"Das ist der so genannte Haarstrang, Ardeygebirge hinten bei Dortmund, und der höchste Punkt ist die Spitze Warte, befindet sich da oben bei 389 Meter. Dieses Tal hat fast voll gestanden hier, auf 2 Meter Höhe, man kann sich das gar nicht vorstellen."
Am 4. September 1987 konnte Heinfried Richter mit eigenen Augen sehen, welche Kraft Regen hat. Für den Landwirt aus Rüthen bei Soest war das ein Schlüsselerlebnis. Er musste 100 LKW Ladungen Erde ankarren lassen, um seine Felder unter dem Kamm des südwestfälischen Höhenzugs wieder bestellen zu können. Danach entschied er, dass sich etwas ändern müsse, wenn seine Enkel auch noch fruchtbaren Boden finden sollten.
"Das war ja damals alles blank gespült, hier sind jetzt vielleicht mit Müh und Not 20 Zentimeter Boden auf Felsen drauf, stark mit Steinen durchsetzt."
Christian Deisenroth und Heinfried Richter sind zusammen zum Haarstrang südöstlich von Dortmund unterwegs. Bei dem Starkregenereignis 1987 fiel innerhalb von 20 Minuten so viel Wasser vom Himmel, wie sonst durchschnittlich in einem Monat. Statistisch geschieht das alle 100 Jahre einmal. Danach sagten sie der Erosion den Kampf an. Denn auch ganz normale Regenfälle schwemmen mit der Zeit den Boden weg.
Hier, kurz unter dem Kamm des Höhenzugs, baut Heinfried Richter dieses Jahr Gerste an. Die Halme sind jetzt, Ende Mai, schon etwa 60 Zentimeter hoch. Früher hat der Landwirt wie üblich das Feld vor der Saat gepflügt.
"Der Pflug, der geht erstmal 20 bis 25 Zentimeter in den Boden, hebt den Boden hoch, legt das Saubere oben ab und diese Stoppel und Strohreste werden unten im Boden vergraben."
Indem der Pflug die Erde komplett wendet, schafft er das, was Landwirte den "sauberen Tisch" nennen. Unkräuter und Stroh werden so tief vergraben, dass sie kaum ausschlagen können. Die Erde liegt blank oben auf. Sie ist Wind und Regen ungeschützt ausgesetzt. Nach den starken Regenfällen 1987 hat Heinfried Richter deshalb begonnen, auf das Pflügen zu verzichten. Stattdessen sät er jetzt in den so genannten Mulch. Nach der Ernte der Ähren häckselt er das Stroh in etwa 5 Zentimeter lange Stücke. Sie bleiben auf dem Feld liegen. Mit dem Grubber, einem Gerät, das an den Traktor gehängt wird und kleine Haken hat, lockert er die oberen 5 bis 10 Zentimeter des Bodens auf. Dabei vermischt er die Erde mit den Strohresten. Dort hinein hat er letzten Herbst die Gerste gesät. Der Landwirt bückt sich und schiebt die Halme zur Seite.
"Diese Gerste steht auf einem pfluglos bearbeiteten Acker. Sie sehen hier das noch verrottende Stroh. Sehen Sie, das sind noch Strohreste aus dem letzten Jahr."
Der Laie sieht es nur, wenn er genau auf den Boden zwischen den Gerstenhalmen nachsieht. Dort liegen, kreuz und quer, vermischt mit der Erde kleine Halme. Berater Christian Deisenroth erinnert sich an die Anfänge in den 80er Jahren.
"Diese pfluglose Bodenbearbeitung war zu der Zeit ein Thema, über das viel in wissenschaftlichen oder auch in Beraterkreisen diskutiert wurde, aber Null Umsetzung in die landwirtschaftliche Praxis. Und da hat dieses Starkregenereignis, das hat mich die ersten Wochen meiner Tätigkeit überrascht, das war so eine Art Initialzündung, doch in dem Bereich einmal was zu machen. Und da habe ich mit Herr Richter einen Partner gefunden, der bereit war, sich auf Risiken einzulassen."
Fortschritt in der Landwirtschaft passiert langsam. Denn ob sich eine neue Methode bewährt, zeigt sich erst, wenn eine Fruchtfolge mehrmals durchlaufen wurde. Das kann bis zu 15 Jahren dauern. Die pfluglose Landwirtschaft ist nur eine von vielen Methoden, die sich in den letzten Jahrzehnten etabliert haben, weil sie die Ressourcen schonen.
Seit sich die Subventionspolitik in Brüssel geändert hat, haben die Landwirte ein größeres Interesse, nachhaltiger zu produzieren. Nachdem es bis Anfang der 90er Jahre zu einer manifesten Überproduktion gekommen ist, wurden die Zuschüsse nicht mehr an die Menge der erzeugten Nahrungsmittel, sondern an die Größe der bewirtschafteten Fläche gebunden - mit immer weiter zunehmenden Umweltauflagen. Norbert Lütke Entrup, Professor für Agrarwirtschaft an der Fachhochschule in Soest:
"Und diese Zahlungsansprüche werden gegenüber der Gesellschaft vertreten, da die Landwirtschaft ja ein wesentlicher Faktor ist für die Erhaltung der Kulturlandschaft. Insofern kann man auch sagen, es besteht eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung bei einer unzureichenden Einkommenssituation in der Landwirtschaft staatliche Hilfen zu gewährleisten, die aber an bestimmte Auflagen gebunden sind, und diese Auflagen werden heute mit dem Begriff Cross Compliance umschrieben."
Der Landwirt darf zum Beispiel in Brutzeiten von Wildtieren Grünland nicht mähen, er muss Landschaftselemente wie Hecken erhalten und wer düngt, muss zum nächsten Fluss einen Abstand von 3 Metern einhalten. Um Gewässer zu schützen. Trotzdem werden heute fast noch genauso viel Nährstoffe, also Stickstoff und Phosphor, aus landwirtschaftlich genutzten Böden in die Gewässer gespült wie vor 20 Jahren, wenn auch bei deutlich höheren Erträgen. Im Sommer erreicht uns dann regelmäßig die Meldung, dass in der Ostsee die Algen blühen. Einer der Gründe ist schlechtes Management in der Landwirtschaft. Gleichzeitig spielt die Landwirtschaft eine große Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf, der für den Klimawandel von entscheidender Bedeutung ist. Schließlich geht die Bodenfruchtbarkeit in vielen Ländern verloren, weil nicht nachhaltig gewirtschaftet wird. Die Zeche zahlen zukünftige Generationen.
Die Kühe kommen heute nur zaghaft aus dem Stall an den Melkstand des Instituts für ökologischen Landbau der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft. Das Gut, die Häuser sind aus dem für die Region typischen Backstein gebaut, liegt nördlich von Hamburg. Hans Marten Paulsen ist dort der Experte für Nährstoff- und Energiekreisläufe.
"An sich kommen die freiwillig, man kann sie aber auch etwas hofieren, um sie etwas zu beschleunigen."
Die Tiere sind für die Bodenfruchtbarkeit in dem Ökobetrieb wichtig. Denn da Ökobauern keinen industriell hergestellten Dünger verwenden dürfen, sind sie viel mehr als konventionell wirtschaftende Landwirte darauf angewiesen, Ressourcen zu schonen und Nährstoffkreisläufe zu schließen. Sie müssen einen Zyklus schaffen, an dessen Ende möglichst alle Nährstoffe, die die Pflanzen zum Wachstum verbraucht haben, wieder auf die Felder gebracht werden. Je geringer dabei die Nährstoffverluste sind, umso besser sind die Pflanzen versorgt und umso weniger werden die Gewässer belastet. Allerdings müssen Stickstoff und Phosphor in eine bestimmte chemische Form gebracht werden, damit Pflanzen ihn aufnehmen können.
"Das sind die Tiere, die Pflanzen fressen und einen Wirtschaftsdünger erzeugen, den wir nachher im Pflanzenbau wieder nutzen können zur Nährstoffversorgung."
