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Neuseeland im Camping-Bus
Filmreife Landschaften erkunden

Türkisblaues Wasser, spektakuläre Vulkanlandschaften, Millionen Sterne am Nachthimmel – wer im Camping-Bus durch Neuseeland fährt, kann bequem reisen und der Natur ganz nahe kommen. Trotzdem lohnt es sich, den Süden der Insel auch zu Fuß zu erkunden.

Von Philip Raillon |
Ein Campingbus steht vor einem See und einer Berglandschaft in Neuseeland
Man sollte nicht weniger als drei Wochen für einen Urlaub in Neuseeland einplanen (Quelle: Deutschlandradio/ Philip Raillon)
"Wir stehen mit unserem Wagen keine 25 Meter entfernt vom Ufer. Die Wellen schlagen hier dran. Und das Wasser hat eine Farbe, das ist kaum zu beschreiben, so tief türkis ist die."
Und zwar so türkis, als hätte jemand einen großen Eimer Wasserfarbe in den See gekippt. Die drei Seen am Rande der Southern Alps leuchten aber durch Gesteinspartikel, die von den umliegenden Gletscherbächen angespült werden. Ich kann mich an dieser Farbe gar nicht satt sehen. Leider geht bald die Sonne unter und nimmt die Farbenpracht mit. Dafür ziehen die Sterne auf, Millionen Sterne. Wir sitzen neben unserem Van. Über uns leuchtet die Milchstraße von einem Horizont zum anderen.
In Neuseeland strahlen vieler Orts nachts tausende Sterne. Denn es gibt kaum Lichtverschmutzung und bei gutem Wetter ist der Himmel klar – wenn denn das Wetter gut ist. Im Hakatere Conservation Park, einem der vielen Naturschutzgebiete, könnten wir eigentlich auch viele Sterne sehen. Aber als wir mit unserem Camper in der Dämmerung ankommen, regnet es. Wir fahren auf einen Campingplatz, direkt an einem kleinen See. Die Hügel am anderen Ufer verschwinden in den Wolken und der hereinbrechenden Nacht. Wir sind hier echt ganz allein – schön aber auch ein wenig unheimlich. Für einen Roadtrip ist Neuseeland deshalb gut geeignet -- denn solche Campingplätze sind typisch. Es gibt sie überall, meist relativ abgelegen, aber für nur wenig Geld oder sogar umsonst. Außer einem Plumpsklo gibt es dann aber meist auch keine Ausstattung.
Hotspot für Hobbit-Fans
Am nächsten Morgen ist vom Regen nichts mehr zu sehen. Die Sonne scheint und die grün-braunen Hügel spiegeln sich auf der glatten Wasseroberfläche des Sees. Was ein Morgen! Schnell packen wir die Sachen und brettern wieder los. Zurück auf die Schotterpiste.
Und tiefer in die Landschaft hinein. Vor uns spannt sich plötzlich ein weites Tal auf. Drumherum stehen hohe, teils felsige, teils schneebedeckte Berge. Und in der Mitte: Da liegt ein kleiner Hügel, der Mount Sunday.
Am Mount Sunday leben in der Fantasiewelt von Herr der Ringe die Menschen aus der Region Roan. Denn hier wurden für Monate die Szenen aus der Stadt Edoras gedreht, wofür extra eine Siedlung aufgebaut wurde. Obwohl das Jahre her und von den Filmkulissen nichts mehr übrig ist, zieht es noch immer viele Hobbit-Fans an. Es gibt sogar tägliche Touren aus dem fast drei Stunden entfernten Christchurch.
Stadtbummel in Queenstown
Neuseeland ist eigentlich das falsche Land für Städtetrips – aber ein paar nette Orte gibt es dann doch. Oamaru hat zum Beispiel zwei viktorianische Straßenzüge mit weißen Gebäuden aus Kalkstein. Und abends watscheln am Hafen dreißig Zentimeter große Blauaugen-Pinugine über die Promenade – umlagert von knipsenden Touristen. Zum Flanieren und Bummeln laden Orte, wie DIE Pilgerstätte für Erlebnistouristen, Queenstown ein. Die Stadt liegt direkt am Lake Wakatipu, umgeben von Bergen.
