Susanne R.:"Es ist so lästig und unangenehm."
Daniel: "Ja, wie so eine unendliche Schlaufe."
Ulrike F.: "Schon relativ lange her, dass ich mich das letzte Mal gelangweilt habe - und jetzt in den Ferien, habe ich mich sogar nach Langeweile gesehnt."
Susanne R.: "Mhm, es ist sehr unterschiedlich!"
Erci Igou: "Kann zuweilen sehr unangenehm sein, aber in Langeweile liegt eben auch eine Chance, die Chance, das Leben neu zu gestalten, indem man nach Quellen des Sinnes sich umschaut."
Susanne R.: "Dann kommt auf einmal die Durchsage, dass der Flug Verspätung hat und niemand sagt wie lange. Also muss ich warten, mir bleibt nichts anderes übrig, als zu warten."
Daniel: "Ja, wie so eine unendliche Schlaufe."
Ulrike F.: "Schon relativ lange her, dass ich mich das letzte Mal gelangweilt habe - und jetzt in den Ferien, habe ich mich sogar nach Langeweile gesehnt."
Susanne R.: "Mhm, es ist sehr unterschiedlich!"
Erci Igou: "Kann zuweilen sehr unangenehm sein, aber in Langeweile liegt eben auch eine Chance, die Chance, das Leben neu zu gestalten, indem man nach Quellen des Sinnes sich umschaut."
Susanne R.: "Dann kommt auf einmal die Durchsage, dass der Flug Verspätung hat und niemand sagt wie lange. Also muss ich warten, mir bleibt nichts anderes übrig, als zu warten."
Susanne R., Betriebswirtin, 45 Jahre alt. Langeweile, sagt sie, erlebe sie eigentlich selten. Aber manchmal, frühmorgens am Flughafen, erwischt es sie doch. Susanne R.:
"Ich sitze dann da, schaue mich um, schaue mir die anderen Menschen an, die auf die Anzeigetafel schauen genauso wie ich, schaue auf die Uhr, der Sekundenzeiger geht fürchterlich langsam weiter, ich schaue zum dritten Mal oder zum vierten Mal nach, ob mein Flugticket noch da ist, stehe dann wieder auf, gehe noch ein bisschen rum und ich setz' mich wieder hin, jemand von den anderen Wartenden steht auf, geht zur Toilette, ich schau mir die Leute an, die anderen sitzen wie ich da und ich schau wieder auf die Anzeigentafel und es ist immer noch kein Aufruf. Ich schaue auf die Uhr, ich schau auf den Boden, dann kommt irgendwie so ein unleidliches Gefühl auf, schwer zu beschreiben, so ein Gefühl in der Brust, und dann denke ich: wann hört das jetzt hier endlich auf, wann geht es endlich weiter."
Zitat Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph: Der allgemeine Überblick zeigt uns als die beiden Feinde des menschlichen Glückes den Schmerz und die Langeweile.
Sie ist lästig und verleidet einem den Tag. Das ist wohl der erste Gedanke, wenn jemand an Langeweile denkt. Der zweite: Warum langweilen sich Menschen – und andere nicht? Das fragte sich auch James Danckert eines Tages – und fand sein neues Forschungsthema:
"Was mich zur Langeweile brachte, war meine Arbeit mit Menschen, die ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatten."
Zitat Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph: Der allgemeine Überblick zeigt uns als die beiden Feinde des menschlichen Glückes den Schmerz und die Langeweile.
Sie ist lästig und verleidet einem den Tag. Das ist wohl der erste Gedanke, wenn jemand an Langeweile denkt. Der zweite: Warum langweilen sich Menschen – und andere nicht? Das fragte sich auch James Danckert eines Tages – und fand sein neues Forschungsthema:
"Was mich zur Langeweile brachte, war meine Arbeit mit Menschen, die ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatten."
