Es war denkbar knapp: Im letzten Jahr stand Arvid Boellert, der künstlerische Leiter von Rohkunstbau, ziemlich ratlos in der märkischen Landschaft und wusste kaum noch, wie es weitergehen sollte. Seine schöne Idee, Gegenwartskunst in leer stehenden brandenburgischen Schlössern zu zeigen und damit zugleich dem Bundesland das einzige Kunstfestival von internationalem Rang zu bescheren, schien auf Grund zu laufen. Die öffentlichen Mittel wurden gekürzt, zuletzt hatte man nur noch ein Notquartier in der Potsdamer Villa Kellermann beziehen können; auch inhaltlich überzeugten die Ausstellungen dadurch immer weniger, weil sie stark auf den Ort ausgerichtet sind, an dem das Festival stattfindet.
Schloss Marquardt in einem Potsdamer Vorort, der Spielort für dieses Jahr, war damals so etwas wie der letzte Hoffnungsschimmer für Boellert, ein heruntergekommenes, ehemaliges Rittergut, das zu DDR-Zeiten unter anderem als Institut für Obstbau gedient hatte. Und siehe da: Wer sich heute durch die wuchernden Hecken und die Bauzäune am Eingang geschlagen hat, steht einigermaßen verzückt vor dieser Anlage, die im 19. Jahrhundert im neobarocken Stil erweitert und verziert worden war.
Der Schlosspark und der angrenzende Schlänitzsee bieten ein klassisch morbides Nachwendeidyll, viel ist hier seither noch nicht geschehen, und genau das ist es, was das Rohkunstbau-Festival eigentlich braucht, schon um seinem Namen gerecht zu werden und um das rohkunstbau-typische Ambiente zu schaffen. Die Räume im Inneren des Schlosses sind unrenoviert und gerade nur soweit hergerichtet, dass die Sicherheitsbestimmungen erfüllt werden. Arvid Boellert und sein Kurator Mark Gisbourne haben dem Festival daraufhin das Oberthema "Atlantis" gegeben. Mit mythologisch-ironischem Charme spielt es auf die versunkene Vorgeschichte dieses Ortes und auch auf die untergegangene DDR an, die hier noch immer ihre Spuren hinterlassen hat. So erklärt sich der Untertitel "Hidden Histories - New Identities".
Die eingeladenen Künstler sollen sich, so die Bedingung, jedes Mal auf den Ort und das Thema beziehen, das gelingt nicht allen, aber dieses Mal ist Gisbourne insgesamt eine gute und passende Auswahl gelungen. Lisa Junghanss ist mit ihren Videokollagen die einzige, die sich explizit auf diesen Ort bezieht, denn einige ihrer gefilmten Performances hat sie in oder um Schloss Marquardt veranstaltet. Auf der Suche nach ihrem anderen Ich irrt die Protagonistin, von der Künstlerin selbst gespielt, gespenstergleich durch die geisterhaft ausgeleuchtete Schlosskulisse wie durch ein Fantasiereich der Seelenzustände, von denen keiner dauerhaft und jeder zugleich tragisch und intensiv ist.
Nicht weniger intensiv ist die filmische Metapher "Summertale" von Katarzyna Kozyra, einer der wichtigsten polnischen Künstlerinnen und Tabubrecherinnen der mittleren Generation, die in Deutschland zu Unrecht viel weniger bekannt ist als ihre Generationskollegen Pavel Althamer oder Artur Zmijewski. Kozyra schildert ein Märchenland perfekter Idylle, das von weiblichen Zwergen bevölkert wird, in die Kozyra mit zwei transsexuellen Begleitern einbricht, und durch die folgende Geschlechterverwirrung endet das Märchen in einem Blutbad, das die Zwerginnen na den "Gästen" anrichten.
Dennis Feddersen lässt die Säle im Erdgeschoss mit einer unheimlich wuchernden Plastikskulptur zuwachsen, der Maler Thomas Scheibitz schlägt mit einer Doppelsäule und einem Gemälde eine ironische Brücke zwischen Antike und Moderne und ihrer herrschaftlichen Ikonografie, die auch an diesem Ort immer noch zitiert wird. Vor allem das Zusammenspiel aller Werke mit den nackten und zugleich von versteckter Geschichte geprägten Räumen ist dieses Mal sehr gelungen, vieles bleibt Geheimnis und Andeutung und das Publikum bewegt sich fast vorsichtig wie auf einer eigenen Spurensuche durch eine Geisterszenerie. Rohkunstbau im Schloss Marquardt macht wieder Hoffnung für die Zukunft des Festivals.