In Dunedin, der zweitgößten Stadt des Landes, gibt es jeden Samstag einen bekannten Farmers Market. Wir schlendern entlang der Stände mit Käse, Schinken und Obst aus der Region. Überall dürfen wir probieren. Dave Coldglough spielt hier regelmäßig mit seiner Band Valley Bluegrass. Er erzählt:
"Ich mag die Atmosphäre hier, mit all den verschiedenen Leuten. Und das viele verschiedene Essen. Ich genieße es hier zu sein, wo so unterschiedliche Menschen zusammenkommen."
Die Natur in Neuseeland ist oft noch sehr wild. Zum Beispiel im Fjordland, wo es unzählige Wasserfälle, viel Regenwald und eben Fjorde gibt. Von den insgesamt 22 Scheren ist aber nur einer mit dem Auto erreichbar: Der Milford Sound. Der zweistündige Weg führt über eine kurvenreiche, teils schmale Straße. Wir wollen für eine Bootstour rechtzeitig ankommen und sind daher schnell unterwegs. Die Straße ist teils mit Moos bedeckt, führt entlang felsiger Steilwände und durch weite Täler. Im Fjord geht es imposant weiter: Mehrere hundert Meter hohe Felswände und Wasserfälle. Und der Mitre Peak, ein spitzer Berg, der mit seinen 1697 Metern direkt aus dem Meer wächst.
In der Region gibt es auch viele Wildtiere, wie etwa Pinguine oder Robben. Zur Wahrheit gehört aber auch: Allen Schutzprogrammen zum Trotz -- der Massentourismus geht an den Tieren nicht spurlos vorbei. Josh Niarchos, Kayak Guide bei Go Orange.
"Also in den Gebieten mit vielen Besuchern, wie Milford, sind die Wildtiere schon betroffen. Delfine zum Beispiel neigen dazu neugieriger und verspielter zu sein, wo sie sich an Ausflugsschiffe gewöhnen. Im Doubtful Sound hingegen, wo es nicht so viele Boote gibt, ignorieren und meiden sie die Touren eher. Insgesamt ist es wohl ein notwendiges Übel."
Touristen: Fluch und Segen
Was Josh beschreibt, ist ein schmaler Grat: Einerseits die vielen Besucher, die die neuseeländische Natur sehen wollen und eine Menge Geld ins Land bringen. Andererseits der Schutz genau dieser Natur. Auch deshalb können sich Touristen neben Milford Sound nur noch einen weiteren Fjord anschauen: Den Doubtful Sound. Er ist nur mit geführten Touren erreichbar. Wir besuchen ihn im Kayak. Als wir in unsere wackeligen Boote steigen, sind wir allein im Fjord. Wir paddeln langsam durch das sanfte, spiegelglatte Meereswasser. Die Felsklippen reichen bis zum Wasser hinab. Die wilden Berge und das friedliche Wasser sind bezaubernd. Nur die kleinen, beißenden Sandflies, die es fast auf der ganzen Südinsel gibt, nerven da etwas.
Die Natur lässt sich am Besten zu Fuß erleben. Auf den beiden Inseln gibt es insgesamt fast 1000 Wanderhütten. Zu einer wollen auch wir. Diese Hütten liegen irgendwo in der Wildnis, teils haben sie nur ein oder zwei Matratzen, teils sind sie aber richtig groß und sogar mit Herd ausgestattet. Unsere ersten beiden Hüttenwanderungen scheitern am, oder genauer: im, Regen. Beim dritten Anlauf klappt es: Zwei Stunden lang steigen wir bei sonnig-heißen 28 Grad einen Berg hoch. Auf unseren Rücken ist das Gepäck für die Nacht.
Oben angekommen, folgen wir einem Bach in ein Hochtal hinab, wo die Hütte liegt, die Meg Hut.
