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Neuköllner Bezirksbürgermeister will NPD "in die Suppe spucken"

Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky warnt vor der Propaganda der rechtsextremen NPD bei Jugendlichen. Junge Menschen seien für die Parolen der Rechten besonders anfällig. "Da müssen wir in den nächsten Jahren in den Schulen und in den Jugendclubs massiver heran, weil die NPD sich diese Zielgruppe ausgesucht hat", sagte der Berliner SPD-Kommunalpolitiker.

Moderation: Bettina Klein | 19.09.2006
    Bettina Klein: Sein Stadtbezirk geriet schon einmal in die Schlagzeilen - in der jüngsten Vergangenheit nach den Vorgängen an der Rütli-Schule. Neukölln, ein Berliner Bezirk der Gegensätze mit hohem Migrantenanteil, vielen Problemen und einem engagierten Bürgermeister, der schon damals gefragter Gesprächspartner war. Seit Sonntag hat er einen neuen Anlass, Interviews zu geben, denn in die Bezirksverordnetenversammlung ist nun auch die NPD eingezogen mit 3,9 Prozent in eines von vier Bezirksparlamenten der Hauptstadt. Über die Hintergründe wollen wir jetzt mit dem Neuköllner Bürgermeister sprechen. Guten Morgen, Heinz Buschkowsky!

    Heinz Buschkowsky: Guten Morgen, Frau Klein!

    Klein: Wie konnte es zum Erfolg der NPD in Neukölln kommen?

    Buschkowsky: Weil die, die geglaubt haben, wenn sie nicht wählen gehen, dass sie nichts beeinflussen. Aber die, die nicht wählen gehen, wählen auch, weil: Wir hatten eine Wahlbeteiligung von 52 Prozent, und da sind 4000 Stimmen von 210.000 Wahlberechtigten eben zwei Sitze in der Bezirksverordnetenversammlung. Das hat nichts damit zu tun, dass das rechtsradikale Gedankengut in Neukölln angewachsen ist, ganz im Gegenteil. Seit 2001 haben wir das massiv zurückgedrängt, wie gesagt 4000 Stimmen. In den 90er Jahren verfügten die Republikaner in Neukölln über 16.000 und 17.000 Stimmen.

    Klein:! Das heißt, absolut gesehen gibt es nicht mehr Anhänger für die NPD, nicht mehr Menschen mit rechtsextremer Gesinnung?

    Buschkowsky: Sie machen im Moment bei den absoluten Stimmen etwa ein Viertel ihres Potenzials in den 90er Jahren aus. Aber bei 52 Prozent Wahlbeteiligung und einer abgesenkten Mindestquote auf 3 Prozent sind das eben halt 3,9 Prozent, und damit sind sie mit zwei Mandaten in der Bezirksverordnetenversammlung, so schlimm wie das ist.

    Klein: So viel zu den rechnerischen Fragen, Herr Buschkowsky. Sicherlich ist eine Hauptursache die geringe Wahlbeteiligung, aber fragen Sie sich selbst dann auch manchmal, was Sie hätten tun können, um das zu verhindern?

    Buschkowsky: Ich sagte ja eben schon: Wir sind eigentlich auf unsere Arbeit gegen den Rechtsradikalismus recht stolz, weil: Aus 16.000 Stimmen haben wir 4000 gemacht seit 2001. Aber wir haben natürlich das nicht auf null fahren können, und in einem Bezirk mit sehr, sehr hohem Migrantenanteil ist, wenn die Rattenfänger die Überfremdungsangst spielen, wenn sie auf Jugendkriminalität hinweisen, die üblichen Geschichten, man kann im Dunkeln nicht mehr auf die Straße gehen, dann zieht das bei einem Teil der Bevölkerung, und dann kriegt man auch seine 4000 Stimmen zusammen.

    Klein: Die Frage stellt sich schon noch, inwieweit das auch mit der Situation in Ihrem Bezirk zum Beispiel zu tun hat. Ein Erfolg, sagen uns Experten, für die NPD ist wohl auch, dass sie sich auch und gerade in Jugendclubs, in Freizeitheimen verankert und engagiert und dass man die Jugendlichen in gewisser Weise der Partei auch überlassen hat. Sehen Sie das nicht so?