Gülle heißt der Dünger, der aus dem Viehstall kommt. Trotzdem verzichten inzwischen etliche Ökobetriebe darauf, Tiere zu halten, weil es zu aufwändig ist. Die Bodenfruchtbarkeit nimmt dann im Laufe der Jahre ab. Es sei denn, sie nutzen zum Beispiel eine Biogasanlage. In ihren Fermenterkesseln werden Pflanzenabfälle ähnlich zersetzt wie im Magen von Kühen. Es entsteht nicht nur Gas, das zur Energieerzeugung genutzt wird. Die Zersetzungsprodukte eignen sich als Stickstoff- und Phosphordünger.
"Also die Biogasanlage ist eine große Kuh. Bakteriell werden die kohlenstoffhaltigen Verbindungen abgebaut, da entsteht dann Methangas draus, was dann das so genannte Biogas ist, und das andere bleibt übrig, sozusagen als Gärsaft. Das Proteinmolekül wird aufgespalten in kleine Einheiten bei so einer Fermentation und letztendlich entstehen Ammoniumionen, die dann wieder pflanzenverfügbar sind. Was spannende Forschungsansätze sind, ist, welche pflanzlichen Produkte nutze ich dafür. Man hat ja eine Menge Abfälle in so einem Betrieb, und man könnte sagen, ok, ich will das machen, ohne das extra anzubauen. Der Biobetrieb hat sowieso das Kleegras, das kann er dazu nutzen, dann hat er Stroh."
Da Ökobetriebe keinen Kunstdünger einsetzen dürfen, müssen sie außerdem ausnutzen, dass manche Pflanzen Stickstoff aus der Luft binden und im Boden anreichern, zum Beispiel Bohnen, Erbsen, Kleegras und Lupinen. Deshalb werden diese Feldfrüchte im Biolandbau in die Fruchtfolgen mit eingebaut. Auf Stickstoff verbrauchenden Weizen in einem Jahr folgt beispielsweise eine Stickstoff sammelnde Lupine im nächsten Jahr. Auf seinen Versuchsfeldern gegenüber vom Kuhstall untersucht Hans Marten Paulsen, ob beide Pflanzen noch besser profitieren können, wenn sie im gleichen Jahr auf dem gleichen Feld zusammen angebaut werden. Eine Reihe Lupine, eine Reihe Getreide, wieder eine Reihe Lupine und so weiter. Das nennt sich Mischfruchtanbau.
"Man macht jetzt solche Gemenge, um das Risiko des Anbaus zu vermindern. Also ist die eine Kultur schlecht in dem Jahr, kann die andere vielleicht besser sein und den Ertrag ausgleichen."
Das funktioniert ähnlich wie auf einer Wiese. Auch dort setzen sich je nach Temperatur, Nährstoffversorgung und Krankheiten mal die einen, mal die anderen Pflanzen durch. Besonders interessiert Landwirte die Frage, ob sie am Schluss wirklich mehr Ertrag haben, wenn sie zwei Kulturen gleichzeitig anbauen. Hans Marten Paulsen konnte auf seinen Versuchsfeldern schon zeigen, dass Leindotter zusammen mit Erbsen sehr gut funktioniert. In guten Jahren sind die Erträge der Erbsen fast so gut wie in einer Monokultur, den Leindotter Ertrag gibt es quasi als Zugabe, die nichts kostet. Hans Marten Paulsen macht daraus Biodiesel für die Traktoren und spart wertvolles Rohöl.
Nicht nur Rohöl muss langfristig gespart und ersetzt werden. Auch Phosphor, ohne den Pflanzen nicht wachsen können, geht zur Neige. Im Gegensatz zum Stickstoff, den es in der Luft in Hülle und Fülle gibt, muss Phosphor aus Lagerstätten abgebaut werden. Zurzeit wird er verschwendet, als sei er nichts wert.
Auch Phosphor wird in der Natur in einem Kreislauf ausgetauscht. Pflanzen nehmen ihn aus dem Boden auf. Mensch und Tier essen die Pflanzen und scheiden den größten Teil des Phosphors dann wieder aus, sagt Christian Adam von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin.
"Der Phosphor ist natürlicher Bestandteil des Klärschlamms dadurch, dass er in den Ausscheidungen der Menschen enthalten ist, die dann ins Abwasser gehen. Und in der Abwasserreinigung, da wird der Phosphor zu einem großen Anteil in den Klärschlamm überführt."
Klärschlamm wird deshalb bis heute auf die Felder gefahren, um sie zu düngen. Doch diese Praxis ist in Verruf geraten. Denn Klärschlamm enthält giftige Schwermetalle und Medikamentenrückstände. Deshalb wird inzwischen ein großer Teil verbrannt. Die phosphorhaltigen Aschen werden als Sondermüll unter Tage deponiert. Der Nachschub für diesen Phosphor, der nicht zurück in den Kreislauf fließt, wird aus natürlichen Vorkommen gewonnen.
"Man spricht von den ökonomisch verfügbaren Ressourcen von einer Zeit von 80 bis 130 Jahren in etwa, in denen diese noch verfügbar sind, die Reserven sind höher, bis zu 250 Jahren wird da gerechnet."
Deshalb will Christian Adam den Phosphor aus den Klärschlamm-Aschen herausfiltern, bevor sie in die Sondermülldeponie gebracht werden, und zu Düngemittel verarbeiten. In einer kleinen Testanlage funktioniert das schon.
"Was wir sagen können, dass wir mit unserem Verfahren etwa 90 Prozent und mehr des gesamten Phosphordurchlaufs durch eine Kläranlage erfassen können. Wir können die Schadstoffe sehr weitreichend abreichern. Die organischen Schadstoffe, die werden vollständig zerstört und die Schwermetalle können wir teilweise bis auf die Bestimmungsgrenze abreichern."
Als Düngemittel zugelassen ist das Produkt allerdings noch nicht. In dem 3 jährigen EU Projekt Susan [Aussprache englisch] zur Weiterentwicklung der Methode wird auch untersucht, ob sie wirklich nachhaltig ist, oder ob sie zum Beispiel nicht zu viel kostet und Energie verbraucht. Das Potential ist jedenfalls riesig, denn in Klärschlämmen landen in Deutschland zur Zeit 56000 Tonnen Phosphor im Jahr, das sind 20 Prozent des gesamten verbrauchten Phosphordüngers. Mit der Rückgewinnung könnte dieser Teil in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Nicht nur die technologischen Möglichkeiten bestimmen, wie nachhaltig Landwirtschaft ist. Auch das Management der Betriebe spielt eine große Rolle. Pflanzen Landwirte nach der Haupternte bis zur Aussaat der Kultur für das nächste Jahr eine Zwischenfrucht, bindet sie den Stickstoff im Boden und schützt ihn vor Erosion. Wie viel Stickstoff vom Regen ausgewaschen wird, hängt auch davon ab, wann ein Landwirt Kleegras vor dem Winter abmäht oder wann er die Gülle ausbringt.
Bei Heinfried Richter in Soest hat sich, was die Gülle angeht, in den letzten Jahrzehnten viel getan hat. Er hält etwa 3000 Schweine, die pro Jahr ungefähr 5000 Kubikmeter Gülle produzieren.
"Wir haben 1965 unser erstes Güllefass bekommen. Und für uns war dieses Güllefahren, das war nur eine Gülleverwertung. Da wurde nur geschaut, wie ist das Wetter, können wir auf den Acker fahren, ob die Pflanze das braucht oder nicht, das war damals noch gar nicht so in den Köpfen der Landwirte verankert. Damals war es noch ein Plätschern gegen den Wind. Sie wurde 4 Meter hoch geblasen und der Wind tat dann das seine dazu."