"Endlich angekommen. Drei Stunden. Meg Hut. Mal gucken. Ach. Ja, schön. Links so ein Kamin. Feuerholz sieht nicht so aus, als hätten wir das. Rechts ein Tisch und sechs Hochbetten und ein Doppelbett. Du, ich würde sagen wir gehen ins Doppelbett oder? Perfekt."
Und tatsächlich haben wir freie Bettenwahl. Denn außer einigen Mäusen kommt an diesem Abend niemand mehr vorbei. Wir sammeln ein bisschen Holz und machen ein Feuer im Kamin. Dann kochen wir auf unserem kleinen Gaskocher Reis und machen es uns in den Schlafsäcken gemütlich.
An einem anderen Tag laufen wir ein Stück des Routeburn Great Walks. Die "Great Walks" sind besonders beliebte Mehrtagesrouten. Auf dem Weg treffen wir Simone Goldsmith, die gerade einen Teil des Weges repariert. Sie arbeitet beim staatlichen Department of Conservation als Hut-Rangerin. Acht Tage am Stück hat sie Dienst auf ihrer Hütte, dann kommt die Ablösung. Sie liebt ihren Job.
"Einmal hat es geschüttet. Auf dem ganzen Track fielen 150 Millimeter in nur einer Nacht. Der Weg stand komplett unter Wasser und alle in der Hütte waren nass und traurig. Dabei war auch eine Gruppe aus Südkorea, die kaum Englisch sprach. Aber die haben dann einfach für alle Hüttengäste Abendessen gekocht. Einfach so!"
Regen, Sonne, Glühwürmchen
Regen gibt es in Neuseeland tatsächlich häufig. Vor allem im Fjordland und an der Westküste regnet es oft und kräftig. Das Gute: Das Wetter ist so instabil, dass es genauso schnell wieder sonnig ist. Als wir zum Beispiel an der Westküste unterwegs sind, schüttet es tagsüber. Die Hokitika Gorge, eigentlich strahlend blaues Wasser in einem felsigen Bett, ist an diesem Tag ein brauner Schlammstrom. Aber abends ist es trocken. Perfekt, um die "Glowworms" zu besuchen. Das sind kleine Fliegenlarven, die an dünnen Fäden hängen und im Dunkeln blau leuchten. So locken sie ihr Futter an. In einem halb offenen Erdloch hängen sie überall in den Felswänden. Hunderte kleine Punkte leuchten zwischen Farnbäumen und anderen Blättern.
Ein anderes Mittel bei nassem Wetter: Leckeres Essen. Auf unseren zwei Gasplatten kochen wir jeden Abend. Mal gibt es Nudeln mit neuseeländischem Lachs, mal Pfannkuchen mit Käse und Tomaten.
"Heute gibt es Spaghetti Carbonara. Also erstmal ein bisschen Speck anbraten. Und gleich kommt dann noch ordentlich Parmesan drüber und dann ein Ei rein. Und schon fertig."
Ganz so gut schmeckend ist unsere Verpflegung aber nicht immer. Vor allem bei unserer Mehrtageswanderung nicht. Für drei Nächte lassen wir den Wagen stehen, packen unsere Rucksäcke und stapfen los. Mit knapp fünfzehn auf Ginas und zwanzig Kilo auf meinem Rücken schmerzen schon bald nicht nur die Schultern. Wir laufen den Abel Tasman Great Walk. Die 62 Kilometer sind gut ausgebaut und führen durch Wald, entlang der Küste und über gelbe Sandstrände. An einigen Stellen versperrt die Flut den Weg. Also: Schuhe aus und Hosen hochkrempeln.
Die Muschelschalen bohren sich in unsere Füße und das Wasser ist kalt. Trotzdem springe ich am Ende einer Etappe auch mal ins Meer. Abends bauen wir dann unser Zelt auf – direkt am Strand. Dann sitzen wir noch mit anderen Wanderern am Lagerfeuer. Als wir am vierten Tag zufrieden wieder am Auto ankommen, freuen wir uns vor allem auf eines: Duschen.