    Buschkowsky: Ja, doch, natürlich. Junge Menschen denken und fühlen einfach radikaler, nach links wie nach rechts. Da ziehen eben solche Sachen wie CDs verteilen vor der Schule. Da ist es natürlich auch möglich. Wir rechnen, dass etwa von den 4000 Stimmen 1000 aus diesem Bereich der 16- und 17-Jährigen sind, die ja erstmalig gewählt haben bei uns. Da ist sicherlich ein Potenzial, wo wir sagen, da müssen wir in den nächsten Jahren in den Schulen und in den Jugendclubs massiver heran, weil die NPD sich diese Zielgruppe ausgesucht hat. Da werden wir versuchen, ihr natürlich in die Suppe zu spucken.

    Klein: Massiver heran, in die Suppe spucken in den nächsten Jahren, sagen Sie. Mit welcher Strategie?

    Buschkowsky: Indem wir einfach zu diesem Thema mit den jungen Leuten arbeiten und indem wir ihnen einfach sagen, was das heißt NPD und was es heißt, Vorurteile zu schüren gegen andere Menschen, weil das ist ja schlicht und ergreifend die Strategie. Man setzt auf Überfremdungsangst. Man plakatiert hier "gute Heimreise" und zeigt Migranten auf den Fotos, oder man plakatiert "wir oder die", blonde Kinder gegen schwarzhaarige, und das kann ja die Zukunft nicht sein. Gegen derartigen Rassismus muss man vorgehen, und das muss man einfach thematisieren: offen in den Jugendclubs und natürlich im Schulunterricht.

    Klein: Herr Buschkowsky, wir haben in den letzten Tagen, seit Sonntag vor allen Dingen, viele Klagen gehört von Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus wenden und die nun klagen, sie haben zu wenig Geld. Das Geld würde ihnen gestrichen oder gekürzt. Das ist aber nicht Ihr Problem?

    Buschkowsky: Das ist erst mal nicht das entscheidende Problem bei der Arbeit vor Ort. Bei der Arbeit vor Ort ist die Bereitschaft, ein Thema aufzunehmen, erst mal die Grundlage. Im Jugendclub brauchen sie nicht unbedingt Geld, um etwas zu thematisieren. Richtig ist allerdings, dass die Programme gegen Rechtsradikalismus auch in Berlin finanziell ausgedünnt worden sind. Da müssen wir dann halt wieder ein bisschen gegensteuern. Aber ich glaube nicht, dass das die Ursache im Kern ist.

    Klein: Kommen wir noch mal zu dem politischen Ergebnis vom Sonntag. Sie haben die NPD jetzt in der Bezirksverordnetenversammlung. Wie wird sich die Arbeit dort Ihrer Meinung nach verändern?

    Buschkowsky: Das wird sicherlich in der Anfangsphase unter der Überschrift "Neue Besen kehren gut" etwas Spektakuläres geben. Man wird da auf den Tribünen sich produzieren. Das wird im Alltag dann nach einigen Monaten abflachen. Wir hatten ja schon mal die Republikaner sogar hauptamtlich im Bezirk in der Politik vertreten. Argumentativ kommt da nicht viel. Wir werden uns mit ihnen auseinandersetzen. Da können sie selten was dagegensetzen. Normalerweise ist das alles sehr dünn und sehr hohl. Das ist Stammtischgerede, was da kommt. Da habe ich nicht so eine große Sorge. Sie haben keinen Fraktionsstatus bei uns. Das heißt, viele Rechte einer Fraktion sind überhaupt nicht da. Also sie können keine Anträge einbringen, keine großen Anfragen. Ich glaube, dass es da mehr um Showeffekte geht, und da sind wir natürlich auch gehalten von den anderen Parteien, nicht über jeden Stock zu springen, den sie uns hinhalten, weil sie wollen ja den öffentlichen Auftritt. Sie wollen das Spektakel. Da muss man manchmal auch schauen, ob es sinnvoll ist, einfach mal nicht zu reagieren, statt wieder das Podium zu bieten.

    Klein: Heinz Buschkowsky war das, der Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Buschkowsky.

    Buschkowsky: Kein Problem. Guten Morgen!