"For all of these reasons I told my cabinet and caucus members of my decision to step down as leader of the National Party and as Prime Minister."
Dezember 2016. Der Wahlkampf um das Amt des neuen neuseeländischen Premierministers begann mit dem Rücktritt des alten. Acht Jahre lang war John Key von der konservativen Nationalpartei Regierungschef - er drückte Steuer- und Sozialreformen durch, Löhne stiegen, die Arbeitslosenzahlen fielen. Key war haushoher Favorit für einen vierten Wahlsieg, trotzdem schickte sich der frühere Investment-Banker mit 53 Jahren völlig überraschend selbst in den politischen Ruhestand.
Ein Neuseeland "in bester Ordnung"
"Es ist besser aufzuhören, solange dich jeder bittet weiterzumachen", meinte Key. "Die Wähler verdienen einen Wechsel. Ich mag das US-System. Dort kann ein Staatschef acht Jahre im Amt sein und dann ist jemand anderer dran."
Die Wirtschaft schreibt tiefschwarze Zahlen, der Tourismus boomt: John Key hinterließ seinem Nachfolger Bill English ein Neuseeland in bester Ordnung. Bei fast 45 Prozent Wählerzuspruch in Umfragen schien die Wiederwahl der Konservativen nur eine Formsache; Labour, die zweitstärkste Partei im Land, dümpelte bei nicht einmal 20 Prozent - bis die Sozialdemokraten nur zwei Monate vor der Wahl ihren Parteichef feuerten und sich eine radikale Verjüngungskur verpassten.
"I was nominated as leader of the Labour Party, my nomination was unanimously accepted. This team is about to run the campaign of our lives."
Jacinda Ardern - ein politisches Phänomen
Sie ist Gelegenheits-DJ und nicht religiös, trinkt Whisky, lebt mit einem bekannten Fernsehmoderator zusammen und ist mit nur 37 Jahren die jüngste Vorsitzende, die je Labour in Neuseeland angeführt hat. Jacinda Ardern ist das moderne Gesicht einer Traditionspartei - und ein politisches Phänomen. In nur wenigen Wochen gelang es ihr, Labours Wählerschaft zu verdoppeln, mit Ardern an der Spitze legte ihre Partei unerhörte 23 Prozentpunkte zu und zog an den Konservativen vorbei. Nicht, weil Ardern die Regierung schlecht machte, sondern weil ihr viele Neuseeländer zutrauen, es besser zu machen.
"Wir wollen ein Neuseeland, in dem jeder ein Dach über dem Kopf und eine erfüllende Arbeit hat", sagt Jacinda Ardern. "Ein Land, in dem Bildung nichts kostet, Einwanderung streng kontrolliert und der Klimawandel ernst genommen wird. Ein Land, in dem Kinder von Kreativität und nicht von Armut umgeben sind, und das weltweit führenden Umweltschutz betreibt."
Vorab-Triumph über den "staubtrockenen Polit-Verwalter"
Alle lieben Jacinda: "Mehr Flair als der junge Tony Blair" oder "Neuseelands weiblicher Justin Trudeau", schwärmen die Medien. Ardern ist kompetent, direkt und glaubwürdig - ein frischer Wind. Neben ihr sieht der 55-jährige Premier Bill English, ein solider, aber staubtrockener Polit-Verwalter, buchstäblich alt aus. Ardern ist es gelungen, zehntausende Erst-, Jung- und frühere Nichtwähler zu mobilisieren - vor allem Frauen. In Neuseeland grassiert "Jacindamania".
"Jacinda ist eine bemerkenswerte Frau", meint eine Passantin in der Hauptstadt Wellington. "Ich habe immer die Nationalpartei gewählt, aber diesmal gebe ich ihr meine Stimme." Ein Mann meint: "Sie hat das Zeug zum Premier. Wenn sie diesmal nicht gewinnt, dann bestimmt das nächste Mal."
Die Journalistin Audrey Young ist sicher, dass die Frauenstimmen die Wahl entscheiden werden. Frauen lebten nicht in der Vergangenheit, sie dächten an die Zukunft. Und die, glaubt Young, gehöre Jacinda Ardern.
Zu jung für die Regierungsverantwortung
"Sie ist unglaublich klug und hat ihr Herz auf dem rechten Fleck. Ardern spricht Probleme offen an und schlägt vor, wie sie gelöst werden können. Sie hört auf das Volk und ignoriert es nicht. Und obwohl die Politik manchmal ganz schön verrückt sein kann, behält sie immer einen kühlen Kopf."
Die Neuseeland-Wahl am 23. September 2017 war letztes Jahr praktisch schon entschieden, jetzt ist sie ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die noch-regierenden Konservativen werfen Jacinda Ardern vor, dass sie mit 37 und nach nur acht Jahren im Parlament viel zu unerfahren sei, um Regierungsverantwortung zu übernehmen. Aber das hat man vor der Wahl auch über Emmanuel Macron, Justin Trudeau, Donald Trump und Barack Obama gesagt.