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Dienstag, 31. August
+++ Deutschland strebt auch nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban in Afghanistan unter bestimmten Bedingungen eine diplomatische Vertretung in der Hauptstadt Kabul an. Wenn es politisch möglich wäre und wenn die Sicherheitslage es erlaubt, dann sollte auch Deutschland in Kabul wieder eine eigene Botschaft haben", sagte Außenminister Maas bei einem Besuch in Katar. Zurzeit sei man in enger Abstimmung vor allem mit den europäischen Partnern zu diesem Thema. "Es gibt ein großes Bedürfnis nach diplomatischer Präsenz, weil wir eben auch viele Themen in Afghanistan haben", betonte Maas. Er nannte die Bemühungen, frühere Mitarbeiter von Bundeswehr und Bundesregierung außer Landes zu bringen. "Mit diesem Thema werden wir es noch lange zu tun haben. Deshalb brauchen wir die Kontakte."
+++ Nach dem Ende des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan hat Bundesaußenminister Maas dazu aufgerufen, sich vor künftigen Militäreinsätzen besser über die Ziele im Klaren zu werden.
Militäreinsätze seien nicht geeignet, um langfristig eine Staatsform zu exportieren, sagte der SPD-Politiker im pakistanischen Islamabad. Der Versuch sei in Afghanistan gescheitert und man müsse die Lehren daraus ziehen. Militärische Interventionen seien allerdings dazu geeignet, eine terroristische Bedrohung, einen Krieg oder die Verletzung von Menschenrechten zu beenden.
Die letzten US-Soldaten waren in der Nacht aus Afghanistan abgezogen. Damit endet ein 20-jähriger internationaler Militäreinsatz, an dem auch die Bundeswehr beteiligt war. Die Nato-Truppe in Afghanistan sollte für eine Stabilisierung des Landes sorgen und bekämpfte die militant-islamistischen Taliban, die jetzt wieder an der Macht sind.
+++ Mit Blick auf eine drohende Fluchtbewegung aus Afghanistan setzen Deutschland und Österreich auf humanitäre Hilfe, um Menschen im Land selbst oder in den Nachbarstaaten zu unterstützen.
Bundeskanzlerin Merkel sagte in Berlin bei einem Treffen mit Österreichs Kanzler Kurz, möglichst vielen Menschen müsse eine Möglichkeit gegeben werden, "in der Nähe ihrer Heimat" versorgt zu werden, sollten sie das Land verlassen.
Die Bundesregierung ist im Gespräch mit europäischen Partnern, um nach einem Weg für reguläre Kontakte mit den Taliban in Kabul zu suchen. Mit Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Italien und den Niederlanden berate die Bundesregierung deshalb darüber, wie eine Präsenz Europas in Kabul aufgebaut werden könne, ohne dass dies einer diplomatischen Anerkennung gleichkomme.
Bei Gesprächen mit den Taliban müsse es darum gehen, gefährdete Menschen wie etwa die ehemaligen Ortskräfte der Bundeswehr nach dem Ende der Luftbrücke noch außer Landes zu bringen. Merkel bezifferte den Kreis der Betroffenen auf bis zu 40.000 Personen.
+++ Vor der Sondersitzung der EU-Innenminister zur Aufnahme afghanischer Flüchtlinge hat Bundesinnenminister Seehofer (CSU) die EU aufgefordert, die Nachbarstaaten Afghanistans "stark" zu unterstützen.
"Wenn wir das richtig und schnell machen, werden wir keine Wiederholung des Jahres 2015 erleben", sagte Seehofer am Dienstag in Brüssel mit Blick auf die damalige Flüchtlingskrise in der EU.
Ziel der europäischen Flüchtlingspolitik müsse es sein, "dass Menschen in der Nähe ihrer Heimat bleiben und auch in der Nähe ihres Kulturkreises".
Ziel der europäischen Flüchtlingspolitik müsse es sein, "dass Menschen in der Nähe ihrer Heimat bleiben und auch in der Nähe ihres Kulturkreises".
+++ Die Vereinten Nationen wollen ihren humanitären Einsatz in Afghanistan nach dem Abzug der letzten amerikanischen Soldaten unvermindert fortsetzen.
