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Neues von Attila und den Hunnen

In der Spätantike rückten von Osten Stämme aus den Steppen Mittelasiens nach Europa vor: Zuerst Alanen und Sarmaten, nach ihnen reiternomadische Völker, die in der spätantiken Welt unter dem Namen Hunnen Angst und Schrecken verbreiteten. Mit dieser Zeit des Umbruchs und der Raubzüge befasst sich eine Ausstellung in Speyer.

Von Barbara Weber | 20.09.2007
    " Es wird deutlich, .... dass Attila und die Hunnen ein Mythos geworden ist, und zwar durch das gesamte Mittelalter hindurch und die Neuzeit. .... in der Kunst, in der Literatur bis hin zur Oper, wir spielen hier also auch Stücke einer Verdi Oper ein.

    Im Nibelungenlied taucht Attila als König Etzel auf und damit natürlich auch als ganz wichtiger Spieler in der Auseinandersetzung der Römer auf der einen Seite und der Burgunder auf der anderen Seite, also Etzel wird dort lebhaft beschrieben als der durchtriebene König. "

    Dr. Alexander Koch, Direktor des Historischen Museums der Pfalz Speyer

    Obwohl sie Menschengestalt haben, sind sie durch ihre Lebensweise so abgehärtet, dass sie kein Feuer und keine gewürzten Speisen benötigen, sondern von den Wurzeln wilder Kräuter und dem halbrohen Fleisch beliebiger Tiere leben, das sie zwischen Schenkel und Pferderücken legen und so kurz anwärmen. Niemals halten sie sich unter einem festen Dach auf, sondern sie meiden Häuser wie Gräber. Nicht einmal eine rohrgedeckte Hütte haben sie, sondern durchstreifen ziellos Berge und Wälder, von Jugend daran gewöhnt, Kälte, Hunger und Durst zu ertragen.

    Ammianus Marcellinus, römischer Geschichtsschreiber

    "Das typische Bilder der Hunnen, das die Bevölkerung so in Erinnerung hat, zeigt immer einen Mongolen mit Schlitzaugen, mit schwarzen Haaren. Wir möchten hier eben zeigen, dass dem nicht eben so war. Zum hunnischen Verband gehörten auch germanische Stämme, die durchaus ein europides Aussehen hatten. "

    Melanie Herget, Frühmittelalterarchäologin, Historisches Museum der Pfalz Speyer.

    Im Jahr 284 n. Chr. wurde Diocletian zum Kaiser des römischen Reiches ausgerufen. Mit diesem Datum begann eine Zeit des Übergangs zwischen Antike und Mittelalter, in deren Verlauf das Christentum immer stärker an Bedeutung gewann. Gegen Ende des vierten Jahrhunderts war das römische Reich endgültig in eine östliche und eine westliche Hälfte geteilt. Mit den Goten siedelte erstmals ein großes germanisches Volk auf dem Gebiet des Reiches. Hinter den Goten rückten von Osten Stämme aus den Steppen Mittelasiens nach Europa vor: Zuerst Alanen und Sarmaten, nach ihnen reiternomadische Völker, die in der spätantiken Welt unter dem Namen Hunnen Angst und Schrecken verbreiteten.

    Hier beginnt die Ausstellung. Es ist die Zeit des Umbruchs, der Kriege, der Plünderungen und Raubzüge:

    " Vor uns sehen wir, nachgebaut, ein riesiges Lagertor eines römischen Kastells, ...die zerstörten Überreste eines Militärlagers der Römer, wir spüren die Auseinandersetzung, die Bedrohung durch Reiternomaden. Wir sehen hier die verbrannten Strukturen aus Holz. Sie sehen die zerstörte Tür. Sie sehen Pfeile, die im Holz stecken, all das Anzeichen, die deutlich machen, hier gab es eine gewaltige militärische Bedrohung, Zerstörung, Plünderung, Raubzüge und Tod. .... Wir haben konkrete Hinweise darauf, dass Menschen ums Leben gekommen sind in erheblicher Zahl bei diesen Auseinandersetzungen, und diese anthropologischen Reste ... präsentieren wir hier auch, und sie machen deutlich, mit welcher gewaltigen Wucht diese Reiternomaden aus den eurasischen Steppengebieten hier nach Mitteleuropa vordrangen und welche Zerstörungswut sie mitbrachten. "

    Der ursprüngliche Lebensraum der Hunnen - so Alexander Koch - war extremen klimatischen Bedingungen unterworfen.

    " Wir müssen uns also eine Landschaft vorstellen, wie wir sie hier auch auf diesen Großfotos sehen, unendliche Weiten, eine karge, steppenartige Landschaft, die auch kärglich bewachsen war mit spärlicher Vegetation und die damit auch den Tieren und damit auch für den Menschen nur in geringem Maße einen Lebensunterhalt sicherte. Das ist auch einer der wesentlichen Gründe, weshalb diese reiternomadischen Gruppen immer wieder in die südlichen und westlichen Regionen eingefallen sind, schlichtweg auch aus Hungersnöten heraus. Wir müssen uns also vorstellen, dass diese Bevölkerungsgruppen deshalb mobil waren, weil sie ihren Lebensunterhalt sichern mussten. Und wenn es gewaltige Dürren gab, wenn es Kälte gab, wenn es Winter gab von sechs Monaten und mehr und dann extrem heiße Sommermonate, dann bedeutete das auch, dass die Nahrung nicht in dem Maße zur Verfügung stand, und dann musste man sich die Nahrung beschaffen."