Langeweile als schrecklich unbefriedigendes Gefühl
Als klinischer Neuropsychologe betreute der Kanadier anfangs Patienten. James Danckert:
"Schädel-Hirn-Traumata sind Verletzungen, die vor allem durch harte Kollisionen entstehen. Jemand fährt zum Beispiel mit seinem Auto gegen eine Wand oder fällt von einer Mauer. Solche Unfälle lassen das Gehirn gegen die Schädeldecke prallen. Viele dieser Patienten haben dann Probleme, die können sich nicht mehr richtig kontrollieren. Abstraktes Denken, ihr Urteilsvermögen, ihre Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, all das kann durch Verletzungen des Frontalcortex im Gehirn gestört sein."
"Schädel-Hirn-Traumata sind Verletzungen, die vor allem durch harte Kollisionen entstehen. Jemand fährt zum Beispiel mit seinem Auto gegen eine Wand oder fällt von einer Mauer. Solche Unfälle lassen das Gehirn gegen die Schädeldecke prallen. Viele dieser Patienten haben dann Probleme, die können sich nicht mehr richtig kontrollieren. Abstraktes Denken, ihr Urteilsvermögen, ihre Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, all das kann durch Verletzungen des Frontalcortex im Gehirn gestört sein."
Danckert fiel auf, dass seine Patienten oft tatenlos herumsaßen, mit mürrischem Blick. Irgendwann fragte er sie, ob sie sich seit ihrer Verletzung häufiger langweilten? Es war offensichtlich, dass sie sich langweilten. Die Antworten, die er bekam, hatte er erwartet. Und trotzdem verblüfften sie ihn. James Danckert:
"Es war nicht nur so, dass wirklich jeder Patient mit "Ja" antwortete, sie sagten es auch alle völlig enthusiastisch. Ich hatte den Eindruck, dass sie wirklich froh waren, dass sie endlich jemand nach dieser wesentlichen Erfahrung fragte, die sie seit ihrer Verletzung machten. Sie waren häufiger gelangweilt, waren unfähig, sich in ihrer Umwelt zu engagieren und das war schrecklich unbefriedigend für sie. Und ich war der erste, der sie überhaupt danach gefragt hatte.
An der kanadischen University of Waterloo begann James Danckert, die Langeweile näher zu erforschen. Seine Erfahrungen mit den Hirn-Trauma-Patienten gaben ihm dabei die Leitidee vor: Langeweile ist eine Emotion, die wesentlich mit dem Verlust von Selbstkontrolle zu tun. Gelangweilte Menschen können sich selbst nicht mehr gut steuern und wissen mit ihrer Umgebung nichts Richtiges anzufangen. Depressive erleben Ähnliches. James Danckert:
"Wir konnten zeigen, dass die Beziehung zwischen Langeweile und Depression bei Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma besonders stark ist. Frühere Studien haben schon auf statistische Zusammenhänge zwischen Langeweile und Depression hingewiesen. Je häufiger Menschen gelangweilt sind, desto häufiger werden sie auch depressiv und umgekehrt. Unsere Studie zeigt, dass dieser Zusammenhang bei Hirn-Trauma-Patienten noch einmal verstärkt ist. Und zwar deshalb, weil es sich hier um Menschen handelt, die Probleme mit ihrer Selbstregulation und Selbstkontrolle haben."
Unleidlich, zerstreut, unruhig: Langeweile hat verschiedene Symptome
Langeweile wird mittlerweile auch mit Alkoholismus, Drogenkonsum oder Esssucht in Zusammenhang gebracht. Doch wie genau verläuft die Verbindung? Erzeugt Langeweile die Verhaltensweisen? Oder ist sie eine Begleiterscheinung? Wer diese Fragen beantworten will, muss, was wir im Alltag als Langeweile erleben, mit Methode sezieren. Susanne R.:
"Körperlich fühle ich mich eher unruhig und genervt. Das ist so ein diffuses Gefühl, das ist eine Stimmung, ich weiß nicht so Recht etwas mit mir anzufangen, ich bin unleidlich, auch zerstreut, vor allem die Zeit geht so "e x t r e m l a n g s a m" rum. Also ich habe das Gefühl, dass die Zeit sich dehnt, schrecklich zäh dahinfließt und nicht vergeht."
