Kommentar
Neuwahl in Großbritannien: Die Tories stehen im Regen

Rishi Sunak verkündet Neuwahlen in Großbritannien für den 4. Juli. Der Premierminister weiß, dass er gescheitert ist, findet unsere Autorin und sieht einen wahrscheinlichen Sieg der Labour-Partei. Keir Starmer sei aber auch kein Hoffnungsträger.

Ein Kommentar von Christine Heuer |
Rishi Sunak im Regen vor 10 Downing Street
Kein ruhmreicher Auftritt: Rishi Sunak steht im Regen und verkündet Neuwahlen. (IMAGO / SOPA Images / IMAGO / Tejas Sandhu / SOPA Images)
Die Tories stehen im Regen. Buchstäblich wie im übertragenen Sinn. Vor dem Eingang zu 10 Downing Street verkündet Rishi Sunak im pitschnassen Anzug eine Neuwahl, die seine Partei eigentlich nur verlieren kann. Wenige Meter entfernt plärrt aus Lautsprechern „Things can only get better“, Labours Wahlkampfhymne von 1997. Tony Blair gewann damals haushoch und regierte Großbritannien 13 Jahre lang. Ein schlechteres Bild hätten die Konservativen kaum abgeben können zum Wahlkampf-Auftakt.
Und warum macht Rishi Sunak das überhaupt? Warum wartet der Premierminister mit den Neuwahlen nicht bis zum Herbst? Bis dahin wären vermutlich ein paar Flugzeuge nach Ruanda gestartet. Oder die Briten hätten an ihren Portemonnaies gemerkt, was die Statistiken nur trocken ausweisen: dass sich die Wirtschaft zu erholen beginnt. Mit so etwas hätten die Konservativen bei den Wählern punkten können. Aber siegen können sie halt nicht mehr. Dafür ist ihre Bilanz der letzten Jahre zu desaströs. Boris Johnson und Liz Truss, verheerende politische Entscheidungen und nicht abreißende Skandale haben das Vertrauen der Bürger in die Tories nachhaltig erschüttert.
Der Premierminister weiß, dass er gescheitert ist. Dass es bei den Wahlen nur noch darum geht, den Schaden zu begrenzen. Vielleicht hatte Rishi Sunak einfach keine Lust mehr, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Vielleicht ist ihm ein Ende mit Schrecken einfach lieber als ein Schrecken ohne Ende. Und wahrscheinlich haben seine Berater recht damit, dass ein paar Monate mehr oder weniger nunmehr einen marginalen Unterschied machen können in der Wählergunst.

Keir Starmer als kleineres Übel

Den Briten stehen nun sechs Wochen Wahlkampf bevor. Es geht um die Wirtschaft, die Migration, die nationale Sicherheit, und es verspricht zäh zu werden. Beide großen Parteien präsentieren sich als Garanten für Stabilität. Die Sozialdemokraten haben den Vorteil, das nach 14 Jahren konservativer Regierungen als Veränderung zum Status quo verkaufen zu können. Labour-Chef Keir Starmer steht zum Auftakt seines Wahlkampfs nicht im Regen. Sondern im Trockenen, vor einem Rednerpult, auf dem nur ein Wort prangt: „Change“. Rechts und links von ihm Standarten mit dem Union Jack. Wenn kein Wunder geschieht, wird dieser Mann am 5. Juli neuer britischer Premierminister.
Er gibt kein schlechtes Bild ab. Ein bisschen grau vielleicht, eine Spur zu technokratisch, aber seriös. So einen hätten die Deutschen längst zum Kanzler gewählt. Aber den Briten hat Starmer zu wenig Charisma. Er ist kein Tony Blair. Sie werden ihn nicht als Hoffnungsträger wählen, sondern als das kleinere Übel. Zu einem schlechten Premierminister muss ihn das nicht machen.