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Neuwahlen in Großbritannien
Kalkül mit Risiko

Viele Briten waren gerade aus ihren Osterferien zurück, als sie die Nachricht ihrer Premierministerin Theresa May überraschte: Die Neuwahlen in Großbritannien sollen am 8. Juni stattfinden - also in nur sieben Wochen. Was bedeutet der vorverlegte Urnengang für den Brexit?

Von Friedbert Meurer |
    Die britische Premierministerin May.
    Die britische Premierministerin May. (dpa/picture-alliance/John Stillwell)
    Von einer Schock-Ankündigung spricht die BBC, die Zeitung "Sun" nennt den bevorstehenden Urnengang die "Schock-Neuwahl". Viele Briten waren gerade aus ihren Osterferien zurück, als sie am Mittag die Nachricht ihrer Premierministerin Theresa May überraschte.
    "Ich habe mich widerstrebend dafür entschieden, dass das Land diese Neuwahlen braucht. Aber sie sind erforderlich, um die Führung des Landes zu stärken und zu stabilisieren. Das Land braucht das, damit wir den Brexit und die Zeit danach meistern können."
    Bis zuletzt hatte May eisern und wiederholt Neuwahlen vor dem geplanten Termin im Jahr 2020 immer abgelehnt. Morgen schon wird nun das britische Unterhaus über den Antrag auf Neuwahlen abstimmen. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit gilt als sicher, nachdem Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn den Neuwahlen zugestimmt hat. Sie sollen bereits am 8. Juni stattfinden, also in nur sieben Wochen.
    Labour liegt derzeit in den Umfragen hinter den Konservativen
    "Ich begrüße die Gelegenheit für uns, die Entscheidung in die Hände des britischen Volks zu legen. Wir wollen diese Regierung zur Rechenschaft ziehen. Ihre ökonomische Agenda ist verfehlt, unsere Schulen und unser Gesundheitssystem werden vernachlässigt und sind unterfinanziert. Wir wollen eine Gesellschaft und Wirtschaft, die für alle da sind – und einen Brexit, der allen zu Gute kommt."
    In den Umfragen liegt Labour mit 23 zu 44 Prozent weit hinter den Konservativen. Im direkten Vergleich scheint Corbyn, dessen Partei von Flügelkämpfen zerrissen ist, chancenlos gegen Theresa May. Dagegen stehen die Chancen der Liberaldemokraten gut, die von 2010 – 2015 Koalitionspartner der Konservativen waren. Sie sind klar pro-europäisch ausgerichtet.
    "Das ist eine kühne, starke und ernste Entscheidung der Premierministerin", lobt Brexit-Hardliner Ian Duncan Smith von den Konservativen. "Die Umfragen zeigen, dass die Menschen sie für die richtige Person halten."
    Was bedeuten die Neuwahlen für den Brexit?
    Die absolute Mehrheit von derzeit acht Stimmen noch einmal deutlich auszubauen - das ist das Ziel Theresa Mays. Sie wolle damit versuchen im Parlament entgegensteuern, die Brexit-Verhandlungen mit der EU zu torpedieren. Damit sind die Opposition gemeint, aber auch Kritiker in den eigenen Reihen. Das Kalkül sei nicht ohne Risiko, befindet der Wahlforscher John Curtice. Sie brauche jetzt einen ganz großen Wahlerfolg, und nicht nur einen einfachen Sieg. Rätselraten herrscht, was die Neuwahlen für den Brexit selbst bedeuten. Er wird jedenfalls, da sind sich fast alle auf der Insel sicher, auf keinen Fall abgeblasen.