"Körperlich fühle ich mich eher unruhig und genervt. Das ist so ein diffuses Gefühl, das ist eine Stimmung, ich weiß nicht so Recht etwas mit mir anzufangen, ich bin unleidlich, auch zerstreut, vor allem die Zeit geht so "e x t r e m l a n g s a m" rum. Also ich habe das Gefühl, dass die Zeit sich dehnt, schrecklich zäh dahinfließt und nicht vergeht."
Kreuzen Sie bitte auf einer Skala von 1 bis 7 an, was auf Sie zutrifft:
Es fällt mir leicht, mich auf meine Aktivitäten zu konzentrieren.
Ich komme häufig in Situationen, in denen ich sinnlose Dinge tun muss.
Die so genannten "Boredom Proneness Scale". Mit diesem Fragebogen versuchen Forscher herauszufinden, wie anfällig Menschen für Langeweile sind.
Ich kann mich gut selbst unterhalten.
Die meiste Zeit sitze ich herum und mache nichts.
Es langweilt mich schrecklich, die Amateurfilme oder Urlaubsfotos anderer Menschen anzuschauen.
Fragen sind ein Weg, existierende Langeweile zu vermessen. Darüber hinaus geben sich Forscher alle Mühe, Probanden im Labor tödlich zu langweilen. Manche lesen ihnen seitenweise Telefonnummern vor. Andere quälen sie mit Videos über Fischzucht. James Danckert probiert es seit einiger Zeit damit:
Ein weißer, fensterloser Raum in einer Wäscherei. Zwei Männer sehen sich konfrontiert mit jeweils einem Stapel von Kleidungsstücken. Jeder von ihnen nimmt ein Teil von seinem Stapel und hängt es auf eine Wäscheleine. Eine Hose, ein Hemd, eine Socke. Griff zum Stapel, Griff zu den Wäscheklammern. Aufhängen. Dann das nächste. Nach 80 Sekunden fragt der eine Mann den anderen, ob er eine Wäscheklammer von ihm haben könne. Kann er. Dann hängen sie wieder schweigend ihre Kleidungsstücke auf.
"Two guys hanging in a laundry", Danckerts Doktorandin Colleen Merrifield hat das Video produziert. James Danckert:
"Interessanterweise lachen unsere Versuchspersonen da erst einmal. Sie sehen, wie diese zwei Männer ein Wäschestück nach dem anderen aufhängen und glauben, dass gleich etwas Komisches passieren wird. Es sieht ja auch tatsächlich im ersten Moment ziemlich lustig aus."
Die Sehnsucht nach etwas Bedeutungsvollem
Doch dann schlägt die Stimmung regelmäßig um. James Danckert:
"Schon nach etwa 30 Sekunden wird ihnen klar, dass in diesem Video nicht mehr viel passieren wird, und das langweilt sie dann extrem. Und das könnte der Schlüssel sein, Langeweile wirklich zu verstehen: Es geht darum, dass die Leute keine Veränderungen in der nächsten Zukunft mehr erwarten können."
Danckerts Testpersonen projizieren in eine offensichtlich langweilige Szene etwas hinein. Blitzt hier Sehnsucht auf, nach etwas Bedeutungsvollem?
Zitat Leo Tolstoi, russischer Schriftsteller: Langeweile ist der Wunsch nach Wünschen.
Zitat Leo Tolstoi, russischer Schriftsteller: Langeweile ist der Wunsch nach Wünschen.
