"Alle Journalisten sind Aktivisten", sagt Nick Davies. Die besten kämpften aus ethischen Motiven, die schlimmsten aus kommerziellen.
"Die britische Presse steckt nicht nur in finanziellen, sondern auch in moralischen Nöten", konstatiert der Guardian Journalist. Und weil es auf der Insel besonders viel Zeitungen gebe, sei auch die Konkurrenz besonders gnadenlos. Echte Recherchen könne sich niemand mehr leisten. So entstünden immer mehr Unwahrheiten.
Nick Davies, Ende 50, sitzt am Schreibtisch, vor ihm liegt ein dickes Manuskript. Titel: "HackAttack". Nicks Recherchen trugen maßgeblich dazu bei, illegale Abhörpraktiken britischer Boulevardzeitungen aus dem Medienimperium von Rupert Murdoch aufzudecken. Der investigative Journalist, der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, ist in privilegierter Position.
"Laut einem Sondervertrag mit dem Guardian muss er pro Jahr höchstens 18 Geschichten abliefern. Oder noch weniger, je nachdem, wie viel Zeit er braucht, um einer Sache auf den Grund zu kommen."
Seit Oktober müssen sich ranghohe Journalisten aus dem Medienimperium von Rupert Murdoch vor dem höchsten Strafgericht in London verantworten, unter ihnen Ex-Chefredakteurin Rebekka Brooks, sowie Andy Coulson, ehemaliger Pressesprecher von Premierminister David Cameron. Das könnte auch für Cameron noch peinlich werden, sagt Nick Davies. Der Prozess, der Monate dauern dürfte, wird von dem Guardian-Journalisten mit Genugtuung verfolgt.
Er habe zwei Jahre lang recherchiert und über 80 Storys veröffentlicht, bis seine Anschuldigungen beachtet wurden, erzählt Nick Davies. Währenddessen sei er von den Zeitungen und Fernsehkanälen des Medienzars Rupert Murdoch als Lügner gebrandmarkt worden.
"Keine andere Zeitung hat damals geholfen. Kein Politiker, nicht einmal die Polizei. Und auch nicht die Pressebeschwerdekommission. Obwohl der Guardian klare Beweise für die Abhöraktionen hatte", so Nick Davies. Die Angst vor Murdochs Presseimperium sei zu groß gewesen.
Und nun also die Frage nach einer Aufsichtsinstanz. Soll das Mutterland der Pressefreiheit wirklich ein Pressegesetz einführen? Ja, sagt Nick Davies. Im Gegensatz zur Mehrheit seiner Kollegen traut er es der britischen Presse nicht zu, sich selbst zu kontrollieren.
Lordrichter Leveson legte einen ausführlichen Bericht zum Abhörskandal vor, in dem er der Presse empfahl, einen unabhängigen Ausschuss zu gründen, dem allerdings kein Redakteur angehören dürfte und der das Recht hätte, Strafen bis zu einer Million Pfund zu erheben. Eine gute Idee, sagt Nick Davies - aber die Reaktionen seiner Kollegen findet er schändlich.
"In den britischen Zeitungen werden Levesons Vorschläge total verzerrt: Sie tun so, als würde er eine staatliche Zensurbehörde fordern. Auch der Gegenvorschlag der Regierung ist bizarr: eine Royal Charter, eine königliche Satzung, die vom Parlament mit einer 2/3 Mehrheit geändert werden könnte".
Nick Davies ist überzeugt: die Fleet Street arbeite auch weiterhin mit unlauteren Mitteln.
"Es macht mich ganz krank, zu sehen, wie die britische Presse das Prinzip der Pressefreiheit missbraucht, nur um weiterhin das Recht zu haben, sich alle Freiheiten zu nehmen."