Er hat die Gülle auch dahin verteilt, wo sie nicht gebraucht wurde. Inzwischen wird sie über Schläuche, die bis auf den Boden hängen, gezielt an die Pflanzen gegossen. Das geschieht dann, wenn sie die Nährstoffe am meisten brauchen, drei Mal im Jahr. Einmal im Frühjahr, wenn die Pflanze anfängt zu wachsen, einmal, wenn sie nach oben schießt, das letzte Mal, wenn sich das Korn bildet. So sorgt der Landwirt dafür, dass der Stickstoff möglichst sofort von der Pflanze verbraucht wird, der Kreislauf Boden-Pflanze-Tier-Boden geschlossen ist und wenig Stickstoff und Phosphor in die Gewässer gelangt.
Es ist allerdings der Kohlenstoffkreislauf, der Umweltforschern und Politikern in Zeiten des Klimawandels am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Pflanzen binden das Element aus dem Kohlendioxid der Luft, also dem Treibhausgas CO2, in ihrer Biomasse. Wenn sie verrotten, steigt ein Teil CO2 wieder in die Atmosphäre auf, ein anderer Teil bleibt in Humus gebunden im Boden. Der Anteil ändert sich immer wieder. Wenn zum Beispiel Steppe oder Wald in Ackerfläche umgewandelt werden, verliert der Boden in wenigen Jahren etwa die Hälfte des Kohlenstoffs an die Atmosphäre.
"Landwirtschaft war über Jahrhunderte, Jahrtausende hinweg die bedeutendste Quelle für CO2 Produktion, die CO2 Konzentration in der Atmosphäre. Es ist ja erst seit 30 bis 40 Jahren, dass quasi mehr CO2 in die Atmosphäre durch Verbrennung fossiler Brennstoffe emittiert wird als durch die Landwirtschaft."
Deshalb wird diskutiert und geforscht, ob durch andere Anbaumethoden der Atmosphäre nicht sogar Kohlenstoff entzogen und im Boden gespeichert werden kann. Georg Guggenberger muss es wissen. Er ist Professor für Bodenbiologie und Bodenökologie an der Universität Halle und forschte in einem Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft "Böden als Quelle und Senke für CO2". Eine intensive Landwirtschaft, wie sie seit einigen Jahrzehnten in den Industrieländern betrieben wird, vermindert den CO2 Gehalt in der Luft.
"Das hängt damit zusammen, dass bei intensiver landwirtschaftlicher Produktion auch viel Biomasse gebildet wird. Und wenn entsprechend viel Biomasse in den Boden reinkommt, können Sie den Humusspiegel, das heißt den Gehalt an organischer Substanz im Boden, anheben."
Manche Wissenschaftler hoffen, den Effekt zu verstärken, indem sie auf pfluglose Landwirtschaft setzen. Denn man sieht, dass sich auf ausschließlich mit dem Grubber bearbeitete Feldern, auf denen das Stroh nicht untergegraben sondern nur mit der Erde vermischt wird, mehr Humus in den oberen Bodenschichten sammelt. Das organische Material bleibt oben liegen und zersetzt sich dort. In den USA werden Landwirte honoriert, die dadurch vermeintlich Kohlenstoff im Boden binden, erklärt Georg Guggenberger.
"Sie haben das Kioto Protokoll nicht unterschrieben, betreiben aber dennoch recht fleißig diesen Kohlenstoffhandel. Ein Instrument, mit dem sie das machen, auch ihre Bauern entsprechend bezahlen, ist eben pfluglose Bodenbearbeitung. Sie können dort mit Satteliten gestützten Daten über Fernerkundung messen, dass der Kohlenstoffgehalt des Bodens, dort wirklich höher liegt, wo pfluglos bearbeitet wird. Allerdings sieht der Satellit ja nur die Bodenoberfläche."
Versuche in Deutschland haben gezeigt, dass bei pflugloser Bewirtschaftung in den oberen Bodenschichten tatsächlich mehr Kohlenstoff gebunden wird. In die unteren Bodenschichten, in die der Pflug normalerweise die organische Substanz vergräbt, kommt aber weniger organisches Material. Am Ende ist es ein Nullsummenspiel. Der Humus, der oben angereichert wird, fehlt in tieferen Schichten. Mit pflugloser Bodenbearbeitung wird also zumindest unter den Bedingungen in Deutschland nicht mehr Kohlenstoff im Boden gespeichert.
"Allerdings mag ich jetzt nicht gegen pfluglose Bodenbearbeitung sprechen. Es macht gerade in den Böden der nordamerikanischen Prairie, unter Umständen auch hier und vor allem auch in den russischen Steppenböden Sinn. Nicht unbedingt primär aufgrund der Kohlenstoffspeicherung, aber aufgrund der bodenphysikalischen Eigenschaften. Organische Substanz, die sich an der Bodenoberfläche anreichert, führt zu einer höheren Aggregatstabilität und zu einer reduzierten Anfälligkeit gegenüber Erosion."
Pfluglose Landwirtschaft taugt also nicht unbedingt zum Klimaschutz, sondern ist vor allem gut, um Erosion vorzubeugen und Gewässer zu schonen. Früher ging das nicht. Ackerbauern mussten über Jahrhunderte den Pflug einsetzen, um dem Unkraut Herr zu werden und die Reste der Vorjahresfrucht restlos zu vernichten. Werden sie tief vergraben, stellen sie keine Konkurrenz für die neue Frucht mehr dar. Mit diesem Problem sind die Landwirte auch heute konfrontiert. Heute können sie sich aber mit Pflanzenschutzmitteln behelfen. Nur Ökolandwirte dürfen das nicht. Deshalb ist pflugloser ökologischer Anbau eine besonders große Herausforderung.
Am Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick in der Schweiz, das liegt zwischen Zürich und Basel, untersucht Paul Mäder, ob pflugloser Anbau trotzdem machbar ist. Wir gehen zu den Versuchsfeldern, ausgerüstet mit Spaten und Eisenstangen für die Bodenuntersuchungen.
"Die Frage ist, ob wir pfluglosen Landbau unter den Verhältnissen des organischen Landbaus durchführen können, ob die Erträge ansprechend sind, ob die Bodenfruchtbarkeit sich unter reduzierter Bearbeitung positiv entwickelt und vor allem, ob wir mit dem Unkraut zurechtkommen. Das ist eben die große Herausforderung im Ökolandbau."
Das Feld ist in 32 Parzellen aufgeteilt, je einen halben Tennisplatz groß. Damit der Versuch statistisch einwandfrei ist, muss jede Kombination von Düngung und Bodenbearbeitung auf mehreren Parzellen ausprobiert werden. Die Feldstücke linker Hand wurden vor der Saat gepflügt. Die rechter Hand nicht. Dieses Jahr wächst hier Kleegras.
"Wir sehen, bei reduzierter Bearbeitung ist der Klee sehr viel schöner aufgelaufen. Wir haben hier einen höheren Kleeanteil im Verhältnis zum Gras als beim gepflügten Boden, wo die Gräser dominieren. Allerdings war es so, bei den Kulturen Sonnenblumen, Dinkel, dass dort die Unkräuter verstärkt gekommen sind."
Deshalb werden zwei Jahre hintereinander Kleegras angepflanzt. Das setzt sich gegen die Unkräuter durch. Darauf folgen Mais, Weizen, Sonnenblume und Dinkel. Ansonsten bekämpfen die schweizer Landwirte das Unkraut wie jeder Hobbygärtner auch. Sie harken es unter. Bei Weizenkulturen ist das normalerweise schwierig, da er zu dicht gesät wird. Paul Mäder legt die Reihen deshalb in größerem Abstand an. So hat er das Unkraut bisher unter Kontrolle halten können.
Dem Schweizer Agrarwissenschaftler macht es sichtlich Spaß, über seinen vom Regen klatschnassen Boden zu laufen. Vor allem über die ungepflügten Parzellen.
"Ich hatte den Eindruck, dass da die Struktur weicher ist. Haben Sie das nicht auch das Gefühl? Und schauen sie jetzt mal hier."
Einige Meter weiter, auf einer Parzelle, die gepflügt wurde, sinkt er wesentlich weniger ein.
"Es fühlt sich anders an, oder? Wir können auch einmal noch graben."
