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Neugieriges Kettentier

Robotik.- Roboter erobern das alltägliche Leben. Sie saugen Staub, mähen den Rasen oder führen durchs Museum. Je näher sie den Menschen kommen, desto flexibler müssen sie programmiert werden. Deshalb wird seit einiger Zeit ein anderer Ansatz erprobt: Roboter sollen selbst lernen, in einer komplexen Umwelt zurecht zu kommen.

Von Volkart Wildermuth | 09.02.2010
    Auf zwei Raupenketten saust Corvid durch das Labor am Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der Technischen Universität Wien. Hindernisse gibt es genug, uralte Sessel mit Cordbezug, Roboter-Greifarme, Kameragestelle und natürlich Computertische. Unter einem verschwindet Corvid und kehrt nicht mehr zurück.

    "Kommst Du wieder raus?"

    Eher nicht, Roboterforscher Michael Zillich muss selbst unter den Tisch kriechen und Corvid hervorholen. Das Auge des Roboters, ist abgegangen. Kein Problem, der Schaden ist schnell behoben, es ist schließlich nur eine einfache Webcam.

    "Nachdem Corvid ja lernen soll, ohne dass wir ihm Verhalten wie zum Beispiel Abstand halten eingeben wollen vorher, muss er halt robust genug sein, um Kollisionen auszuhalten. Und wenn mal was schiefgeht und er wirklich kaputt geht, muss man ihn billig reparieren können. Mit den Apparaten, die wir hier sonst haben, die Tausende oder Zigtausende Euros kosten, wäre es einfach zu gefährlich, Auch vom Sicherheitsaspekt her, die wiegen halt schon mal 100, 200 Kilo und den kann ich nicht experimentieren lassen, ohne ihn wirklich dauernd zu beaufsichtigen."

    Corvid ist nur so groß wie ein Schuhkarton und besteht aus Standardbauteilen. Neben der Webcam gibt es zum Beispiel noch Ultraschallsensoren, die sonst im Auto das Einparken erleichtern, und für die Steuerung ist ein Prozessor wie aus einem Smartphone zuständig. Damit wird die Drehung der Motoren gesteuert, zwei treiben die Raupen an, einer wird in Zukunft einen Greifarm bewegen. An dessen Spitze sitzt die Kamera direkt über einer Zange.

    Diese Kombination erinnert entfernt an Auge und Schnabel eines Vogels, daher der Name des Roboters, Corvid. So nennen Biologen die Rabenvögel. Die gelten als besonders klug - und klug, das soll Corvid einmal werden. Zu Beginn bewegt sich Corvid zufällig. Motorplappern nennen das die Robotiker. Und so wie das Baby beim Plappern lernt, wie es bestimmte Laute erzeugen kann, soll Corvid über das Motorplappern die richtigen Bewegungs-Strategien lernen. Damit das klappt, hat ihm Michael Zillich so etwas wie eine Maschinenpsyche einprogrammiert.

    "Corvid hat im Moment nur eine Motivation und das ist, sein Lernen zu verbessern. Neugierde könnte man auch sagen."

    In Computercode umgesetzt funktioniert das psychologische Konzept Neugierde in etwa so: Corvid speichert die Messwerte seiner Sensoren, dann bewegt er sich und speichert erneut. Parallel versucht sein Prozessor zu errechnen, wie die neuen Messwerte wohl aussehen werden. Klappt das nicht, wird die Bewegung wiederholt und wiederholt und wiederholt: Die Vorhersagen werden besser.

    "Wenn er was schon sehr gut gelernt hat, also zum Beispiel: 'Wann immer ich vorwärts fahre, kommt die Wand näher.' Dann bleibt der Lernerfolg gleich gut und damit ist die Situation langweilig, weil ich kann nicht mehr besser werden, und dann soll er sich neuen komplexeren Situationen widmen und die lernen."

    Erst einmal geht es für Corvid darum, Hindernisse zu vermeiden, aber nach und nach soll der kleine Corvid auch lernen, Ziele anzusteuern, Dinge zu erkennen und zu greifen. Wenn die Methode funktioniert, flexibles Verhalten in komplexen Umwelten ermöglicht, dann will Michael Zillich in seiner Kinderstube für Roboter auch komplexere Maschinen erziehen.

    "Das Traumziel ist natürlich immer der Haushaltsroboter, der unangenehme Dinge oder langweilige Dinge für mich im Haushalt erledigt. Putzen, Dinge bringen, aufräumen."

    Ein neugieriger Roboter, der langweilige Aufgaben übernimmt?

    "Das ist natürlich ein bisschen unfair, mit Kindern funktioniert das meistens nicht so gut, die werden dann natürlich sagen 'Nein'."

    Auf lange Sicht muss die Psyche des Roboters dann neben der Neugierde und einem Hunger auf geladene Akkus auch eine Lust am Gehorchen einprogrammiert bekommen.

    "Wir werden immer einige Motivationen haben, die im Wettstreit stehen und hoffentlich wird der menschliche Befehl immer die höchste Motivation sein."