Igou: "Ich wurde beeinflusst durch die Schriften des guten alten Erich Fromm, der auch einiges zur Langeweile geschrieben hat, es war nie so sein Hauptthema, aber es kommt doch so in einigen seiner Schriften vor."
Eric Igou ist kein klinischer Psychologe wie James Danckert, sondern Sozialpsychologe an der irischen University of Limerick. Er interessiert sich vor allem dafür, was Menschen langweilt wie sie mit der unerträglichen Langsamkeit der Zeit umgehen und welche sozialen Folgen das haben kann. Dabei helfen ihm die Ideen des deutschen Sozialpsychologen Erich Fromm, der viel über Sinnfragen des Lebens nachdachte. Eric Igou:
"Fromm hat Langeweile in Zusammenhang gesehen mit der Sinnlosigkeit des Lebens, also der empfundenen Sinnlosigkeit des Lebens und dass Menschen darauf antworten finden wollen, es auch tun in verschiedener Form. Die Hauptmotivation oder eine sehr starke Motivation von Menschen ist es, ein sinnvolles Leben zu leben. Und dieses Gefühl der Langeweile scheint so verankert zu sein, dass Menschen es daran erinnert, dass sie eigentlich ein sinnvolles Leben leben wollen. Eric Igou:
"Der Prozess kann kreativ sein, denn es ist für Menschen sehr schwer zu akzeptieren, dass ihr Leben nicht sinnvoll ist. Und wenn es dann die Möglichkeit gibt, eine Alternative zu wählen, die Sinn verspricht, dann machen die das."
Daniel: "Ich habe, wenn mir langweilig war, vorgestellt, dass der Boden Lava ist, jetzt gerade in jüngeren Jahren."
Langeweile kann kreativ machen
Daniel, Student 23 Jahre. Er erinnert sich, wie er als Kind mit Langeweile umging.
"Und dann bin ich von meinem Bett zu Stellen, zum Tisch gesprungen und habe eben versucht, diese Lava nicht zu berühren und daraus einen kleinen Wettkampf mit mir selbst, so ein kleines Abenteuer entstehen lassen in meinem eigenen Zimmer, in meinem eigenen Reich und das dann manchmal so lange gemacht, bis mir quasi andere Möglichkeiten eröffnet wurden, und man mit Freunden Fußballspielen gehen konnte oder ähnliches.
Studien von Eric Igou, die er gemeinsam mit Wijnand van Tilburg vom Kings College in London durchführte, belegen: Langeweile kann Menschen kreativ machen und in Tagträume entführen. Die Suche nach Sinn beeinflusste Versuchspersonen auch, als die Forscher deren Hilfsbereitschaft testeten. Eric Igou:
"Wir sehen: Menschen, die gelangweilt sind, spenden mehr Geld an eine Hilfsorganisation als wenn sie weniger gelangweilt sind."
Es gibt aber auch eine Kehrseite der Sehnsucht nach Sinn und Bedeutung. Eric Igou:
"Wir haben ein Experiment durchgeführt, wie stark sich die Versuchspersonen mit ihrer eigenen Gruppe identifizieren, in dem Falle waren es eben, da die Studien in Irland durchgeführt wurden, haben wir dann gefragt nach irischen Symbolen, wie wichtig ihnen die irischen Symbole sind verglichen mit anderen Symbolen. Und dann zeigte sich, dass diese irischen Symbole dann auch extrem positiv bewertet wurden, wenn Menschen gelangweilt waren im Vergleich zu wenn die Menschen weniger gelangweilt waren."