Den Spaten in den gepflügten Boden einzustechen, ist sichtlich anstrengend. Wo der Boden so fest ist, haben auch Pflanzenwurzeln ihre Mühe.
"Es war immer so, wenn wir den Spaten in den Boden gestoßen haben, war es so, bei der reduzierten Bearbeitung war es ohne großen Kraftaufwand möglich, den Spaten ohne großen Kraftaufwand hinein zu stoßen. Das war eigentlich erstaunlich."
Spatendiagnose nennt Paul Mäder den ersten Eindruck, den er von dem ausgehebelten Erdstück bekommt. Ihn interessiert dabei alles, was mit der Bodenfruchtbarkeit zusammen hängt.
"Da beurteilt und beschreibt man dieses kleine Bodenprofil im Detail. Da hat man verschiedene Merkmale. Einerseits die Durchwurzelung des Bodens. Dann das Gefüge des Bodens, ob es klumpig ist, ob es kantig ist, ob es krümelig ist, dann, wie viele Würmer es im Boden gibt, ob es Stroh, nicht abgebaute Ernterückstände im Boden gibt, das sind beispielsweise wichtige Kriterien bei der visuellen Beurteilung des Bodens."
Bei allen Parametern gewinnen, soweit man das nach 4 Jahren Versuchszeit sagen kann, die pfluglosen Parzellen. Der Humusgehalt in den oberen Schichten ist schon jetzt um 10 Prozent angewachsen. Das ist gut für die Bodenfruchtbarkeit. Paul Mäder findet auch mehr Mikroorganismen und Mykorrhiza Pilze. Als Symbionten wachsen sie in die Wurzelzellen hinein, ein Teil liegt außerhalb, ein Teil liegt innerhalb der Pflanze. Dadurch steigt beispielsweise die Fähigkeit der Pflanze, Phosphor aufnehmen.
Zurück nach Soest zu Norbert Lütke Entrup, dem Professor an der Fachhochschule Südwestfalen. Er experimentiert seit Anfang der 80er Jahre mit pflugloser Bodenbearbeitung in der konventionellen Landwirtschaft. Dazu hat er auf seinen Versuchsparzellen eine Fruchtfolge eingeführt, die nicht so empfindlich auf Schädlinge und Unkräuter reagiert. Sein Ziel: Der Boden soll so gut wie gar nicht mehr bearbeitet werden. Er verzichtet sogar darauf, mit dem Grubber die oberen fünf bis zehn Zentimeter großflächig aufzulockern wie bei der Mulchsaat. Stattdessen mäht er die Vorfrucht ab, häckselt das Stroh klein, lässt es auf dem Feld liegen und sät aus. Eine so genannte Direktsaat.
"Es gelingt dann in diesem Ansatz, im Frühjahr, ohne weitere Bodenbearbeitung die Ackerbohne, oder auch den Hafer oder auch die Sommergerste, je nachdem was man macht, in den Boden zu bringen, also die Aussaat vor zu nehmen mit geringster Eingriffsintensität, ich mache eigentlich nur noch einen Schlitz in den Boden, lege das Saatgut rein und drücke es ein wenig an."
Der Agrarwissenschaftler bewertet die Anbaumethoden auf seinen Versuchsfeldern nach ökonomischen Maßstäben. Bei der Fruchtfolge, die er neu eingeführt hat, sind die Erträge der drei Anbauvarianten - mit Pflug, Mulchsaat, Direktsaat - ähnlich. Gleichzeitig spart der Landwirt bei der Direktsaatmethode Treibstoff und Arbeitskraft, da die Bodenbearbeitung leichter und schneller geht. Direktsaat lohnt sich also für den Landwirt. Sie lohnt sich auch für die Umwelt. Sichtbarstes Zeichen sind die Regenwürmer. Norbert Lütke Entrup hat sie gezählt.
"Wir haben die Regenwürmer ausgetrieben durch - ich sage mal - Elektroschock. Da muss man bestimmte Stäbe in einem Ring auf dem Boden platzieren, man schickt einen Schwachstrom da durch und die Tiere werden damit ausgetrieben. Damit hat man eine ganz gute Möglichkeit, um den Regenwurmbesatz in den Böden zu ermitteln. Man findet also deutliche Unterschiede zwischen der Pflugvariante, da sind nur ein paar Regenwürmer pro, ich sag mal, 1000 Quadratzentimeter. Und auf der Direktsaat sind immer die höchsten Regenwurmpopulationen zu finden."
Etwa zehn mal mehr als bei der Bearbeitung mit dem Pflug. Die Mulchsaatvariante liegt irgendwo dazwischen. Die Regenwürmer leisten wertvolle Arbeit, indem sie das Stroh auf dem Feld in den Boden hineinziehen.
"Und wenn man das mal an die Seite schiebt, dann sieht man hier, dass das Stroh so ein bisschen schon rein gezogen ist, da auch, ja, und darunter befindet sich die typische Wurmröhre. Und diese Wurmröhre ist tatsächlich fast fingerdick."
Das ist, wie Norbert Lütke Entrup sagt, eine Wasserleitung nach unten. Dadurch versickert das Wasser besser und wird im Boden gespeichert. Ein pfluglos bearbeitetes Feld trägt so dazu bei, vor Hochwasser zu schützen.
Wegen der positiven Wirkung auf die Umwelt fördert das Land Nordrhein- Westfalen seit dem Jahr 2000 bis Ende dieses Jahres die pfluglose Bodenbearbeitung. Das brachte in den Augen von Christian Deisenroth von der Landwirtschaftkammer den großen Schub.
"Da hieß es ja im Grunde, die gesamt Fruchtfolge pfluglos zu bestellen. Und da war die pfluglose Bestellung von Wintergerste nach dem Weizen, der sehr viel Stroh hinterlässt, das war die absolute Herausforderung."
Dass mit pfluglosem Anbau wirklich die Gewässer geschützt werden, hat ein Mitarbeiter von Norbert Lütke Entrup an den Feldern von Heinfried Richter nachgemessen. Dazu wurden Abflussrinnen gegraben, um das Oberflächenwasser aufzufangen und es wurden Drainagen angezapft, die unter dem Feld liegen. Das Ergebnis: bei mit Mulchsaat bearbeiteten Feldern wird etwa nur ein Sechstel so viel Stickstoff und Phosphor aus dem Boden ausgewaschen wie bei gepflügten Böden. Auch trägt der Regen die obere Bodenschicht nicht mehr so stark ab. Heinfried Richter.
"Wenn Sie im Frühjahr kommen und ich würde Ihnen das zeigen, dann können sie sehen, wie das Wasser geflossen ist, und wie sich die Halme dann querlegen, irgendwie, der eine Halm hält den anderen fest, und dann versickert irgendwie der Boden, der wird gebremst am weiterlaufen. Ganz eindeutig zu sehen."
Er bewirtschaftet inzwischen den ganzen Betrieb mit 200 Hektar pfluglos, nach seinen Aussagen ohne Ertragseinbußen. In den letzten Jahren haben immer mehr Landwirte in der Region auf die pfluglose Bearbeitung umgestellt. Spannend wird es, wenn nächstes Jahr die Förderung ausläuft, sagt der Berater Christian Deisenroth. Er ist zuversichtlich, dass die Landwirte auch dann dabei bleiben werden. Sie motiviert, dass das Arbeiten ohne Pflug etwa 30 bis 50 Prozent Treibstoff und Arbeitszeit einspart.
Die meisten Methoden, die gut für die Umwelt sind, schonen günstigerweise auch den Geldbeutel der Landwirte. Das gilt für die pfluglose Landwirtschaft. Das gilt für nachhaltige Anbaumethoden und für Biogasanlagen, die die Nährstoffe pflanzenverfügbar machen. Landwirtschaft ganz ohne Umwelteingriffe wird es zwar nie geben. Aber die Technologien sind vorhanden, die größten Umweltsünden zu beseitigen. Es hängt vor allem vom Management eines Betriebs ab, wie stark er sie nutzt, und von der Art, wie Subventionen verteilt werden.
