Ohne Teilen würden wir nicht überleben, meint Franca Parianen. Schon als Kind sei das eine Selbstverständlichkeit, beispielsweise das Teilen von Informationen – "die meisten Spezies machen das nicht".
Von Anfang an würden Menschen aber am liebsten das teilen, von dem sie danach nicht weniger haben als vorher, so die Neurowissenschaftlerin und Science-Slammerin. Sie hat unter anderem am Max-Planck-Institut geforscht und beschäftigt sich in ihrem neuen Buch "Teilen und Haben" damit, wie das Prinzip des Teilens und Nicht-Teilens die Menschen bestimmt hat.
Mehrwert durch Teilen
Auch wenn es ein verbreitetes Bild sei, bedeute Teilen nicht zwangsläufig, etwas abzugeben, beispielsweise durch eine Spende. Mehrwert durch Teilen werde beispielsweise beim Zusammenarbeiten erzeugt. "Wenn der Gewinn der Arbeit geteilt wird, stehen wir danach nicht mit weniger da, sondern mit mehr". Die Frage sei: "Wie kriegen wir das hin, dass wieder Mehrwert entsteht und sich nicht der Einzelne etwas mehr abzwackt?"
Ökonomische Prinzipien wie die Shared Economy seien ein Weg zurück, zu dem, was Menschen früher gemacht hätten: Gemeinsame Ressourcen wie Arbeit und Material teilen. Dass Menschen Privateigentum sammeln und vererben, sei erst mit der Sesshaftigkeit gekommen.
Eigentum sei auch nicht das Problem, sondern das massive Sammeln: "Was neu ist, ist, dass wir immer stärker über Generationen Eigentum ansammeln und vererben", sagte Parianen.
Debatten über Super-Reiche
Das, was Menschen zu sozialen Wesen mache, sei das Verständnis der gegenseitigen Abhängigkeit. Wenn eine Person aber sehr viel Reichtum und damit die Oberhand habe, stelle sich die Frage: Muss ich überhaupt etwas abgeben? Das zeige sich auch in aktuellen Diskussionen über Reichtum und besonders reiche Menschen wie Amazon-Gründer Jeff Bezoz. "Da tun man, als sei es optional, etwas vom Reichtum abzugeben, anstatt zu fragen: Warum kann der Mann so viel Geld haben, ohne, dass seine Mitarbeiter vernünftig bezahlt werden?"
Verteilung des Reichtums auf der Welt im Jahr 2019
Während Anhäufen von Reichtum als normal dargestellt werde, zeige sich das Teilen oft als etwas Unangenehmes und auch als etwas sehr Fernes. Als Vorbilder würden oft mythologische Personen wie Sankt Martin herangezogen – "große Personen, die ganz viel abgegeben haben". Mit unrealistischen Bildern und großen Erwartungen würden Erwachsene Kindern manchmal mehr abverlangen, als sie selbst bereit wären zu tun.
Das Teilen der Impfstoffe
Auch in der Debatte um die Corona-Impfstoffe würden sehr schnell die gleichen holzschnittartigen Argumente vorgebracht, meint Parianen.
Einerseits sei es klug, die Impfstoffe zu teilen, denn das bringe langfristig den Mehrwert, dass das Virus nicht weiter mutieren könne. Andererseits stehe man sich selbst weiter im Weg, indem man nationalistisch denke und auch alte Prinzipien wie Patentschutz hochhalte.
"Wir glauben aber, dass es das Privateigentum als Anreiz braucht, damit sich Forscher dem Wohle der Menschheit widmen. Dabei gibt es ganz viel intrinsische Motivation", so die Neurowissenschaftlerin. Viele Medikamente seien ohne Patentschutz oder nur mit einem symbolischen Patent entwickelt worden, etwa Insulin.