    Ein furchtbares Blutbad anrichtend, galoppieren sie hin und her, und wegen ihrer gewaltigen Schnelligkeit sieht man sie kaum, wenn sie in eine Befestigung eindringen oder ein feindliches Lager plündern. Man möchte sie aus dem Grund die furchtbarsten von allen Kriegern nennen.

    Ammianus Marcellinus, römischer Geschichtsschreiber

    Zu ersten hunnischen Raubzügen nach Europa kam es wohl im Jahr 395 n. Chr.. Zu dieser Zeit scheinen einige hunnische Teilstämme bis in die ungarische Tiefebene vorgedrungen zu sein. Zu Beginn des 5.Jahrhunderts nehmen die Hunnen unter ihrem König Uldin jene Rolle in der Geschichte der Spätantike ein, die sie bis zum Tod Attilas ausüben sollten.

    Wie ein Aufeinandertreffen römischer Legionäre mit hunnischen Kriegern ausgesehen haben könnte, veranschaulicht die Ausstellung.

    " Wir haben hier in einem sehr zurückhaltenden Material, nämlich in Draht nachgeformt Pferde und Reiter, die entsprechend dann auch in originalgetreuer Rekonstruktion bekleidet sind und auch bewaffnet sind. Dies ist eine militärische Bedrohung für den gegenüber dargestellten römischen Soldaten, der sich dieser Reiternomaden zu erwehren versucht. In diesem Raum thematisieren wir diese gewaltige Bedrohung durch neue Waffen, durch fremde Waffen und völlig andersartigen Kampfesweisen, mit denen die Römer konfrontiert worden waren damals und mit denen sie nicht fertig wurden, weshalb es immer wieder auch zu Siegen dieser Reiternomaden gegenüber den Römer kam. "

    Andererseits standen Hunnen immer wieder als Hilfstruppen auf Seiten der Römer. Das bekannteste Beispiel für Hunnen in römischen Diensten ist ihre Beteiligung an der Zerschlagung des Wormser Burgunderreiches .

    " Es ist in der Tat so: ... Selbst Reflexbögen waren den Römern bekannt, weil auch in ihren Truppenkontingenten es solche östlichen Reiter- und Bogenverbände gab, aber die militärische Bedrohung lag insbesondere in der Schnelligkeit, insbesondere in der Kampfesweise. Es wird berichtet in den griechisch-römischen Quellen von der Scheinangriffsweise und der Scheinflucht. Und das ist etwas, was wohl einer der zugkräftigsten militärischen Erfolge dann auch für die Hunnen darstellte, dass sie nämlich zunächst angriffen, dann scheinbar zurückwichen, um dann den Gegner von der Seite anfallen zu können und rückwärtsgewandt vom Pferd aus mit dieser tödlichen Waffe auf den Gegner zu schießen. Und ein römischer Soldat zu Pferde hatte gegenüber einer solchen Waffe, einer Fernwaffe, keine Chance."

    Es gibt nur wenige Zeugnisse über das Alltagsleben der Hunnen. Da viele Gegenstände aus Holz gefertigt wurden, haben sie die Jahrhunderte nicht überdauert. Dank günstiger klimatischer Bodenbedingungen, sind aus einem südsibirischen Gräberfeld Gebrauchsgegenstände aus Holz erhalten. Bedingt durch den Kontakt zum chinesischen Reich war den Hunnen auch Gebrauchskeramik bekannt, wegen ihrer Zerbrechlichkeit aber war diese nicht so verbreitet.

    Vermutlich - so Melanie Herget - leben die Hunnen ursprünglich in der Steppe in Jurten. Bei der Rekonstruktion helfen ethnologische Erkenntnisse weiter:

    " Diese Jurte stammt aus Kirgistan, ist ca 70 Jahre alt, und wir können aufgrund ethnologischer Parallelen heute davon ausgehen, dass die Hunnen in ähnlichen Zelten gewohnt haben. Und aufgrund daher möchten wir mit dem etwas jüngeren Objekt auch darstellen, wie es eben im 4./5.Jahrhundert ausgesehen haben kann.

    Es ist ein rundes Gebäude. Die Wände bestehen aus eine Art Scherengitter, darüber gibt es Dachlatten, die oben mit einer Art Krone befestigt werden. All diese Materialien werden miteinander verschnürt und mit dicken Filzlagen bedeckt. Das Innere der Jurte ist relativ streng aufgeteilt: Und zwar ist der linke Bereich der Jurte, wenn sie hineingehen, dem Arbeitsbereich der Frauen zuzuweisen, der rechte Bereich der Jurte dem Leben der Männer. Und der dem Eingang gegenüberliegende Platz ist der ... Ehrenplatz für den Gast."