Am 4. September 1987 konnte Heinfried Richter mit eigenen Augen sehen, welche Kraft Regen hat. Für den Landwirt aus Rüthen bei Soest war das ein Schlüsselerlebnis. Er musste 100 LKW Ladungen Erde ankarren lassen, um seine Felder unter dem Kamm des südwestfälischen Höhenzugs wieder bestellen zu können. Danach entschied er, dass sich etwas ändern müsse, wenn seine Enkel auch noch fruchtbaren Boden finden sollten.
"Das war ja damals alles blank gespült, hier sind jetzt vielleicht mit Müh und Not 20 Zentimeter Boden auf Felsen drauf, stark mit Steinen durchsetzt."
Christian Deisenroth und Heinfried Richter sind zusammen zum Haarstrang südöstlich von Dortmund unterwegs. Bei dem Starkregenereignis 1987 fiel innerhalb von 20 Minuten so viel Wasser vom Himmel, wie sonst durchschnittlich in einem Monat. Statistisch geschieht das alle 100 Jahre einmal. Danach sagten sie der Erosion den Kampf an. Denn auch ganz normale Regenfälle schwemmen mit der Zeit den Boden weg.
Hier, kurz unter dem Kamm des Höhenzugs, baut Heinfried Richter dieses Jahr Gerste an. Die Halme sind jetzt, Ende Mai, schon etwa 60 Zentimeter hoch. Früher hat der Landwirt wie üblich das Feld vor der Saat gepflügt.
"Der Pflug, der geht erstmal 20 bis 25 Zentimeter in den Boden, hebt den Boden hoch, legt das Saubere oben ab und diese Stoppel und Strohreste werden unten im Boden vergraben."
Indem der Pflug die Erde komplett wendet, schafft er das, was Landwirte den "sauberen Tisch" nennen. Unkräuter und Stroh werden so tief vergraben, dass sie kaum ausschlagen können. Die Erde liegt blank oben auf. Sie ist Wind und Regen ungeschützt ausgesetzt. Nach den starken Regenfällen 1987 hat Heinfried Richter deshalb begonnen, auf das Pflügen zu verzichten. Stattdessen sät er jetzt in den so genannten Mulch. Nach der Ernte der Ähren häckselt er das Stroh in etwa 5 Zentimeter lange Stücke. Sie bleiben auf dem Feld liegen. Mit dem Grubber, einem Gerät, das an den Traktor gehängt wird und kleine Haken hat, lockert er die oberen 5 bis 10 Zentimeter des Bodens auf. Dabei vermischt er die Erde mit den Strohresten. Dort hinein hat er letzten Herbst die Gerste gesät. Der Landwirt bückt sich und schiebt die Halme zur Seite.
"Diese Gerste steht auf einem pfluglos bearbeiteten Acker. Sie sehen hier das noch verrottende Stroh. Sehen Sie, das sind noch Strohreste aus dem letzten Jahr."
Der Laie sieht es nur, wenn er genau auf den Boden zwischen den Gerstenhalmen nachsieht. Dort liegen, kreuz und quer, vermischt mit der Erde kleine Halme. Berater Christian Deisenroth erinnert sich an die Anfänge in den 80er Jahren.
"Diese pfluglose Bodenbearbeitung war zu der Zeit ein Thema, über das viel in wissenschaftlichen oder auch in Beraterkreisen diskutiert wurde, aber Null Umsetzung in die landwirtschaftliche Praxis. Und da hat dieses Starkregenereignis, das hat mich die ersten Wochen meiner Tätigkeit überrascht, das war so eine Art Initialzündung, doch in dem Bereich einmal was zu machen. Und da habe ich mit Herr Richter einen Partner gefunden, der bereit war, sich auf Risiken einzulassen."
Fortschritt in der Landwirtschaft passiert langsam. Denn ob sich eine neue Methode bewährt, zeigt sich erst, wenn eine Fruchtfolge mehrmals durchlaufen wurde. Das kann bis zu 15 Jahren dauern. Die pfluglose Landwirtschaft ist nur eine von vielen Methoden, die sich in den letzten Jahrzehnten etabliert haben, weil sie die Ressourcen schonen.
Seit sich die Subventionspolitik in Brüssel geändert hat, haben die Landwirte ein größeres Interesse, nachhaltiger zu produzieren. Nachdem es bis Anfang der 90er Jahre zu einer manifesten Überproduktion gekommen ist, wurden die Zuschüsse nicht mehr an die Menge der erzeugten Nahrungsmittel, sondern an die Größe der bewirtschafteten Fläche gebunden - mit immer weiter zunehmenden Umweltauflagen. Norbert Lütke Entrup, Professor für Agrarwirtschaft an der Fachhochschule in Soest:
"Und diese Zahlungsansprüche werden gegenüber der Gesellschaft vertreten, da die Landwirtschaft ja ein wesentlicher Faktor ist für die Erhaltung der Kulturlandschaft. Insofern kann man auch sagen, es besteht eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung bei einer unzureichenden Einkommenssituation in der Landwirtschaft staatliche Hilfen zu gewährleisten, die aber an bestimmte Auflagen gebunden sind, und diese Auflagen werden heute mit dem Begriff Cross Compliance umschrieben."
Der Landwirt darf zum Beispiel in Brutzeiten von Wildtieren Grünland nicht mähen, er muss Landschaftselemente wie Hecken erhalten und wer düngt, muss zum nächsten Fluss einen Abstand von 3 Metern einhalten. Um Gewässer zu schützen. Trotzdem werden heute fast noch genauso viel Nährstoffe, also Stickstoff und Phosphor, aus landwirtschaftlich genutzten Böden in die Gewässer gespült wie vor 20 Jahren, wenn auch bei deutlich höheren Erträgen. Im Sommer erreicht uns dann regelmäßig die Meldung, dass in der Ostsee die Algen blühen. Einer der Gründe ist schlechtes Management in der Landwirtschaft. Gleichzeitig spielt die Landwirtschaft eine große Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf, der für den Klimawandel von entscheidender Bedeutung ist. Schließlich geht die Bodenfruchtbarkeit in vielen Ländern verloren, weil nicht nachhaltig gewirtschaftet wird. Die Zeche zahlen zukünftige Generationen.
Die Kühe kommen heute nur zaghaft aus dem Stall an den Melkstand des Instituts für ökologischen Landbau der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft. Das Gut, die Häuser sind aus dem für die Region typischen Backstein gebaut, liegt nördlich von Hamburg. Hans Marten Paulsen ist dort der Experte für Nährstoff- und Energiekreisläufe.
"An sich kommen die freiwillig, man kann sie aber auch etwas hofieren, um sie etwas zu beschleunigen."
Die Tiere sind für die Bodenfruchtbarkeit in dem Ökobetrieb wichtig. Denn da Ökobauern keinen industriell hergestellten Dünger verwenden dürfen, sind sie viel mehr als konventionell wirtschaftende Landwirte darauf angewiesen, Ressourcen zu schonen und Nährstoffkreisläufe zu schließen. Sie müssen einen Zyklus schaffen, an dessen Ende möglichst alle Nährstoffe, die die Pflanzen zum Wachstum verbraucht haben, wieder auf die Felder gebracht werden. Je geringer dabei die Nährstoffverluste sind, umso besser sind die Pflanzen versorgt und umso weniger werden die Gewässer belastet. Allerdings müssen Stickstoff und Phosphor in eine bestimmte chemische Form gebracht werden, damit Pflanzen ihn aufnehmen können.
"Das sind die Tiere, die Pflanzen fressen und einen Wirtschaftsdünger erzeugen, den wir nachher im Pflanzenbau wieder nutzen können zur Nährstoffversorgung."