Das teilte das UNO-Nothilfebüro in Genf mit. Ein Versorgungsflug der Weltgesundheitsorganisation habe bereits Masar-i-Scharif erreicht, zwei weitere Flüge seien in den nächsten Tagen geplant, sagte eine Sprecherin. Auch das Welternährungsprogramm der UNO werde die humanitäre Luftbrücke aufrechterhalten. Dessen Flugzeuge sollen demnach Kabul anfliegen und möglichst auch Menschen ausfliegen.
+++ Der Grünen-Politiker Trittin wirft der Bundesregierung eine verheerende Bilanz bei der Rettung von Ortskräften aus Afghanistan vor.
Von 40.000 Schutzbedürftigen seien nur 500 bis 600 ausgeflogen worden, sagte Trittin im MDR-Hörfunk. Der Rest von ihnen sei zu Geiseln der militant-islamistischen Taliban gemacht worden. Nun müsse man mit ihnen verhandeln zum Preis von humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und der Legitimation des Regimes. Der Grünen-Abgeordnete kritisierte zudem die aktuellen Bemühungen von Bundesaußenminister Maas. Dessen Konzept, die Nachbarstaaten für die Aufnahme von Flüchtlingen zu bezahlen, sei gescheitert. Die derzeitige Reise des SPD-Politikers in diese Länder sei ein kompletter Schlag ins Wasser gewesen.
+++ Vertreter Deutschlands und Pakistans haben sich gemeinsam für Gespräche mit den afghanischen Taliban ausgesprochen.
Der pakistanische Außenminister Quereshi sagte bei einem Treffen mit Bundesaußenminister Maas in Islamabad, es dürften nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden. Afghanistan brauche Entwicklungs- und Wirtschaftshilfe; es dürfe keinen wirtschaftlichen Kollaps des Landes geben. Auch Maas meinte, man müsse mit den Taliban reden und sie daran messen, ob sie ihre Zusagen etwa für eine weitere Ausreise von Menschen und eine inklusive Regierung in Kabul einhielten. Dies werde man erst in den kommenden Tagen und Wochen sehen. Der SPD-Politiker bot den Nachbarländern Afghanistans erneut finanzielle Hilfen sowie Unterstützung etwa bei der Terrorismus-Prävention an.
+++ Nach dem Abzug der letzten US-Soldaten aus Afghanistan haben die Taliban die Kontrolle über den Flughafen von Kabul übernommen.
Wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, gingen noch vor Sonnenaufgang schwer bewaffnete Extremisten durch die Hangars und über das Rollfeld des militärischen Teils des Flughafens. Unter ihnen waren demnach Angehörige der Taliban-Eliteeinheit Bradri.
Die militanten Islamisten führen nach französischen Regierungsangaben mit Vertretern Katars und der Türkei Gespräche über die Steuerung des Flughafens. Man müsse einen sicheren Zugang verlangen, sagte Außenminister Le Drian dem TV-Sender "France 2". Auf die Taliban müsse weiter Druck ausgeübt werden. Frankreich verhandle aber nicht mit ihnen.
+++ Der US-Politikberater Peter Rough sieht in dem Afghanistan-Abzug einen Richtungswechsel in der amerikanischen Außenpolitik.
Die USA müssten sich vorbereiten auf die großen militärischen Aufgaben im Kerngebiet Europas und im Südchinesischen Meer, sagte Rough im Deutschlandfunk. Es gehe beispielsweise darum, die Ostflanke der NATO abzusichern. Möglicherweise werde man jetzt bei der Anti-Terror-Bekämpfung mehr auf die Türkei setzen.
Rough sieht US-Präsident Biden und dessen außenpolitisches Konzept durch den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan als angeschlagen. Da verspüre man unter den Bündnispartnern Kopfzerbrechen, ob Biden ernstzunehmen sei. "Insbesondere die ersten Bilder ließen einen überlegen, inwiefern die Amerikaner hier kompetent waren", sagte Rough. Rough war Berater im Weißen Haus unter dem Republikaner George W. Bush und arbeitet für die Denkfabrik Hudson-Institute.
+++ Das US-Militär hat nach eigenen Angaben alle Soldaten aus Afghanistan ausgeflogen. Mehrere Stunden vor Ablauf der Frist endete damit der vor 20 Jahren begonnene Militäreinsatz.