    Diese Aufteilung scheint auch für festere Gebäude übernommen worden zu sein. Sie findet sich ähnlich auch in dem Gehöft Attilas wieder.

    Bald standen wir an der Schwelle des Saales, Attila gegenüber. Die Weinschänke reichten uns nach der Sitte des Landes einen Kelch, damit wir zum Gruße tranken, ehe wir uns setzten. Nach dem Begrüßungstrunk gingen wir zu den uns angewiesenen Sitzen. Die Sessel waren längs der Seitenwände im Raum aufgestellt; in der Mitte saß auf einem Speisesofa Attila; dahinter befand sich noch ein anderes Sofa, hinter dem einige Stufen zu seinem Ruhelager hinaufführten; es war mit Leintüchern und bunten Decken geschmückt, so wie Griechen und Römer sie über Hochzeitsbetten breiten.

    " Schmuck, Waffen, Trachtbestandteile, all das wird in diesem Raum thematisiert, wobei, es ist mehr als ein Raum. Es ist der Hof Attilas, der Palast Attilas, den wir hier präsentieren und thematisieren, eingebunden in die Eliten, die am Hofe Attilas weilten, die dem hunnischen König folgten und damit auch sich in diesem hunnischen Machtverband behaupteten. Und nun ist es natürlich so, dass wir über diese Episode der hunnischen Zeit zurückgreifen können auf historische Berichte. Und einer davon stammt von Priscus, aufgezeichnet bei Jordanis, der am Hof Attilas weilte. "

    ...und Melanie Herget ergänzt:

    " Wir wissen von dem Bericht des Priscus, der Attila besucht hat, dass eben Attila nicht wie seine Untertanen in einem Zelt wohnte sondern interessanterweise in einem Holzgebäude, das mit einem hölzernen Zaun umgeben war. Deshalb haben wir versucht, die Situation ein bisschen darzustellen, und zwar bewegen wir uns durch den Palast hindurch auf Attila zu. ... und sehen zunächst einmal links und rechts prächtige Goldfunde und zwar auf der einen Seite sind es Goldfunde, die dem Hunnischen ... zuzuordnen sind und zwar generell hunnische Funde, und auf der anderen Seite sind eher Fundkomplexe, die dem hunnischen Verband zuzuordnen sind, das heißt die germanischen Verbündeten, ... hier vorne haben wir vor allem den männlichen Teil präsentiert, mit sehr prächtig verzierten Schwertern. Etwas weiter dahinter kommen wir dann in den weiblichen Bereich wieder auf der einen Seite Grabkomplexe, die Damen zuzuordnen sind, die dem hunnischen Verband angehörten und auf der anderen Seite hunnische Damen. Typisches Kennzeichen einer hunnischen Dame der Oberschicht sind die sogenannten Diademe. Es handelt sich dabei um etwa vier bis fünf Zentimeter breite goldene Blechstreifen, die mit Granaten verziert sind. "

    Attila selbst galt als bescheiden. Er achtete wohl peinlich genau auf sein weißes Gewand; im Gegensatz zum Hofstaat nutzte er aber Holzgeschirr. Sein Ende wurde uns von Jordanes so überliefert:

    Als am nächsten Morgen, es war bereits spät am Tag, die Diener des Königs unheilahnend großen Lärm an seiner Tür machten und endlich eindrangen, da fanden sie Attila tot daliegend, blutüberströmt doch ohne irgendeine Wunde.

    Der Tod soll durch einen Blutsturz eingetreten sein, an dem der volltrunkene König in seiner Hochzeitsnacht mit der wunderschönen burgundischen Prinzessin Illdico erstickte. Ein ungewöhnlicher Tod für einen Mann, dessen Ableben man eher auf einem Schlachtfeld vermuten würde. So verwundert es nicht, dass schon bald Gerüchte entstanden, die junge Ildico hätte sich ihres Gemahls mit Hilfe eines Dolches entledigt, als Rache für die Vernichtung des burgundisches Königreiches durch die Hunnen.

    Das Ende Attilas besiegelte auch das Ende seines Reiches.

    " Wir müssen davon ausgehen, dass das Streben nach Expansion der Hunnen und nach militärischer Macht irgendwann ein natürliches Ende fand....nämlich die Kontrollierbarkeit, der Machtwille hatte irgendwann ein Ende gefunden, dieses riesige, fragile Gebilde brach auseinander, weil die Bevölkerungsgruppen, die viele Tausend Kilometer weit weg waren, sich dachten, was muss ich denn noch auf diesen Hunnenkönig hören und sich anderen Gruppen zuwandten, also mit anderen Worten, es wird deutlich, dass ein solches fragiles Gebilde kein Machtbereich auf Dauer war, sondern künstlich, für wenige Jahre gab es einen gewaltigen Machtfaktor, der dann aber wieder wie ein Kartenhaus zusammenbrach, weil es eben keine staatlichen Strukturen gab. "