Gülle heißt der Dünger, der aus dem Viehstall kommt. Trotzdem verzichten inzwischen etliche Ökobetriebe darauf, Tiere zu halten, weil es zu aufwändig ist. Die Bodenfruchtbarkeit nimmt dann im Laufe der Jahre ab. Es sei denn, sie nutzen zum Beispiel eine Biogasanlage. In ihren Fermenterkesseln werden Pflanzenabfälle ähnlich zersetzt wie im Magen von Kühen. Es entsteht nicht nur Gas, das zur Energieerzeugung genutzt wird. Die Zersetzungsprodukte eignen sich als Stickstoff- und Phosphordünger.
"Also die Biogasanlage ist eine große Kuh. Bakteriell werden die kohlenstoffhaltigen Verbindungen abgebaut, da entsteht dann Methangas draus, was dann das so genannte Biogas ist, und das andere bleibt übrig, sozusagen als Gärsaft. Das Proteinmolekül wird aufgespalten in kleine Einheiten bei so einer Fermentation und letztendlich entstehen Ammoniumionen, die dann wieder pflanzenverfügbar sind. Was spannende Forschungsansätze sind, ist, welche pflanzlichen Produkte nutze ich dafür. Man hat ja eine Menge Abfälle in so einem Betrieb, und man könnte sagen, ok, ich will das machen, ohne das extra anzubauen. Der Biobetrieb hat sowieso das Kleegras, das kann er dazu nutzen, dann hat er Stroh."
Da Ökobetriebe keinen Kunstdünger einsetzen dürfen, müssen sie außerdem ausnutzen, dass manche Pflanzen Stickstoff aus der Luft binden und im Boden anreichern, zum Beispiel Bohnen, Erbsen, Kleegras und Lupinen. Deshalb werden diese Feldfrüchte im Biolandbau in die Fruchtfolgen mit eingebaut. Auf Stickstoff verbrauchenden Weizen in einem Jahr folgt beispielsweise eine Stickstoff sammelnde Lupine im nächsten Jahr. Auf seinen Versuchsfeldern gegenüber vom Kuhstall untersucht Hans Marten Paulsen, ob beide Pflanzen noch besser profitieren können, wenn sie im gleichen Jahr auf dem gleichen Feld zusammen angebaut werden. Eine Reihe Lupine, eine Reihe Getreide, wieder eine Reihe Lupine und so weiter. Das nennt sich Mischfruchtanbau.
"Man macht jetzt solche Gemenge, um das Risiko des Anbaus zu vermindern. Also ist die eine Kultur schlecht in dem Jahr, kann die andere vielleicht besser sein und den Ertrag ausgleichen."
Das funktioniert ähnlich wie auf einer Wiese. Auch dort setzen sich je nach Temperatur, Nährstoffversorgung und Krankheiten mal die einen, mal die anderen Pflanzen durch. Besonders interessiert Landwirte die Frage, ob sie am Schluss wirklich mehr Ertrag haben, wenn sie zwei Kulturen gleichzeitig anbauen. Hans Marten Paulsen konnte auf seinen Versuchsfeldern schon zeigen, dass Leindotter zusammen mit Erbsen sehr gut funktioniert. In guten Jahren sind die Erträge der Erbsen fast so gut wie in einer Monokultur, den Leindotter Ertrag gibt es quasi als Zugabe, die nichts kostet. Hans Marten Paulsen macht daraus Biodiesel für die Traktoren und spart wertvolles Rohöl.
Nicht nur Rohöl muss langfristig gespart und ersetzt werden. Auch Phosphor, ohne den Pflanzen nicht wachsen können, geht zur Neige. Im Gegensatz zum Stickstoff, den es in der Luft in Hülle und Fülle gibt, muss Phosphor aus Lagerstätten abgebaut werden. Zurzeit wird er verschwendet, als sei er nichts wert.
Auch Phosphor wird in der Natur in einem Kreislauf ausgetauscht. Pflanzen nehmen ihn aus dem Boden auf. Mensch und Tier essen die Pflanzen und scheiden den größten Teil des Phosphors dann wieder aus, sagt Christian Adam von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin.
"Der Phosphor ist natürlicher Bestandteil des Klärschlamms dadurch, dass er in den Ausscheidungen der Menschen enthalten ist, die dann ins Abwasser gehen. Und in der Abwasserreinigung, da wird der Phosphor zu einem großen Anteil in den Klärschlamm überführt."
Klärschlamm wird deshalb bis heute auf die Felder gefahren, um sie zu düngen. Doch diese Praxis ist in Verruf geraten. Denn Klärschlamm enthält giftige Schwermetalle und Medikamentenrückstände. Deshalb wird inzwischen ein großer Teil verbrannt. Die phosphorhaltigen Aschen werden als Sondermüll unter Tage deponiert. Der Nachschub für diesen Phosphor, der nicht zurück in den Kreislauf fließt, wird aus natürlichen Vorkommen gewonnen.
"Man spricht von den ökonomisch verfügbaren Ressourcen von einer Zeit von 80 bis 130 Jahren in etwa, in denen diese noch verfügbar sind, die Reserven sind höher, bis zu 250 Jahren wird da gerechnet."
Deshalb will Christian Adam den Phosphor aus den Klärschlamm-Aschen herausfiltern, bevor sie in die Sondermülldeponie gebracht werden, und zu Düngemittel verarbeiten. In einer kleinen Testanlage funktioniert das schon.
"Was wir sagen können, dass wir mit unserem Verfahren etwa 90 Prozent und mehr des gesamten Phosphordurchlaufs durch eine Kläranlage erfassen können. Wir können die Schadstoffe sehr weitreichend abreichern. Die organischen Schadstoffe, die werden vollständig zerstört und die Schwermetalle können wir teilweise bis auf die Bestimmungsgrenze abreichern."
Als Düngemittel zugelassen ist das Produkt allerdings noch nicht. In dem 3 jährigen EU Projekt Susan [Aussprache englisch] zur Weiterentwicklung der Methode wird auch untersucht, ob sie wirklich nachhaltig ist, oder ob sie zum Beispiel nicht zu viel kostet und Energie verbraucht. Das Potential ist jedenfalls riesig, denn in Klärschlämmen landen in Deutschland zur Zeit 56000 Tonnen Phosphor im Jahr, das sind 20 Prozent des gesamten verbrauchten Phosphordüngers. Mit der Rückgewinnung könnte dieser Teil in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Nicht nur die technologischen Möglichkeiten bestimmen, wie nachhaltig Landwirtschaft ist. Auch das Management der Betriebe spielt eine große Rolle. Pflanzen Landwirte nach der Haupternte bis zur Aussaat der Kultur für das nächste Jahr eine Zwischenfrucht, bindet sie den Stickstoff im Boden und schützt ihn vor Erosion. Wie viel Stickstoff vom Regen ausgewaschen wird, hängt auch davon ab, wann ein Landwirt Kleegras vor dem Winter abmäht oder wann er die Gülle ausbringt.
Bei Heinfried Richter in Soest hat sich, was die Gülle angeht, in den letzten Jahrzehnten viel getan hat. Er hält etwa 3000 Schweine, die pro Jahr ungefähr 5000 Kubikmeter Gülle produzieren.
"Wir haben 1965 unser erstes Güllefass bekommen. Und für uns war dieses Güllefahren, das war nur eine Gülleverwertung. Da wurde nur geschaut, wie ist das Wetter, können wir auf den Acker fahren, ob die Pflanze das braucht oder nicht, das war damals noch gar nicht so in den Köpfen der Landwirte verankert. Damals war es noch ein Plätschern gegen den Wind. Sie wurde 4 Meter hoch geblasen und der Wind tat dann das seine dazu."
Er hat die Gülle auch dahin verteilt, wo sie nicht gebraucht wurde. Inzwischen wird sie über Schläuche, die bis auf den Boden hängen, gezielt an die Pflanzen gegossen. Das geschieht dann, wenn sie die Nährstoffe am meisten brauchen, drei Mal im Jahr. Einmal im Frühjahr, wenn die Pflanze anfängt zu wachsen, einmal, wenn sie nach oben schießt, das letzte Mal, wenn sich das Korn bildet. So sorgt der Landwirt dafür, dass der Stickstoff möglichst sofort von der Pflanze verbraucht wird, der Kreislauf Boden-Pflanze-Tier-Boden geschlossen ist und wenig Stickstoff und Phosphor in die Gewässer gelangt.