Erzeugt Langeweile also Nationalismus? Eric Igou relativiert das. Zum einen handelt es sich hier nur um Laborversuche. Niemand weiß bisher, ab welcher Schwelle Langeweile das Leben nachhaltig beeinflusst. Außerdem betont Igou, dass in der Langeweile immer nur das verstärkt wird, was in einem Menschen bereits angelegt ist. Menschen, die zur Langeweile neigen, radikalisieren die Ideologie, die sie vertreten. Eric Igou:
"In den Studien, die wir durchgeführt haben, da sehen wir, dass es eine Polarisierung gibt, in Abhängigkeit von Langeweile. Das heißt, wenn es schon so eine bestimmte Vorliebe für die eine Richtung oder für die andere Richtung gibt, dann ist es so, dass es unter Langeweile extremer wird. Das können jetzt gute oder schlechte Ideologien sein. Das verstärkt sich. Wir haben jetzt eine Studie, die wir bald publizieren werden, dass Menschen, die religiös sind, durch Langeweile religiöser werden.
Gelangweilte essen und trinken mehr
Der Hunger nach Sinn und Bedeutung, der in der Langweile rumort, kann sich auch körperlich zeigen. Eric Igou:
"Wir finden, dass Menschen, die diese Empfänglichkeit für Langeweile haben, sich ungesünder ernähren, also fetthaltige kalorienreiche Nahrung zu sich nehmen, mehr als die Menschen, die weniger gelangweilt sind. Das gilt insbesondere für Menschen mit hoher Selbstaufmerksamkeit und das ist auch wichtig, dass wir das gefunden haben. Denn gerade für die Menschen ist dieser Konflikt am stärksten. Gelangweilt zu sein, das erinnert Menschen daran, dass das Leben nicht sinnvoll ist und das drückt sich dann so aus: die flüchten sich quasi in die Kalorien, in die fetthaltige Nahrung, das ist ja oft mit Genuss verbunden, diese Nahrung, und das reduziert die Aufmerksamkeit, die auf diesen existenziellen Konflikt gerichtet sein könnte.
Ein leerer Raum. Mittendrin ein Stuhl. 42 Versuchspersonen sollten sich in einer Studie amerikanischer Psychologen sechs bis 15 Minuten lang auf ihn setzen, jeder allein mit seinem Innenleben. Die Hälfte der Versuchspersonen gab hinterher an, sie hätten sich unwohl gefühlt. Fast zwei Drittel der Männer drückte sogar mindestens einmal auf einen Knopf, der ihnen einen leichten Elektroschock verpasste, bei den Frauen war es immerhin jede Vierte. So stark war ihr Bedürfnis nach einem neuen Reiz.
Man kann in der Langeweile versinken und sie als sinnlos empfinden. Das erklärt, warum Menschen, die zur Langeweile neigen, häufiger depressiv sind. Man kann aber auch nach etwas suchen, das Bedeutung verspricht oder ablenkt. Das erklärt, warum Gelangweilte mehr essen, trinken, oder sich radikalen Gedanken zuwenden.
Langeweile ist ein Zustand, den Menschen schwer aushalten. Menschen, die in Isolationshaft sitzen, wissen das, Folterknechte, die Menschen in leere, kalte Räume sperren, auch. Wie unerträglich kann Langeweile sein?
Kreuzen Sie bitte auf einer Skala von 1 bis 7 an:
Die Zeit vergeht langsamer als üblich.
Ich bin in einer Situation gefangen, die ich als irrelevant einschätze.
"Die so genannte "Multidimensional State Boredom Scale", bei der es darum geht, das aktuelle Erleben von Langeweile einzuschätzen.
Ich fühle mich allein.
Ich fühle mich leer.
Mein Geist wandert umher.
Langeweile ist: Wenn sich nichts mehr zu verändern scheint
Mit welcher Methode man Menschen am besten langweilen kann, haben amerikanische Forscher akribisch erforscht. Konfrontiert mit monotonen Videos konnten ihre Versuchspersonen noch abschweifen und in Tagträume fliehen. Der Testsieger dagegen ließ ihnen dazu keine Chance. Hier mussten sie selbst entnervend Sinnloses tun und waren darin gefangen.