General McKenzie, Leiter des US-Zentralkommandos, sagte, dass die letzten Flugzeuge vom Flughafen Kabul kurz vor Mitternacht Ortszeit abgehoben hätten. Transportflugzeuge der Luftwaffe brachten zuletzt das noch verbliebene Truppenkontingent in Sicherheit. Tausende Soldaten hatten zwei Wochen lang die riskante Luftbrücke bewacht. Wie das amerikanische Zentralkommando heute mittteilte, wurden zahlreiche Flugzeuge und gepanzerte Fahrzeuge sowie das Raketenabwehrsystem am Airport zurückgelassen und funktionsunfähig gemacht, damit das Gerät nicht in die Hände der Taliban oder anderer bewaffneter Gruppen fällt.
+++ Der UNO-Sicherheitsrat forderte die islamistischen Taliban auf, weiterhin Menschen ungehindert aus Afghanistan ausreisen zu lassen.
Eine entsprechende Resolution wurde mit 13 Ja-Stimmen angenommen, Russland und China enthielten sich. Die Deutsche Presse-Agentur zitiert aus dem Text der Resolution, in dem auf eine Zusage der Taliban verwiesen wird, wonach Afghanen das Land jederzeit und auf allen möglichen Wegen ungehindert verlassen dürften. Man erwarte nun, dass diese und alle anderen Verpflichtungen eingehalten würden. In der Entschließung wird auch die Notwendigkeit für einen ungehinderten humanitären Zugang hervorgehoben. Zudem müssten die Menschenrechte, insbesondere die Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten gewahrt werden.
+++ Die Innenminister der Europäischen Union beraten heute Mittag in einer Sondersitzung über die Aufnahme Schutzsuchender aus Afghanistan.
Das Treffen hat Slowenien einberufen - als vorsitzendes Land des Europäischen Rates. Auch Bundesinnenminister Seehofer wird dazu erwartet. Nach der Machhtübernahme der Taliban in Afghanistan Mitte August hatten die USA, Deutschland und andere Nato-Länder insgesamt mehr als 100.000 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Die Vereinten Nationen rechnen damit, dass bis Ende des Jahres etwa 500.000 Menschen versuchen werden, aus Afghanistan in ein sicheres Land zu fliehen.
Die EU-Mitgliedstaaten sind allerdings uneinig, ob und wenn ja wie viele Flüchtlinge sie aus Afghanistan aufnehmen würden. Seit der Flüchtlingskrise 2015 haben sie sich bisher noch auf keine neuen, gemeinsamen Asylregeln einigen können.
+++ Pakistan hat angekündigt, nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan keine weiteren Flüchtlinge aus dem Nachbarland mehr aufzunehmen.
Der Botschafter Pakistans in Deutschland, Faisal, sagte dem "Tagesspiegel", sein Land habe mit seinen rund 220 Millionen Einwohnern bereits zwischen drei und vier Millionen Afghanen aufgenommen. Jetzt sollten reichere und größere Länder Geflüchtete von dort beherbergen. Welche Länder dies genau sein sollten, sagte er nicht. Pakistan unterstütze zudem mit allen Kräften die Ausreise , die Grenzen würden erst einmal geöffnet bleiben. Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt mit den Taliban sprechen, um eine Lösung zu finden. Bundesaußenminister Maas will heute in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad Gespräche über die Lage in Afghanistan führen.
Montag, 30. August
+++ Zum ersten Mal seit der Machtübernahme der islamistischen Taliban vor rund zwei Wochen ist ein Flugzeug mit medizinischen Hilfsgütern der Weltgesundheitsorganisation in Afghanistan gelandet. Wie die WHO mitteilte, wurde das Flugzeug von der pakistanischen Regierung zur Verfügung gestellt. Die Maschine, die von Dubai nach Masar-i-Scharif in Norden Afghanistans flog, hatte 12,5 Tonnen Medikamente und andere medizinische Ausrüstung an Bord. Mehr dazu lesen Sie hier.
