Wann wählt Deutschland eine neue Bundesregierung? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zunächst angekündigt, am 15. Januar im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Sollte sie gegen ihn ausfallen, was allgemein erwartet wird, wurden Neuwahlen im Laufe des März erwartet.
Oppositionspolitiker forderten jedoch vom Kanzler, die Vertrauensfrage sofort zu stellen, damit es schon zum Jahresanfang zu Neuwahlen kommen kann. Das halten laut einer repräsentativen ARD-Umfrage auch zwei Drittel der Bürger (65 Prozent) für richtig. 33 Prozent sprechen sich für eine Vertrauensfrage im Januar aus.
Am 13. November bestätigte Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag die von den Fraktionen der SPD und der Union vorgeschlagenen Daten hin zu einer Neuwahl. Er werde am 11. Dezember die Vertrauensfrage beantragen, so dass der Bundestag am 16. Dezember darüber entscheiden könne, sagt Scholz in seiner Regierungserklärung vor dem Parlament. Gewählt werden soll dann am 23. Februar.
Wie argumentieren SPD-Politiker?
Die rot-grüne Minderheitsregierung will laut der SPD-Co-Vorsitzenden Saskia Esken noch vor Weihnachten "wichtige Vorhaben" umsetzen, "auf die das Land nicht warten sollte". Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. Man drehe sich jetzt „wie bei einem Popanz“ nur um den Termin. Den Menschen gehe es aber darum, ob sie ein höheres Kindergeld bekommen, ob die kalte Progression ausgeglichen werde oder wie es beim Deutschlandticket weitergehe.
Auch Wirtschaftsvertreter drängen darauf, Entscheidungen noch vor möglichen Neuwahlen umzusetzen. Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Hubertus Bardt, forderte Steuersenkungen, eine Begrenzung der Energiekosten sowie Gelder für Infrastruktur und Verteidigung bereitzustellen.
Warum pocht die Union auf frühere Neuwahlen?
Einer Minderheitsregierung aus SPD und Grünen wird es voraussichtlich an Mehrheiten fehlen, um ihre geplanten Vorhaben umzusetzen. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz machte bereits deutlich, dass die verbliebene Regierungskoalition keine unterstützende Mehrheit durch die Union erhalten werde.
„Der normale Weg, den jeder verantwortungsvolle Bundeskanzler einschlagen würde, ist jetzt sofort die Vertrauensfrage zu stellen", so Merz. Es müssten frühe Bundestagswahlen her, damit das Land wieder eine Regierung bekomme, die auch die Mehrheit im Parlament habe. In dieser Wahlperiode werde es keine Entscheidungen mehr geben, die das Land voranbringen.
Anders als das Institut für Deutsche Wirtschaft stimmen Verbände wie der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) oder der Verband der Chemischen Industrie (VCI) dem CDU-Politiker zu. Deutschland brauche schnellstmöglich eine handlungsfähige Regierung, so ZDH-Präsident Jörg Dittrich.
Wieviel Zeit braucht es, um Neuwahlen vorzubereiten?
Laut Verfassung liegt es beim Bundeskanzler, über den Termin zur Vertrauensfrage zu entscheiden. Spricht ihm die Mehrheit des Bundestages nicht mehr ihr Vertrauen aus, hat der Bundespräsident drei Wochen Zeit, um den Bundestag aufzulösen. Neuwahlen müssen laut Grundgesetz dann innerhalb von 60 Tagen nach Auflösung des Bundestages stattfinden.
Bundeswahlleiterin Ruth Brand forderte, mögliche Neuwahlen nicht überstürzt anzugehen. Aus organisatorischen Gründen sei eine Neuwahl bereits im Januar riskant, schrieb Brand in einem Brief an Kanzler Scholz. Bei einem zu früh angesetzten Termin könne die Zeit zu knapp sein, um genügend Wahlunterlagen bereitzustellen oder Wahlvorstände zu schulen. „Das alles könne das Vertrauen in die Wahl verletzen“, sagte Brand.
Was ist der Unterschied zwischen Vertrauensfrage und Misstrauensvotum?
Der wohl wichtigste Unterschied: Selbst bei einer verlorenen Vertrauensfrage bleibt der Bundeskanzler zunächst weiter im Amt. Nur der Bundeskanzler kann auch die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Anders ist es beim sogenannten konstruktiven Misstrauensvotum.
Hier sind es die Abgeordneten des Bundestags, die das Verfahren einleiten können. Um den Bundeskanzler zu stürzen reicht es aber nicht, dass eine parlamentarische Mehrheit gegen ihn stimmt. Vielmehr müssen sich die Parlamentarier auch gleichzeitig auf einen neuen Regierungschef einigen. Wenn der Herausforderer oder die Herausforderin die Mehrheit der Stimmen im Bundestag erreicht, folgt ein Kanzlerwechsel. "Der Bundespräsident muss dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen", heißt es dazu in Artikel 67 des Grundgesetzes.
Es gab in der Geschichte der Bundesrepublik nur ein erfolgreiches Misstrauensvotum: 1982 stürzten CDU/CSU und die Mehrheit der FDP-Fraktion den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD). Helmut Kohl (CDU) wurde per Misstrauensvotum zum neuen Regierungschef gewählt. 1972 scheiterte ein Misstrauensvotum der Union gegen Kanzler Willy Brandt (SPD). Dass CDU und CSU aktuell ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Scholz beantragen, gilt als extrem unwahrscheinlich, da sie bei der Abstimmung wohl auf Unterstützung der AfD angewiesen wären.
Der Weg der Vertrauensfrage wurde in der Geschichte der Bundesrepublik schon fünf Mal aus sehr unterschiedlichen Gründen beschritten: 1972 vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), 1982 von Helmut Schmidt (SPD) und von Helmut Kohl (CDU) und 2001 und 2005 von Gerhard Schröder (SPD).