Du sitzt an einem Tisch. Vor dir ein Computerbildschirm und eine Maus. Auf dem Computerbildschirm siehst du einen Zeiger. Du kannst ihn mit einem Mausklick um eine Viertelumdrehung weiterbewegen.
Klicke auf die Maus. Überprüfe, ob sich der Zeiger gedreht hat. Klicke wieder auf die Maus. Überprüfe, ob sich der Zeiger gedreht hat. Klicke auf die Maus. Überprüfe, ob sich der Zeiger gedreht hat.
Extreme Langeweile entsteht, wenn sich wirklich nichts mehr zu verändern scheint.
Klicke wieder auf die Maus. Überprüfe, ob sich der Zeiger gedreht hat. Klicke wieder auf die Maus. Überprüfe, ob sich der Zeiger gedreht hat. Klicke wieder auf die Maus.
Daniel, 23 Jahre alt, Student: "Es ist wie so eine unendliche Schlaufe, die versucht irgendwie diese Langeweile zu füllen, aber im Endeffekt hat man eben dieses Ziel nicht, das heißt, es gibt auch kein Ende.
Klicke wieder auf die Maus. Überprüfe, ob sich der Zeiger gedreht hat. Klicke wieder auf die Maus. Überprüfe, ob sich der Zeiger gedreht hat. Klicke wieder auf die Maus.
Was macht den Unterschied aus zwischen erfülltem Nichtstun und solch unerträglichen Endlosschleifen? James Danckert glaubt ihn im Gehirn aufgespürt zu haben. Als seine Probanden vor dem Wäscheaufhängvideo nichts Sinnvolles mehr erwarteten, verfielen ihre Neuronen in einen neuen Modus.
"Wir fanden, dass dabei die hinteren Regionen des so genannten Default-Mode-Netzwerks im Gehirn aktiviert wurden. Dieses Netzwerk ist in Ruhezuständen aktiv, wenn unser Denken nicht auf eine Aufgabe gerichtet ist, sondern ziellos dahintreibt. Aber wir fanden auch einen Bereich im Gehirn, der deaktiviert wurde, wenn die Versuchspersonen sich langweilten und gar nichts taten."
Wenn das Gehirn ungesteuert und leer vor sich hinläuft
Es war der so genannte vordere insuläre Cortex. Diese Hirnregion ist nötig, um in einen Zustand überzugehen, in dem wir unser Denken und Verhalten gezielt kontrollieren und steuern. Das Studienergebnis ist nicht einfach zu interpretieren, aber James Danckerts Version geht so.
"Als die Versuchspersonen das Wäschereivideo sahen, versuchten sie zunächst, aus diesem bedeutungslosen Video eine Bedeutung herauszulesen. Aber diese Versuche schlugen fehl und das zeigt sich in der Deaktivierung des Hirnteils, der normalerweise Hirnnetzwerke anwirft, mit denen wir zielgerichtet denken und handeln können.
Wenn man wirklich gelangweilt ist, erlahmt also nach Danckert nicht nur der Geist, weil die Außenwelt keine Anreize mehr liefert. Entscheidend ist, dass das Gehirn irgendwann gar nicht mehr auf solche Reize vorbereitet ist. Es läuft ungesteuert und leer vor sich hin. Inzwischen ist Danckert überzeugt: Etwas Ähnliches erlebten seine Hirn-Trauma-Patienten in ihrem Alltag ständig.
Susanne R.: "Manchmal fange ich dann auch an, mich unleidlich zu fühlen und ich mache dann auch Sachen, die nicht so gut sind, fange zum Beispiel an, zu naschen oder irgendetwas zu knabbern damit ich nicht noch schlechter gelaunt bin, einfach damit ich die Langweile nicht spüre, denn die zieht mich runter."