Es ist allerdings der Kohlenstoffkreislauf, der Umweltforschern und Politikern in Zeiten des Klimawandels am meisten Kopfzerbrechen bereitet. Pflanzen binden das Element aus dem Kohlendioxid der Luft, also dem Treibhausgas CO2, in ihrer Biomasse. Wenn sie verrotten, steigt ein Teil CO2 wieder in die Atmosphäre auf, ein anderer Teil bleibt in Humus gebunden im Boden. Der Anteil ändert sich immer wieder. Wenn zum Beispiel Steppe oder Wald in Ackerfläche umgewandelt werden, verliert der Boden in wenigen Jahren etwa die Hälfte des Kohlenstoffs an die Atmosphäre.
"Landwirtschaft war über Jahrhunderte, Jahrtausende hinweg die bedeutendste Quelle für CO2 Produktion, die CO2 Konzentration in der Atmosphäre. Es ist ja erst seit 30 bis 40 Jahren, dass quasi mehr CO2 in die Atmosphäre durch Verbrennung fossiler Brennstoffe emittiert wird als durch die Landwirtschaft."
Deshalb wird diskutiert und geforscht, ob durch andere Anbaumethoden der Atmosphäre nicht sogar Kohlenstoff entzogen und im Boden gespeichert werden kann. Georg Guggenberger muss es wissen. Er ist Professor für Bodenbiologie und Bodenökologie an der Universität Halle und forschte in einem Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft "Böden als Quelle und Senke für CO2". Eine intensive Landwirtschaft, wie sie seit einigen Jahrzehnten in den Industrieländern betrieben wird, vermindert den CO2 Gehalt in der Luft.
"Das hängt damit zusammen, dass bei intensiver landwirtschaftlicher Produktion auch viel Biomasse gebildet wird. Und wenn entsprechend viel Biomasse in den Boden reinkommt, können Sie den Humusspiegel, das heißt den Gehalt an organischer Substanz im Boden, anheben."
Manche Wissenschaftler hoffen, den Effekt zu verstärken, indem sie auf pfluglose Landwirtschaft setzen. Denn man sieht, dass sich auf ausschließlich mit dem Grubber bearbeitete Feldern, auf denen das Stroh nicht untergegraben sondern nur mit der Erde vermischt wird, mehr Humus in den oberen Bodenschichten sammelt. Das organische Material bleibt oben liegen und zersetzt sich dort. In den USA werden Landwirte honoriert, die dadurch vermeintlich Kohlenstoff im Boden binden, erklärt Georg Guggenberger.
"Sie haben das Kioto Protokoll nicht unterschrieben, betreiben aber dennoch recht fleißig diesen Kohlenstoffhandel. Ein Instrument, mit dem sie das machen, auch ihre Bauern entsprechend bezahlen, ist eben pfluglose Bodenbearbeitung. Sie können dort mit Satteliten gestützten Daten über Fernerkundung messen, dass der Kohlenstoffgehalt des Bodens, dort wirklich höher liegt, wo pfluglos bearbeitet wird. Allerdings sieht der Satellit ja nur die Bodenoberfläche."
Versuche in Deutschland haben gezeigt, dass bei pflugloser Bewirtschaftung in den oberen Bodenschichten tatsächlich mehr Kohlenstoff gebunden wird. In die unteren Bodenschichten, in die der Pflug normalerweise die organische Substanz vergräbt, kommt aber weniger organisches Material. Am Ende ist es ein Nullsummenspiel. Der Humus, der oben angereichert wird, fehlt in tieferen Schichten. Mit pflugloser Bodenbearbeitung wird also zumindest unter den Bedingungen in Deutschland nicht mehr Kohlenstoff im Boden gespeichert.
"Allerdings mag ich jetzt nicht gegen pfluglose Bodenbearbeitung sprechen. Es macht gerade in den Böden der nordamerikanischen Prairie, unter Umständen auch hier und vor allem auch in den russischen Steppenböden Sinn. Nicht unbedingt primär aufgrund der Kohlenstoffspeicherung, aber aufgrund der bodenphysikalischen Eigenschaften. Organische Substanz, die sich an der Bodenoberfläche anreichert, führt zu einer höheren Aggregatstabilität und zu einer reduzierten Anfälligkeit gegenüber Erosion."
Pfluglose Landwirtschaft taugt also nicht unbedingt zum Klimaschutz, sondern ist vor allem gut, um Erosion vorzubeugen und Gewässer zu schonen. Früher ging das nicht. Ackerbauern mussten über Jahrhunderte den Pflug einsetzen, um dem Unkraut Herr zu werden und die Reste der Vorjahresfrucht restlos zu vernichten. Werden sie tief vergraben, stellen sie keine Konkurrenz für die neue Frucht mehr dar. Mit diesem Problem sind die Landwirte auch heute konfrontiert. Heute können sie sich aber mit Pflanzenschutzmitteln behelfen. Nur Ökolandwirte dürfen das nicht. Deshalb ist pflugloser ökologischer Anbau eine besonders große Herausforderung.
Am Forschungsinstitut für biologischen Landbau in Frick in der Schweiz, das liegt zwischen Zürich und Basel, untersucht Paul Mäder, ob pflugloser Anbau trotzdem machbar ist. Wir gehen zu den Versuchsfeldern, ausgerüstet mit Spaten und Eisenstangen für die Bodenuntersuchungen.
"Die Frage ist, ob wir pfluglosen Landbau unter den Verhältnissen des organischen Landbaus durchführen können, ob die Erträge ansprechend sind, ob die Bodenfruchtbarkeit sich unter reduzierter Bearbeitung positiv entwickelt und vor allem, ob wir mit dem Unkraut zurechtkommen. Das ist eben die große Herausforderung im Ökolandbau."
Das Feld ist in 32 Parzellen aufgeteilt, je einen halben Tennisplatz groß. Damit der Versuch statistisch einwandfrei ist, muss jede Kombination von Düngung und Bodenbearbeitung auf mehreren Parzellen ausprobiert werden. Die Feldstücke linker Hand wurden vor der Saat gepflügt. Die rechter Hand nicht. Dieses Jahr wächst hier Kleegras.
"Wir sehen, bei reduzierter Bearbeitung ist der Klee sehr viel schöner aufgelaufen. Wir haben hier einen höheren Kleeanteil im Verhältnis zum Gras als beim gepflügten Boden, wo die Gräser dominieren. Allerdings war es so, bei den Kulturen Sonnenblumen, Dinkel, dass dort die Unkräuter verstärkt gekommen sind."
Deshalb werden zwei Jahre hintereinander Kleegras angepflanzt. Das setzt sich gegen die Unkräuter durch. Darauf folgen Mais, Weizen, Sonnenblume und Dinkel. Ansonsten bekämpfen die schweizer Landwirte das Unkraut wie jeder Hobbygärtner auch. Sie harken es unter. Bei Weizenkulturen ist das normalerweise schwierig, da er zu dicht gesät wird. Paul Mäder legt die Reihen deshalb in größerem Abstand an. So hat er das Unkraut bisher unter Kontrolle halten können.
Dem Schweizer Agrarwissenschaftler macht es sichtlich Spaß, über seinen vom Regen klatschnassen Boden zu laufen. Vor allem über die ungepflügten Parzellen.
"Ich hatte den Eindruck, dass da die Struktur weicher ist. Haben Sie das nicht auch das Gefühl? Und schauen sie jetzt mal hier."
Einige Meter weiter, auf einer Parzelle, die gepflügt wurde, sinkt er wesentlich weniger ein.
"Es fühlt sich anders an, oder? Wir können auch einmal noch graben."
