügige Nutzung geht oder der Plattformnutzer seinen Inhalt beim Hochladen als Karikatur, Zitat oder eine andere gesetzlich erlaubte Ausnahme vom Urheberrecht kennzeichnet. Solche mutmaßlich erlaubten Inhalte verbleiben zunächst so lange auf der Plattform, bis ein etwaiges Beschwerdeverfahren des Rechteinhabers beendet ist.
Sorge vor Sperrung legaler Inhalte
Wie so oft, liegt aber der Teufel im Detail. 15 Sekunden eines Filmes oder einer Tonspur, 160 Zeichen eines Textes und 125 kilobyte eines Fotos beziehungsweise einer Grafik betrachtet das Gesetz als geringfügige Nutzung. Julia Reda, frühere Europaabgeordnete und eine der schärfsten Kritikerinnen automatisierter Filterungen ist mit dieser Regelung jedoch unzufrieden. Seit ihrem Ausstieg aus dem Europäischen Parlament begleitet sie kritisch die deutsche Umsetzung der Richtlinie. Reda begrüßt zwar das Konzept der mutmaßlich erlaubten Nutzung, wie sie das Gesetz vorsieht.
"Allerdings ist das meiner Meinung nach nur teilweise gelungen, weil diese Grenzwerte von 15 Sekunden sicherlich dazu führen werden, dass manche legalen Zitate und Parodien, Memes in Zukunft hochgeladen werden können, aber bei weitem nicht alle. Ich befürchte also, dass es also dennoch zur Sperrung legaler Inhalte kommen wird."
Ganz anders sieht das der Komponist Matthias Hornschuh von der Initiative Urheberrecht. Für ihn geht die Regelung zu weit. "Wenn man sich gerade mal das Beispiel der 125 kb Upload für Bildmaterial heranzieht, das hat überhaupt keine Bedeutung für das Ergebnis, das sichtbar wir. Weil wir es nämlich mit skalierbaren Ergebnissen zu tun haben. Heute schon wird eine Vektorgrafik, die mit 125 kb hochgeladen wird, im Browser mit 1,5 MB-Größe geöffnet. Und das ist eine HD-Grafik, die man da sieht. Da kann man als Laie kein Problem mehr drin erkennen."
Auch bei Google sieht man die mutmaßlich erlaubte Nutzung skeptisch: Sabine Frank hat für das Unternehmen, zu dem mit Youtube die größte Plattform mit nutzergeneriertem Inhalt gehört, an der Sachverständigenanhörung im Bundestages teilgenommen. Sie kritisierte insbesondere die Möglichkeit, Inhalte durch eine entsprechende Kennzeichnung vom automatischen Blockieren auszunehmen.
"Allerdings ist das meiner Meinung nach nur teilweise gelungen, weil diese Grenzwerte von 15 Sekunden sicherlich dazu führen werden, dass manche legalen Zitate und Parodien, Memes in Zukunft hochgeladen werden können, aber bei weitem nicht alle. Ich befürchte also, dass es also dennoch zur Sperrung legaler Inhalte kommen wird."
Ganz anders sieht das der Komponist Matthias Hornschuh von der Initiative Urheberrecht. Für ihn geht die Regelung zu weit. "Wenn man sich gerade mal das Beispiel der 125 kb Upload für Bildmaterial heranzieht, das hat überhaupt keine Bedeutung für das Ergebnis, das sichtbar wir. Weil wir es nämlich mit skalierbaren Ergebnissen zu tun haben. Heute schon wird eine Vektorgrafik, die mit 125 kb hochgeladen wird, im Browser mit 1,5 MB-Größe geöffnet. Und das ist eine HD-Grafik, die man da sieht. Da kann man als Laie kein Problem mehr drin erkennen."
Auch bei Google sieht man die mutmaßlich erlaubte Nutzung skeptisch: Sabine Frank hat für das Unternehmen, zu dem mit Youtube die größte Plattform mit nutzergeneriertem Inhalt gehört, an der Sachverständigenanhörung im Bundestages teilgenommen. Sie kritisierte insbesondere die Möglichkeit, Inhalte durch eine entsprechende Kennzeichnung vom automatischen Blockieren auszunehmen.
"Das Verbot einer Sperrung von Inhalten nach einem Nutzerflagging wird zu einer unübersehbaren Fülle von solchen Kennzeichnungen führen, das Tor für Piraterie öffnen und zudem die Zahl von Streitigkeiten stark ansteigen lassen." Mehr Streitigkeiten, die letztendlich auch vor den Gerichten landen, befürchtet auch Matthias Hornschuh von der Initiative Urheberrecht.
