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Neues Wanda-Album
Cunnilingus war gestern

Die österreichische Band Wanda veröffentlicht mit "Niente" ihr drittes Studioalbum und geht teilweise neue Wege. Poetische Geschichten aus der Kindheit statt Schmutziges aus der Kneipe: Wanda wirkt ruhiger und reifer - ob das den Fans noch gefällt?

Von Julian Ignatowitsch | 07.10.2017
    Die österreichische Band Wanda auf einer Veranda sitzend.
    Gleich das erste Stück auf "Niente" klingt wie ein typischer Wanda-Ohrwurm - trotzdem ist alles anders (Wanda/Wolfgang Seehofer)
    Alles wie immer, oder? Der typische Wanda-Sound: Einfache Akkordfolgen, geradliniger Takt, dazu die gewohnt markigen Sprüche:
    Sänger Michael Marco Fitzthum: "Es ist Rock'n Roll mit Welteroberungsanspruch! Wir versuchen immer die beste Band der Welt zu sein."
    Gleich das erste Lied auf "Niente" klingt wie der typische Wanda-Ohrwurm, von denen es auf den beiden Vorgängeralben "Amore" und "Bussi" so viele gab und die live sowieso immer besser funktionieren als im heimischen Wohnzimmer.
    "Im Kern unserer Identität sehen wir uns als ein Happening, als etwas, das auf der Bühne stehen muss und mit Menschen zusammen etwas machen muss."
    Also, alles wie immer oder?
    Ganz so einfach ist es dann doch nicht.
    "Natürlich hat sich etwas verändert. Ich habe das Gefühl, ich als Texteschreiber der Gruppe verstecke mich nicht mehr hinter Geschichten. Ich habe in dieser Lebensphase keine Lust mehr, das, was Figuren um mich herum in einer Kneipe von sich geben, zusammenzubasteln."
    Balladen-Stil und Kindheitserinnerungen
    Der Andi, der Thomas, Tante Ceccarelli - plötzlich sind sie weg die alten Figuren.
    "Die ziehen sich um hinter der Bühne und kommen vielleicht bald als Glam-Rocker zurück."
    Und Frontmann Marco Wanda singt im Balladen-Stil, Streicher und Klavier im Hintergrund, über seine Kindheit, über Erinnerungen und frühe Sehnsüchte.
    "Ich fühle mich nicht erwachsener, aber vielleicht bin ich es."
    Wie war sie denn die Kindheit in 0043, die Vorwahl für Österreich?
    "Eine urbane bis ländliche, mitteleuropäische, ganz gewöhnliche Kindheit. Ich bin zwischen Wien und dem Waldviertel aufgewachsen, habe im Wald und im Fußballkäfig in der Stadt gespielt. Das war meine Kindheit!"
    "Man will etwas Menschliches zeigen"
    Wanda ist erwachsen geworden. Die Tonlage insgesamt ruhiger, die Texte reifer, teilweise poetisch, autobiografisch, aber eben auch nicht mehr so forsch-provokant, rotzig und abgedreht. Das wird nicht jedem Fan gefallen - und ist trotzdem eine stimmige Weiterentwicklung, der man gerne zuhört, die sich ins Ohr frisst und die Zusammenhalt verspricht in politisch turbulenten Zeiten.
    "Es hört nicht nur einer zu, sondern irgendwie hören alle zu. Man möchte etwas beitragen zum Kanon des kollektiven Unbewussten. Man will mehr gehört werden wie ein Wahlkampf, der nur spaltet, man will etwas Menschliches zeigen, das zusammenführt und nicht auseinanderdividiert."
    Die Hymnen - sie sind weiter da. Ein ganzer Chorus auf Italienisch. Und da taucht dann doch das alte Schlagwort wieder auf: Amore. Nur ist das nicht mehr der promiskuitive Cunnilingus, sondern ein versöhnlicher Kuss auf die Wange.