Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt, nachdem im November die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach nur rund drei Jahren zerbrochen war. Scholz erhielt für seinen Antrag – wie von ihm beabsichtigt – keine Mehrheit. Er bat daraufhin Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, den Bundestag aufzulösen, um den Weg für eine Neuwahl freizumachen.
Es galt als sicher, dass der Bundespräsident der Bitte von Bundeskanzler Scholz folgen würde, das Parlament aufzulösen. Auch die Ansetzung des 23. Februar als Wahltermin durch das Staatsoberhaupt war weithin erwartet worden. Denn auf diesen Tag hatten sich die Fraktionsspitzen von SPD und Union bereits politisch verständigt.
Wie begründete der Bundespräsident die Neuwahl-Entscheidung?
Die bisherige Regierung verfüge ausweislich der Abstimmung über die Vertrauensfrage "über keine Mehrheit mehr", aber auch für eine anders zusammengesetzte Regierung habe er in Gesprächen "keine Mehrheiten erkennen können", sagte Steinmeier. "Deshalb bin ich überzeugt, dass zum Wohle unseres Landes Neuwahlen jetzt der richtige Weg sind."
Das Grundgesetz habe für diese Situation Vorkehrungen getroffen. Der Bundestag arbeite weiter bis sich ein neuer Bundestag konstituiert habe. "Unsere Demokratie funktioniert, auch in Zeiten des Übergangs", so der Bundespräsident. Steinmeier wies auf die lange Auseinandersetzung über das Ob und Wie einer Neuwahl und auf den nun bevorstehenden Wahlkampf hin. Anschließend werde es an der Zeit sein, "dass das Problemlösen wieder zum Kerngeschäft von Politik wird". Dies erwarteten die Menschen. Zugleich rief Steinmeier zu "Respekt und Anstand" im Wahlkampf auf und warnte vor Einflussversuchen von außen.
Was ist der Unterschied zwischen Vertrauensfrage und Misstrauensvotum?
Der Weg der Vertrauensfrage wurde in der Geschichte der Bundesrepublik schon fünf Mal aus sehr unterschiedlichen Gründen beschritten: 1972 vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), 1982 von Helmut Schmidt (SPD) und von Helmut Kohl (CDU) und 2001 und 2005 von Gerhard Schröder (SPD).
Der wohl wichtigste Unterschied zwischen Vertrauensfrage und Misstrauensvotum: Selbst bei einer verlorenen Vertrauensfrage bleibt der Bundeskanzler zunächst weiter im Amt. Nur der Bundeskanzler kann auch die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Anders ist es beim sogenannten konstruktiven Misstrauensvotum.
Hier sind es die Abgeordneten des Bundestags, die das Verfahren einleiten können. Um den Bundeskanzler zu stürzen reicht es aber nicht, dass eine parlamentarische Mehrheit gegen ihn stimmt. Vielmehr müssen sich die Parlamentarier auch gleichzeitig auf einen neuen Regierungschef einigen. Wenn der Herausforderer oder die Herausforderin die Mehrheit der Stimmen im Bundestag erreicht, folgt ein Kanzlerwechsel. "Der Bundespräsident muss dem Ersuchen entsprechen und den Gewählten ernennen", heißt es dazu in Artikel 67 des Grundgesetzes.
Es gab in der Geschichte der Bundesrepublik nur ein erfolgreiches Misstrauensvotum: 1982 stürzten CDU/CSU und die Mehrheit der FDP-Fraktion den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD). Helmut Kohl (CDU) wurde per Misstrauensvotum zum neuen Regierungschef gewählt. 1972 scheiterte ein Misstrauensvotum der Union gegen Kanzler Willy Brandt (SPD). Dass CDU und CSU aktuell ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Scholz beantragen, gilt als extrem unwahrscheinlich, da sie bei der Abstimmung wohl auf Unterstützung der AfD angewiesen wären.
Warum wurden vorzeitige Neuwahlen angestrebt?
Der Minderheitsregierung aus SPD und Grünen fehlte es nach dem Bruch mit der FDP an Mehrheiten im Bundestag. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz machte deutlich, dass die verbliebene Regierungskoalition keine unterstützende Mehrheit durch die Union erhalten werde. Nach der Vertrauensfrage gab es nur bei einigen Gesetzen Zustimmung der Union. Auch Vertreter von SPD, Grünen und FDP waren angesichts des Endes der Ampel für vorgezogene Neuwahlen. Kanzler Scholz hatte allerdings ursprünglich einen Neuwahltermin erst im März angestrebt.
Merz forderte nach dem Bruch der Ampel frühe Bundestagswahlen, damit das Land wieder eine Regierung bekomme, die auch die Mehrheit im Parlament habe. Der CDU-Chef erhofft sich, bald selbst Kanzler zu werden. Die Union steht in aktuellen Umfragen weit vorne in der Wählergunst.
Welche Gesetze wurden seit dem Ampel-Aus noch beschlossen?
Trotz des Scheiterns der Ampel-Regierung wurden von Bundestag und Bundesrat noch Gesetze beschlossen. Nach längerem Ringen gab es Mehrheiten für die Fortführung des Deutschlandtickets in 2025. Auch der bessere Schutz für das Bundesverfassungsgericht wurde beschlossen.
Der Bundesrat billigte in seiner letzten Sitzung des Jahres kurz vor Weihnachten mehrere erst kurz zuvor vom Bundestag beschlossene Gesetze. So kann nun zum Beispiel zum Jahresanfang das Kindergeld steigen und eine Steuerentlastung für Bürgerinnen und Bürger kommt. Das Paket hat ein Gesamtvolumen von rund 13 Milliarden Euro. Dem steht eine Belastung durch einen steigenden Pflegebeitrag gegenüber. Auch im neuen Jahr ist der Bundestag während des Wahlkampfes voll handlungsfähig.
Wie viel Zeit braucht es, um Neuwahlen vorzubereiten?
Laut Verfassung liegt es beim Bundeskanzler, über den Termin zur Vertrauensfrage zu entscheiden. Spricht ihm die Mehrheit des Bundestages nicht mehr ihr Vertrauen aus, hat der Bundespräsident drei Wochen Zeit, um den Bundestag aufzulösen. Neuwahlen müssen laut Grundgesetz dann innerhalb von 60 Tagen nach Auflösung des Bundestages stattfinden.
Laut Artikel 68 Grundgesetz kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen, wenn dieser die Vertrauensfrage verliert. Artikel 39 schreibt vor, dass die Neuwahl dann innerhalb von 60 Tagen stattfinden muss. Steinmeier ließ sich mit seiner Entscheidung nur elf Tage Zeit.
Nach dem Ende der Ampel gab es eine Debatte über den Zeitpunkt der Neuwahl: Bundeswahlleiterin Ruth Brand forderte, mögliche Neuwahlen nicht überstürzt anzugehen. Aus organisatorischen Gründen sei eine Neuwahl bereits im Januar riskant, schrieb Brand in einem Brief an Kanzler Scholz. Bei einem zu früh angesetzten Termin könne die Zeit zu knapp sein, um genügend Wahlunterlagen bereitzustellen oder Wahlvorstände zu schulen. „Das alles könne das Vertrauen in die Wahl verletzen“, sagte Brand. Eine Wahl am 23. Februar aber sei „rechtssicher durchführbar“, sagte die Bundeswahlleiterin.
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