Während das Gehirn stumpf wird, ist der Körper hellwach. James Danckert ist inzwischen davon überzeugt, dass wirkliche Langeweile mit einem relativ hohen körperlichen Erregungsniveau einhergeht. Er untersuchte die Herzfrequenz, den Hautwiderstand und den Cortisol-, also den Stresshormonspiegel von Versuchspersonen, die sein Wäscheaufhängvideo sahen. James Danckert:
"Wir kontrastierten das mit Interesse und Traurigkeit bei anderen Videos und fanden, dass bei Langeweile der Herzschlag und Cortisolspiegel anstieg, während der Hautwiderstand sank."
Der Hautwiderstand steht für Aufmerksamkeit und Außenwahrnehmung. Dass er sinkt, bedeute, dass die Gelangweilten ihre Aufmerksamkeit nicht mehr kontrollieren und steuern können, sagt Danckert. Der Anstieg des Herzschlags und des Cortisolspiegel dagegen zeigten, wie einsatzbereit die Betroffenen eigentlich noch sind. Das unterscheide Langeweile von Apathie, wo dieser Antrieb verloren gegangen sei. Langeweile "lebt" sozusagen von einem inneren Gegensatz: von der Spannung zwischen Wollen und Nicht-Können. James Danckert ist mit dieser Auffassung nicht allein, gesteht aber zu. James Danckert:
"Das heißt auf keinen Fall, dass die Arbeit damit schon getan ist."
Zu viel Zeit ist nicht unbedingt negativ
Es bleiben Fragen: Verliert jeder gelangweilte Mensch automatisch die Selbstkontrolle? Warum sehnen sich gestresste Menschen manchmal nach Langeweile? Gibt es vielleicht doch Alternativen zu der Formel: "Langeweile ist gleich: Negatives Gefühl und hohe körperliche Erregung".
Monika, 20 Jahre, Studentin: "Langeweile" ist für mich so ein negativer Ausdruck von "Zu viel Zeit". Aber ich finde zu viel Zeit nicht unbedingt negativ!"
Bildungsforscher Thomas Götz: "Das ist eigentlich genau der Kern meiner Forschung in den letzten Jahren, dass das zu einfach gedacht ist, dass Langeweile nicht immer als negativ empfunden wird, sondern es ist eigentlich der Kern meiner Forschungsarbeiten, dass es verschiedene Formen von Langeweile gibt."
Den empirischen Bildungsforscher Thomas Götz von der Universität Konstanz interessiert, was Schüler und Studenten subjektiv erleben, wenn sie sich langweilen. Sein Team piepst Versuchspersonen während der Freizeit oder in Schule und Universität in zufälligen Abständen per Handy oder Smartphone an. Sie müssen
Fühlst Du Dich gerade gelangweilt?
Wenn ja, fühlst Du Dich eher zappelig oder eher ruhig?
Fühlt sich die Langeweile eher positiv oder negativ an?
Gib auf einer Skala von eins bis sieben an, wie positiv und wie negativ sich das anfühlt
Thomas Götz stellte fest, dass sich Schülerinnen und Schüler in Deutschland in der Hälfte der Unterrichtszeit langweilen, in einem Viertel der Zeit sogar stark. Langeweile ist die am häufigsten berichtete Emotion in der Schule, vor Freude, Angst oder Stolz. Auch im Studium, scheint es mehr Langeweile zu geben als man erwarten würde.
Monika: "Man ist definitiv manchmal sauer auf den Professor und fragt sich auch echt, warum die Professoren geworden sind, man sollte ja auch irgendwie daran Spaß haben, den Studenten das zu vermitteln."
