Sie gilt als eine der besten, wenn nicht sogar als die beste Zeitung der Welt. Wofür es Gründe gibt - wie diesen: die unglaubliche Zahl von 132 Pulitzer-Preisen, der prestigeträchtigsten jährlichen Auszeichung für amerikanischen Qualitätsjournalismus.
2022 etwa kam ein Preis für die investigative Berichterstattung über Bombenopfer in der Zivilbevölkerung des Irak, von Syrien und Afghanistan dazu. Eine schreckliche Bilanz, die die amerikanischen Streitkräfte gerne vertuschen.
Auch Sportteil mit Preisen ausgezeichnet
Auch Sportjournalisten der New York Times haben diesen Preis erhalten. Hauptsächlich für kluge Nachdenktexte und Meinungsbeiträge.
Für Recherchen und Berichte hatte das Ressort jahrzehntelang viel Platz. Und nutzte ihn, um lokale Teams wie die New York Yankees im Baseball oder im Football die New York Giants intensiv zu begleiten. Und um umfassend über Olympische Spiele, Fußballweltmeisterschaften und bedeutende Tennis- und Golfturniere in aller Welt zu berichten. Und um Skandale aufzudecken.
Niemand machte sich allerdings Illusionen, dass Leser die Zeitung wegen des Sportteils kaufen. Er war mehr gehaltvolles Beiwerk zu Informationen über Politik, Wirtschaft, Kultur und Lebensart. Eine Mischung, für die inzwischen mehr als neun Millionen Digital-Abonnenten Geld ausgeben. Fast 20 Prozent von ihnen leben außerhalb der USA.
Vorbehalte gegenüber der Sportberichterstattung
So gut die Qualität der Sportberichterstattung auch war - die Vorbehalte in den Köpfen der Chefredakteure verschwanden nie. Robert Lipsyte, lange Jahre Sportkolumnist der Zeitung und inzwischen in Rente, beschrieb die Attitüde vor zwei Wochen bei einer Podiumsdiskussion so:
"Die New York Times hat im Grunde beschlossen, dass es sich nicht lohnt, über Sport zu berichten. Außer über europäischen Fußball. Und das, weil man sich zu einem globalen Imperium entwickeln will. Dazu kommt: Sport selbst ist immer weniger, was er zu meiner Zeit war: ein Schmelztiegel und ein Ort, wo Jungs lernen, Männer zu werden. Es ist ein Aspekt der Unterhaltungsindustrie. Wie Marvel Comics und seine Superhelden.”
Lipsyte erwies sich als ein Hellseher, als wenige Tage später diese Nachricht die Runde machte: Die Times stellt ihren Sportteil ein, verteilt die 35 Reporter und Redakteure auf andere Ressorts und setzt ab jetzt ausschließlich auf ein von außen zugeliefertes Online-Modul, das der Verlag Anfang 2022 für sagenhafte 550 Millionen Dollar erworben hatte.
"The Athletic" wird externer Zulieferer von Sportberichten
Es heißt “The Athletic” und ist eine reichweitenstarke, aber seit der Gründung 2016 Verlust schreibende, reine Sport-Plattform. Der Informationsfluss wird von 400 Sportjournalisten bestritten. Sie produzieren jeden Tag eine Flut von rund 150 Artikeln. Dazu Resultate, Tabellen und Statistiken.
Das “Ende einer Ära”, überschrieb das Männermagazin “Esquire” seinen Nachruf. “Eine Tragödie” - so nannte es die Politik- und Kulturzeitschrift “The Nation”. Auch Lynn Zinser empfand es als massiven Hieb. Wie sie dem Deutschlandfunk sagte:
"Ich habe immer noch viele Freunde im Sport-Ressort. Und ich dachte: Wow. Das haut mich wirklich um, auch wenn es schon immer viele Leute bei der Times gegeben hat, die kein Interesse an unserer Mitwirkung hatten. Sport war das ungeliebte Kind. Man hat uns nie wie richtige Journalisten behandelt. Was wir machten, wurde nicht wirklich ernst genommen.”
Lynn Zinser hatte 2015 die New York Times und 28 Jahre Sportjournalismus hinter sich gelassen und lebt heute als Yoga-Lehrerin in North Carolina, weit ab von der Metropole New York. Trotzdem hatte sie das Bedürfnis, diesen radikalen Schnitt zu kommentieren.
Ihr Artikel im Medien-Magazin “Editor&Publisher” machte in den sozialen Medien die Runde. Darin strich sie heraus, was mit dieser Maßnahme unter die Räder kommt: Eine der letzten Bastionen des anspruchsvollen Sportjournalismus.
“Das war keine traditionelle Sportberichterstattung. Wir haben immer versucht, mehr Kontext zu liefern und einen anderen Dreh."
Schon der Ankauf von “The Athletic”, das in der Branche eher als journalistisches Leichtgewicht gilt, hatte viele verstört.
"Sie kaufen also eine Website und einen Stab von Leuten, die alle so über Sport schreiben, wie sie das gar nicht mögen. Das war sehr verwirrend. Kein Wunder, dass Leute generell annehmen, dass es um die Adressenliste und die Abonnenten ging.”
Wenig rosige Zukunft des Sportjournalismus in den USA
Mit anderen Worten: ein Versuch, Reichweite und Einnahmen weiter zu steigern. Und sei es auf Kosten der Qualität.
Die Zukunft für den anspruchsvollen Sportjournalismus wirkt übrigens quer durch alle amerikanischen Medien nicht rosig. Michael Socolow, Journalismus-Professor an der University of Maine in Bangor und Experte für Sportmedien, sieht überall eine Verschiebung tektonischer Platten. Etwa im Kabelfernsehen und der dort verankerten lokalen und regionalen Live-Berichterstattung von allen Teams in den großen Ligen.
“Wir erleben eine Evolution. Im Moment reden wir über Zeitungen und Zeitschriften. Aber was passiert, wenn ein Team entscheidet, mit den Medien unmittelbar in Wettbewerb zu treten? Das dürfte für enorme Probleme sorgen, einschließlich für den Journalismus.“
Das gilt für die USA ganz besonders. Denn es befinden sich alle Medien von Belang in privater Hand. Und es gibt keine öffentlich-rechtlichen Strukturen, die als Korrektiv dienen können.