Schloss Marquardt in einem Potsdamer Vorort, der Spielort für dieses Jahr, war damals so etwas wie der letzte Hoffnungsschimmer für Boellert, ein heruntergekommenes, ehemaliges Rittergut, das zu DDR-Zeiten unter anderem als Institut für Obstbau gedient hatte. Und siehe da: Wer sich heute durch die wuchernden Hecken und die Bauzäune am Eingang geschlagen hat, steht einigermaßen verzückt vor dieser Anlage, die im 19. Jahrhundert im neobarocken Stil erweitert und verziert worden war.
Der Schlosspark und der angrenzende Schlänitzsee bieten ein klassisch morbides Nachwendeidyll, viel ist hier seither noch nicht geschehen, und genau das ist es, was das Rohkunstbau-Festival eigentlich braucht, schon um seinem Namen gerecht zu werden und um das rohkunstbau-typische Ambiente zu schaffen. Die Räume im Inneren des Schlosses sind unrenoviert und gerade nur soweit hergerichtet, dass die Sicherheitsbestimmungen erfüllt werden. Arvid Boellert und sein Kurator Mark Gisbourne haben dem Festival daraufhin das Oberthema "Atlantis" gegeben. Mit mythologisch-ironischem Charme spielt es auf die versunkene Vorgeschichte dieses Ortes und auch auf die untergegangene DDR an, die hier noch immer ihre Spuren hinterlassen hat. So erklärt sich der Untertitel "Hidden Histories - New Identities".
Die eingeladenen Künstler sollen sich, so die Bedingung, jedes Mal auf den Ort und das Thema beziehen, das gelingt nicht allen, aber dieses Mal ist Gisbourne insgesamt eine gute und passende Auswahl gelungen. Lisa Junghanss ist mit ihren Videokollagen die einzige, die sich explizit auf diesen Ort bezieht, denn einige ihrer gefilmten Performances hat sie in oder um Schloss Marquardt veranstaltet. Auf der Suche nach ihrem anderen Ich irrt die Protagonistin, von der Künstlerin selbst gespielt, gespenstergleich durch die geisterhaft ausgeleuchtete Schlosskulisse wie durch ein Fantasiereich der Seelenzustände, von denen keiner dauerhaft und jeder zugleich tragisch und intensiv ist.
Nicht weniger intensiv ist die filmische Metapher "Summertale" von Katarzyna Kozyra, einer der wichtigsten polnischen Künstlerinnen und Tabubrecherinnen der mittleren Generation, die in Deutschland zu Unrecht viel weniger bekannt ist als ihre Generationskollegen Pavel Althamer oder Artur Zmijewski. Kozyra schildert ein Märchenland perfekter Idylle, das von weiblichen Zwergen bevölkert wird, in die Kozyra mit zwei transsexuellen Begleitern einbricht, und durch die folgende Geschlechterverwirrung endet das Märchen in einem Blutbad, das die Zwerginnen na den "Gästen" anrichten.
Dennis Feddersen lässt die Säle im Erdgeschoss mit einer unheimlich wuchernden Plastikskulptur zuwachsen, der Maler Thomas Scheibitz schlägt mit einer Doppelsäule und einem Gemälde eine ironische Brücke zwischen Antike und Moderne und ihrer herrschaftlichen Ikonografie, die auch an diesem Ort immer noch zitiert wird. Vor allem das Zusammenspiel aller Werke mit den nackten und zugleich von versteckter Geschichte geprägten Räumen ist dieses Mal sehr gelungen, vieles bleibt Geheimnis und Andeutung und das Publikum bewegt sich fast vorsichtig wie auf einer eigenen Spurensuche durch eine Geisterszenerie. Rohkunstbau im Schloss Marquardt macht wieder Hoffnung für die Zukunft des Festivals.