Den Spaten in den gepflügten Boden einzustechen, ist sichtlich anstrengend. Wo der Boden so fest ist, haben auch Pflanzenwurzeln ihre Mühe.
"Es war immer so, wenn wir den Spaten in den Boden gestoßen haben, war es so, bei der reduzierten Bearbeitung war es ohne großen Kraftaufwand möglich, den Spaten ohne großen Kraftaufwand hinein zu stoßen. Das war eigentlich erstaunlich."
Spatendiagnose nennt Paul Mäder den ersten Eindruck, den er von dem ausgehebelten Erdstück bekommt. Ihn interessiert dabei alles, was mit der Bodenfruchtbarkeit zusammen hängt.
"Da beurteilt und beschreibt man dieses kleine Bodenprofil im Detail. Da hat man verschiedene Merkmale. Einerseits die Durchwurzelung des Bodens. Dann das Gefüge des Bodens, ob es klumpig ist, ob es kantig ist, ob es krümelig ist, dann, wie viele Würmer es im Boden gibt, ob es Stroh, nicht abgebaute Ernterückstände im Boden gibt, das sind beispielsweise wichtige Kriterien bei der visuellen Beurteilung des Bodens."
Bei allen Parametern gewinnen, soweit man das nach 4 Jahren Versuchszeit sagen kann, die pfluglosen Parzellen. Der Humusgehalt in den oberen Schichten ist schon jetzt um 10 Prozent angewachsen. Das ist gut für die Bodenfruchtbarkeit. Paul Mäder findet auch mehr Mikroorganismen und Mykorrhiza Pilze. Als Symbionten wachsen sie in die Wurzelzellen hinein, ein Teil liegt außerhalb, ein Teil liegt innerhalb der Pflanze. Dadurch steigt beispielsweise die Fähigkeit der Pflanze, Phosphor aufnehmen.
Zurück nach Soest zu Norbert Lütke Entrup, dem Professor an der Fachhochschule Südwestfalen. Er experimentiert seit Anfang der 80er Jahre mit pflugloser Bodenbearbeitung in der konventionellen Landwirtschaft. Dazu hat er auf seinen Versuchsparzellen eine Fruchtfolge eingeführt, die nicht so empfindlich auf Schädlinge und Unkräuter reagiert. Sein Ziel: Der Boden soll so gut wie gar nicht mehr bearbeitet werden. Er verzichtet sogar darauf, mit dem Grubber die oberen fünf bis zehn Zentimeter großflächig aufzulockern wie bei der Mulchsaat. Stattdessen mäht er die Vorfrucht ab, häckselt das Stroh klein, lässt es auf dem Feld liegen und sät aus. Eine so genannte Direktsaat.
"Es gelingt dann in diesem Ansatz, im Frühjahr, ohne weitere Bodenbearbeitung die Ackerbohne, oder auch den Hafer oder auch die Sommergerste, je nachdem was man macht, in den Boden zu bringen, also die Aussaat vor zu nehmen mit geringster Eingriffsintensität, ich mache eigentlich nur noch einen Schlitz in den Boden, lege das Saatgut rein und drücke es ein wenig an."
Der Agrarwissenschaftler bewertet die Anbaumethoden auf seinen Versuchsfeldern nach ökonomischen Maßstäben. Bei der Fruchtfolge, die er neu eingeführt hat, sind die Erträge der drei Anbauvarianten - mit Pflug, Mulchsaat, Direktsaat - ähnlich. Gleichzeitig spart der Landwirt bei der Direktsaatmethode Treibstoff und Arbeitskraft, da die Bodenbearbeitung leichter und schneller geht. Direktsaat lohnt sich also für den Landwirt. Sie lohnt sich auch für die Umwelt. Sichtbarstes Zeichen sind die Regenwürmer. Norbert Lütke Entrup hat sie gezählt.
"Wir haben die Regenwürmer ausgetrieben durch - ich sage mal - Elektroschock. Da muss man bestimmte Stäbe in einem Ring auf dem Boden platzieren, man schickt einen Schwachstrom da durch und die Tiere werden damit ausgetrieben. Damit hat man eine ganz gute Möglichkeit, um den Regenwurmbesatz in den Böden zu ermitteln. Man findet also deutliche Unterschiede zwischen der Pflugvariante, da sind nur ein paar Regenwürmer pro, ich sag mal, 1000 Quadratzentimeter. Und auf der Direktsaat sind immer die höchsten Regenwurmpopulationen zu finden."
Etwa zehn mal mehr als bei der Bearbeitung mit dem Pflug. Die Mulchsaatvariante liegt irgendwo dazwischen. Die Regenwürmer leisten wertvolle Arbeit, indem sie das Stroh auf dem Feld in den Boden hineinziehen.
"Und wenn man das mal an die Seite schiebt, dann sieht man hier, dass das Stroh so ein bisschen schon rein gezogen ist, da auch, ja, und darunter befindet sich die typische Wurmröhre. Und diese Wurmröhre ist tatsächlich fast fingerdick."
Das ist, wie Norbert Lütke Entrup sagt, eine Wasserleitung nach unten. Dadurch versickert das Wasser besser und wird im Boden gespeichert. Ein pfluglos bearbeitetes Feld trägt so dazu bei, vor Hochwasser zu schützen.
Wegen der positiven Wirkung auf die Umwelt fördert das Land Nordrhein- Westfalen seit dem Jahr 2000 bis Ende dieses Jahres die pfluglose Bodenbearbeitung. Das brachte in den Augen von Christian Deisenroth von der Landwirtschaftkammer den großen Schub.
"Da hieß es ja im Grunde, die gesamt Fruchtfolge pfluglos zu bestellen. Und da war die pfluglose Bestellung von Wintergerste nach dem Weizen, der sehr viel Stroh hinterlässt, das war die absolute Herausforderung."
Dass mit pfluglosem Anbau wirklich die Gewässer geschützt werden, hat ein Mitarbeiter von Norbert Lütke Entrup an den Feldern von Heinfried Richter nachgemessen. Dazu wurden Abflussrinnen gegraben, um das Oberflächenwasser aufzufangen und es wurden Drainagen angezapft, die unter dem Feld liegen. Das Ergebnis: bei mit Mulchsaat bearbeiteten Feldern wird etwa nur ein Sechstel so viel Stickstoff und Phosphor aus dem Boden ausgewaschen wie bei gepflügten Böden. Auch trägt der Regen die obere Bodenschicht nicht mehr so stark ab. Heinfried Richter.
"Wenn Sie im Frühjahr kommen und ich würde Ihnen das zeigen, dann können sie sehen, wie das Wasser geflossen ist, und wie sich die Halme dann querlegen, irgendwie, der eine Halm hält den anderen fest, und dann versickert irgendwie der Boden, der wird gebremst am weiterlaufen. Ganz eindeutig zu sehen."
Er bewirtschaftet inzwischen den ganzen Betrieb mit 200 Hektar pfluglos, nach seinen Aussagen ohne Ertragseinbußen. In den letzten Jahren haben immer mehr Landwirte in der Region auf die pfluglose Bearbeitung umgestellt. Spannend wird es, wenn nächstes Jahr die Förderung ausläuft, sagt der Berater Christian Deisenroth. Er ist zuversichtlich, dass die Landwirte auch dann dabei bleiben werden. Sie motiviert, dass das Arbeiten ohne Pflug etwa 30 bis 50 Prozent Treibstoff und Arbeitszeit einspart.
Die meisten Methoden, die gut für die Umwelt sind, schonen günstigerweise auch den Geldbeutel der Landwirte. Das gilt für die pfluglose Landwirtschaft. Das gilt für nachhaltige Anbaumethoden und für Biogasanlagen, die die Nährstoffe pflanzenverfügbar machen. Landwirtschaft ganz ohne Umwelteingriffe wird es zwar nie geben. Aber die Technologien sind vorhanden, die größten Umweltsünden zu beseitigen. Es hängt vor allem vom Management eines Betriebs ab, wie stark er sie nutzt, und von der Art, wie Subventionen verteilt werden.