Für Aufregung sorgt aber vor allem ein anderes Ergebnis von Thomas Götz, das eine Studie an 63 Studenten und 80 Gymnasiasten brachte. Denn es widerspricht dem, was James Dancker und viele seiner Kollegen glauben. Auch Götz fand Versuchspersonen, die sagten: Langeweile ist negativ und meine innere Aktivität dabei ist hoch. Aber es war keineswegs bei allen so. Das Gefühl wurde auf der Langeweile-Messskala mal als positiv, mal als negativ beschrieben und auch die innere Aktivität schwankten deutlich. Insgesamt rekonstruierte Götz aus dem Datenmaterial 5 Typen erlebter Langeweile. Das eine Extrem nennt er "apathische Langweile". Die Betroffenen sagen, dass sie sich ganz schlecht und völlig inaktiv fühlen. Das andere Extrem hat Götz "indifferente Langeweile" getauft. Thomas Götz:
"Ein Student geht zum Beispiel abends in eine Vorlesung, das war vielleicht wirklich ein anstrengender Tag, setzt sich rein und merkt plötzlich, das Thema oder auch vielleicht die Art des Vortrages ist nicht so ansprechend, man langweilt sich, die Zeit vergeht langsam, so auch der Inbegriff von Langeweile, aber eigentlich ist es ganz angenehm, sich hier zu langweilen, weil man ganz froh ist, dass man ein bisschen runterfährt, das ist ja fast eine Facette von Erholung, es ist langweilig, aber eigentlich auch ganz nett."
Monika, Studentin: "Ich würde sagen, wenn ich jetzt jemanden neben mir habe, den ich gern mag, dann redet man natürlich eher mit dem, als wenn man jetzt alleine da sitzt und sich da wirklich in diese Tagträume so rein versetzt."
"Wenig aktiviert und nicht wirklich schlecht gelaunt - indifferente Langweile?" Für einige Kollegen von Thomas Götz ist das keine Langeweile, sondern Entspannung.
"Jaja, da gibt es natürlich Riesenstreit bei Konferenzen, aber das ist ja gerade das Spannende an der Wissenschaft, also es wäre langweilig, wenn wir uns alle einig werden, was Langeweile eigentlich ist."
Negative und positive Langeweileformen
Thomas Götz‘ Gegenargument: Wenn man entspannt ist, vergeht die Zeit meist viel zu schnell. Seine Versuchsperson geben aber an, dass die Zeit für sie langsam vergeht. Also handele es sich um eine Form von Langeweile. James Danckert versucht nun, Götzes Sicht mit der seinen zu verbinden. James Danckert:
"Ich mag diese Arbeiten, interpretiere sie aber so, dass diese verschiedenen Typen eher verschiedene Etappen des Prozesses darstellen, in dem wir gelangweilt werden."
Doch müssten sie dann nicht auch regelmäßig auftreten? Thomas Götz beharrt darauf, dass er verschiedene Typen von Langeweile gefunden hat, weil sie in unterschiedlichen Situationen häufiger oder seltener auftreten.
"Unsere Studien haben gezeigt, dass die positiven Langeweileformen, vor allem die indifferente Langeweile, primär in der Freizeit auftritt und die negativen Langeweileformen vermehrt wirklich in Leistungssituationen. Also zum Beispiel in der Schule, bei der Arbeit oder im Studium.
Sozialpsychologe Eric Igou: "Es gehört zum Leben dazu. Die Frage ist, wie man darauf reagiert und manche Menschen sind da vielleicht besser drin als andere."
Besteht Langeweile im Kern darin, dass man sich schlecht fühlt und innerlich hoch aktiviert ist? Sind alle Abweichungen davon also nur Etappen auf dem Weg zu wirklicher Langeweile? Oder gibt es doch verschiedene Arten, sich zu langweilen?
Klar ist jedenfalls, dass Langeweile verschiedene Facetten hat. Wenn es gelingt, diese Facetten zu fassen, ließe sich vielleicht beurteilen, wann ein Gelangweilter therapeutische Hilfe braucht. Oder umgekehrt entscheiden, dass Langeweile genau das ist, was ein Mensch gelegentlich braucht – weil es ihn auf interessante und kreative Gedanken bringt.
Zitat Johann Wolfgang von Goethe: Wenn die Affen es dahin bringen könnten, Langeweile zu haben, so könnten sie Menschen werden.