Man nehme Schokolade, gebe sie in einen Topf und erhitze sie sachte und behutsam. Und siehe da: Nach und nach wird die vormals feste Substanz immer flüssiger, bis sie sich nach Belieben schütten und gießen lässt. Ganz ähnlich gehen Ölkonzerne bislang vor, wenn sie zähes, dickflüssiges Rohöl durch ihre Tausende Kilometer langen Pipelines pumpen wollen.
"An einer Pipeline stehen heute alle 15 bis 20 Kilometer Heizstationen, die das Öl auf 20 bis 30 Grad Celsius erwärmen. Das kostet jede Menge Energie und ist nicht gerade umweltfreundlich."
sagt Rongjia Tao, Physikprofessor an der Temple University in Philadelphia. Verschärft wird das Problem dadurch, dass die Konzerne mittlerweile auch sehr zähflüssiges Öl fördern, was den Energieaufwand fürs Heizen sogar noch erhöht. Also suchten Tao und seine Leute nach einer Alternative und nahmen sich zunächst mal die Ursache vor: Warum ist Rohöl überhaupt so zäh?
"Rohöl ist so etwas wie eine Suspension. Die Grundflüssigkeit ist zwar Benzin, und das ist dünnflüssig. Darin aber schwimmen lauter kleine organische Partikel, Wachsteilchen etwa. Und die halten den Verkehr auf und machen das Öl zähflüssig - ein Problem, das übrigens schon Albert Einstein studiert hat."
Dünnflüssiger durch Hochspannung
Hitze kann die bremsenden Wachsteilchen zwar schmelzen. Doch zugleich erzeugt sie Turbulenzen und Verwirbelungen im Öl - was dessen Fluss dann wieder bremst. Also wählten die Physiker eine andere Strategie: Was passiert, wenn man der zähen Brühe nicht mit Hitze zu Leibe rückt, sondern mit elektrischer Hochspannung? Die nämlich sollte auf die Partikel im Öl einen besonderen Einfluss haben.
"Die Teilchen werden polarisiert, werden quasi schwach aufgeladen. Dadurch tun sich mehrere Partikel zu kurzen Ketten zusammen, die sich dann parallel zur Strömung ausrichten. Dadurch wird das Öl dann - zumindest in Strömungsrichtung - deutlich dünnflüssiger."
Vergleichbar ist das mit einer Menschenmenge auf einem Platz. Laufen alle durcheinander, kommt keiner so recht voran. Doch tun sich die Passanten zu kleinen Trupps zusammen, die alle in eine Richtung marschieren, gerät der Verkehr in Fluss. Zudem, sagt Tao, sollte die Hochspannung einen zweiten Vorteil haben und keine störenden Turbulenzen im Öl erzeugen.
Ersparnis von 70 Prozent
Im Labor funktionierte das Verfahren wie geplant, ebenso bei einer acht Kilometer langen Pipeline-Testschleife. Die Nagelprobe aber stand im letzten Sommer an, als die Experten einen Teil der Keystone-Pipeline bestückten – eine Hauptschlagader des US- Ölnetzes, sie führt von Kanada bis nach Texas.
"Bevor wir unsere Geräte einschalteten, brauchten die Pumpen eine Leistung von 2,8 Megawatt. Als wir unsere Technik dann aktivierten, sank der Wert auf 0,7 Megawatt. Also eine Ersparnis von 70 Prozent. Und das hat die Pipeline-Betreiber doch ziemlich überrascht."
Die verwendete Hochspannung hängt von der zu transportierenden Ölsorte ab und liegt im Bereich von einigen Zehntausend Volt. Sie muss nicht über die gesamte Pipeline anliegen. Im Prinzip genügt ein wenige Meter langes Rohrstück alle 15 bis 20 Kilometer, wo sowieso eine Pumpstation steht.
Der Energiebedarf einer Hochspannungseinheit ist überschaubar - 700 Watt, etwa soviel wie eine Herdplatte. Seit Kurzem wird die Technik schon von einer Firma angeboten - wobei die Bestückung einer Neubau-Pipeline einfacher und damit billiger ist als die Nachrüstung bestehender Leitungen, sagt Rongjia Tao. Doch ist das Verfahren auch sicher? Immerhin ist Hochspannung im Spiel.
"Die Pipeline können Sie ruhig anfassen, die steht ja nicht unter Spannung. Sie herrscht allein in unseren Geräten. Und mit denen muss man natürlich vorsichtig sein. Aber das ist eine ganz normale Prozedur, wie man mit Hochspannungsgeräten umzugehen hat."