Das Gesetz sei voll von Begriffen, deren konkrete rechtliche Bedeutung überhaupt erst noch geklärt werden müsse. Hier werde man sich "sehenden Auges auf eine Phase von zehn, fünfzehn vielleicht 20 Jahren Richterrecht zu bewegen. Also bis das einmal durch den EuGH durchgegangen ist und wir wirklich wissen, was das eigentlich ist, was da gerade in das Gesetz geschrieben wurde, das wird ewig dauern."
Generalanwalt des EuGH: Artikel 17 verstößt nicht gegen die Grundrechtecharta
Vorher aber steht noch eine andere Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofes an. Polen hatte bereits vor zwei Jahren in Luxemburg eine so genannte Nichtigkeitsklage gegen Artikel 17 erhoben, also genau gegen jenen Artikel, der mit dem Urheberrechtsdienste-Anbietergesetz jetzt umgesetzt wurde. Die polnische Regierung meint, dass die Bestimmungen des Artikel 17 gegen die in der Europäischen Grundrechtecharta verankerte Meinungsäußerungsfreiheit und die Informationsfreiheit verstoßen.
Vom Ausgang des Verfahrens dürfte auch das Schicksal des Urheberrechtsdienste-Anbietergesetzes abhängen. Mitte Juli hat der Generalanwalt des EuGH Henrik Saugmandsgaard Øe sein Votum abgegeben. Kurz zusammengefasst: Artikel 17 verstößt seiner Auffassung nach nicht gegen die Grundrechtecharta.
Allerdings, so erläutert Urheberrechtsprofessorin Louisa Specht-Riemenschneider: "Allerdings, und das ist tatsächlich beachtlich, ist er der Auffassung, dass Artikel 17 nur deshalb nicht in die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit unzulässigerweise eingreift, weil er bestimmte Mindestvorgaben macht."
Zum Beispiel ist in Artikel 17 festgehalten, dass die Mitgliedstaaten nach einer möglichen Sperrung eines Inhaltes ein entsprechendes Beschwerdeverfahren ermöglichen müssen. Und "der Generalanwalt sagt sehr deutlich, es müssen auch ex-ante-Maßnahmen getroffen werden. Also solche Maßnahmen, die dafür sorgen, dass Inhalte, die rechtmäßig sind, von vorneherein nicht geblockt werden. Genau das haben wir im Urheberrechtsdienste-Anbietergesetz mit den mutmaßlich erlaubten Nutzungen."
Zum Beispiel ist in Artikel 17 festgehalten, dass die Mitgliedstaaten nach einer möglichen Sperrung eines Inhaltes ein entsprechendes Beschwerdeverfahren ermöglichen müssen. Und "der Generalanwalt sagt sehr deutlich, es müssen auch ex-ante-Maßnahmen getroffen werden. Also solche Maßnahmen, die dafür sorgen, dass Inhalte, die rechtmäßig sind, von vorneherein nicht geblockt werden. Genau das haben wir im Urheberrechtsdienste-Anbietergesetz mit den mutmaßlich erlaubten Nutzungen."
Julia Reda: "Ich sehe da ein großes Missbrauchspotential"
Oft, aber eben nicht immer, folgt der Europäische Gerichtshof den Schlussanträgen seines Generalanwaltes. Es bleibt also spannend, wie es hier weitergeht. Julia Reda jedenfalls wünscht sich, dass der Klage Polens stattgegeben und Artikel 17 für nichtig erklärt wird.
"Weil ich wenig Hoffnung habe, dass es wirklich technisch möglich ist, die Uploadfilter soweit zu beschränken, dass es gar nicht zur Sperrung legaler Inhalte kommt. Ich sehe da ein großes Missbrauchspotential, dass eben beispielsweise auch angebliche Rechteinhaber Werke als ihre eigenen ausgeben und erstmal sperren lassen. Und dann kann man sich zwar im Nachhinein beschweren, aber gerade, weil das Internet so schnelllebig ist, ist der Schaden für die Meinungsfreiheit dann schon angerichtet."
"Weil ich wenig Hoffnung habe, dass es wirklich technisch möglich ist, die Uploadfilter soweit zu beschränken, dass es gar nicht zur Sperrung legaler Inhalte kommt. Ich sehe da ein großes Missbrauchspotential, dass eben beispielsweise auch angebliche Rechteinhaber Werke als ihre eigenen ausgeben und erstmal sperren lassen. Und dann kann man sich zwar im Nachhinein beschweren, aber gerade, weil das Internet so schnelllebig ist, ist der Schaden für die Meinungsfreiheit dann schon angerichtet."
Sollte das tatsächlich geschehen, wäre wohl auch das deutsche Umsetzungsgesetz europarechtswidrig, sagt Julia Reda. "Und ich würde davon ausgehen, dass in dem Fall der Bundestag das Gesetz wieder abschaffen würde, um Ordnung zu schaffen."
Das wäre auch ganz im Sinne von Alexander Rabe vom Verband der Internetwirtschaft eco. "Wenn Artikel 17 annulliert werden würde, wenn wir die Nichtigkeit dieses Artikels feststellen würden, wäre dem Digitalstandort Europa geholfen."
Das wäre auch ganz im Sinne von Alexander Rabe vom Verband der Internetwirtschaft eco. "Wenn Artikel 17 annulliert werden würde, wenn wir die Nichtigkeit dieses Artikels feststellen würden, wäre dem Digitalstandort Europa geholfen."
Nur drei Länder haben bisher die Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt
Denn der Verband befürchtet durch die unterschiedlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten einen rechtlichen Flickenteppich in Europa.
Rabe: "Ich glaube, das Signal, was wir davon aussenden, dass wir zum einen hier in Deutschland dieses Gesetz nochmal mit einer ganz besonderen Finesse umsetzen wollen, 27 Mitgliedstaaten es wieder anders machen. Das Signal, glaube ich, ist an sich schon mal eines, was einen Gründer, der sagt, o.k., mein Zielmarkt ist der digitale Binnenmarkt in Europa, nicht motivieren wird, ein Produkt auf den Markt zu bringen, wo man sagt, hey, das ist europäisch."
Alexander Rabe meint deshalb, dass auch wenn der Europäische Gerichtshof Artikel 17 aufrechterhalten sollte, es sinnvoll wäre, nach der Entscheidung noch einmal innezuhalten. Man solle sich genau anschauen, was das Gericht möglicherweise vorgibt und dann vielleicht nach einer europaweit einheitlicheren Lösung suchen.
"Wie wär's, wenn wir vielleicht jetzt mal überlegen einen einheitlichen Rollout umzusetzen im Sinne dieses Standorts und dann haben die Unternehmen überhaupt keine Probleme, sich dem anzunähern."
Rabe: "Ich glaube, das Signal, was wir davon aussenden, dass wir zum einen hier in Deutschland dieses Gesetz nochmal mit einer ganz besonderen Finesse umsetzen wollen, 27 Mitgliedstaaten es wieder anders machen. Das Signal, glaube ich, ist an sich schon mal eines, was einen Gründer, der sagt, o.k., mein Zielmarkt ist der digitale Binnenmarkt in Europa, nicht motivieren wird, ein Produkt auf den Markt zu bringen, wo man sagt, hey, das ist europäisch."
Alexander Rabe meint deshalb, dass auch wenn der Europäische Gerichtshof Artikel 17 aufrechterhalten sollte, es sinnvoll wäre, nach der Entscheidung noch einmal innezuhalten. Man solle sich genau anschauen, was das Gericht möglicherweise vorgibt und dann vielleicht nach einer europaweit einheitlicheren Lösung suchen.
"Wie wär's, wenn wir vielleicht jetzt mal überlegen einen einheitlichen Rollout umzusetzen im Sinne dieses Standorts und dann haben die Unternehmen überhaupt keine Probleme, sich dem anzunähern."
Was für einen solchen Weg sprechen könnte: Nur drei Länder haben bisher die Urheberrechtsrichtlinie überhaupt in ihr nationales Recht umgesetzt. Die Europäische Kommission hat deshalb Mitte Juli mitgeteilt, dass sie Vertragsverletzungsverfahren gegen 23 Mitgliedstaaten – darunter Österreich, Belgien, Tschechien, Italien, Polen und Frankreich – einleiten will. Der Weg zurück auf null wäre damit in den meisten Mitgliedstaaten wohl nicht sehr lang. Voraussichtlich aber werden sowohl Artikel 17 als auch das Urheberrechtsdienste-Anbietergesetz weiter bestehen bleiben.
Insbesondere Verwertungsgesellschaften und Plattformen werden deshalb jetzt ihre Vertragsbeziehungen aufbauen oder intensivieren und Lizenzverträge verhandeln. Viele Urheber werden hoffentlich mit mehr Geld rechnen können und Unternehmen wie Google, Facebook und Co. müssen die technischen Voraussetzungen für die Umsetzung des Gesetzes schaffen. Viele Fragen sind dabei noch offen, viele Unsicherheiten müssen noch geklärt werden. Netzaktivisten wie Julia Reda wiederum werden genau beobachten, was und wieviel künftig auf den Plattformen geblockt wird.