+++ Der UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, ruft dazu auf, mit dem bevorstehenden Ende der Evakuierungs-Luftbrücke das Leid der Menschen in Afghanistan nicht aus den Augen zu verlieren. "Die Luftbrücke aus Kabul wird in wenigen Tagen enden, und die Tragödie, die sich abgespielt hat, wird nicht mehr so sichtbar sein. Aber sie wird für Millionen Afghanen immer noch eine tägliche Realität sein. Wir dürfen uns nicht abwenden. Eine weitaus größere humanitäre Krise fängt gerade erst an", erklärt Grandi. Die Grenzen müssten offen bleiben und mehr Länder sollten sich daran beteiligen, "diese humanitäre Verantwortung" mit dem Iran und Pakistan zu teilen, die bereits 2,2 Millionen Afghanen beherbergten.
+++ Usbekistan will die Ausreise von Deutschen, Ortskräften und Schutzbedürftigen aus Afghanistan unterstützen. Das Land sei bereit, bei dieser Personengruppe zu helfen, sagte Außenminister Maas in der Hauptstadt Taschkent. Es gehe der Bundesregierung um den Transit jener Menschen, die nach Deutschland geflogen werden sollen. Darüber hinaus habe man keine Anfrage gestellt. Der SPD-Politiker bezeichnete es als sehr schwierige Aufgabe, Menschen über den Landweg aus Afghanistan zu holen. Die Nachbarstaaten Afghanistans wollen laut Maas ihre Politik absprechen. Der Außenminister betonte, es gebe Bemühungen, international alle wichtigen Player an einen Tisch zu bringen. Dabei werde es wichtig sein, auch Russland und China in die Gespräche einzubeziehen.
+++ Das Bundesinnenministerium hat neue Zahlen zu den aus Afghanistan ausgeflogenen Ortskräften bekanntgegeben. Insgesamt sind demnach knapp 140 Ortskräfte mit rund 500 Familienmitgliedern nach Deutschland gekommen. Die "Welt am Sonntag" hatte berichtet, beim deutschen Evakuierungseinsatz seien nur knapp mehr als 100 in Sicherheit gebracht worden. Bundesaußenminister Maas sprach daraufhin von einer wesentlich höheren Zahl an Ortskräften, die aus Afghanistan ausgeflogen worden seien. Man gleiche derzeit mit Partnerstaaten die Passagierlisten der Evakuierungsflüge ab. Deshalb werde es noch eine Weile dauern, bis es eine klare Übersicht gebe.
+++ Mehr als 23.000 Evakuierte aus Afghanistan sind bislang auf dem amerikanischen Truppen-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz gelandet. Dort warteten rund 15.000 von ihnen auf die Weiterreise, teilte das US-Militär mit. Mehr als 8000 Evakuierte seien bereits an andere Orte gebracht worden. Bislang seien im Rahmen der Luftbrücke rund 100 Maschinen mit Evakuierten gelandet, hieß es weiter. Ramstein liegt in der Nähe von Kaiserslautern und ist der größte US-Luftwaffenstützpunkt außerhalb der Vereinigten Staaten.
Seit dem 20. August ist die Air Base ein Drehkreuz für Geflüchtete aus Afghanistan.
+++ Usbekistan ist nach Angaben von Außenminister Maas bereit, als Transitstation für Evakuierungen aus Afghanistan zu dienen. Maas sagte bei einem Besuch in der Hauptstadt Taschkent, Usbekistan wolle Deutsche, afghanische Ortskräfte und Schutzbedürftige, die nach Deutschland ausgeflogen werden sollen, ins Land lassen.
Usbekistan zählt ebenso wie Tadschikistan und Pakistan zu den ersten Anlaufstationen für Menschen aus Afghanistan, die sich auf dem Landweg vor den Taliban in Sicherheit bringen wollen.
+++ Die Terrorgruppe ISIS-K könnte nach Einschätzung des Terrorismusforschers Peter Neumann zu chaotischen Zuständen in Afghanistan beitragen. Der afghanische Ableger des "Islamischen Staates" habe zwar keine Chance, die Macht im Land zu übernehmen, sagte der Wissenschaftler vom Londoner King's College im Deutschlandfunk. Es bestehe aber die Gefahr, dass ISIS ähnlich wie in Libyen, Syrien oder im Irak Chaos schaffe und bürgerkriegsähnliche Zustände produziere. Aus derartigen Entwicklungen schlage die Gruppierung bislang überall dort, wo sie agiere, Kapital. ISIS-K wurde zuletzt für die Anschläge auf den Flughafen von Kabul mit mehr als 100 Toten verantwortlich gemacht.
Neumann geht davon aus, dass die USA künftig mit bestimmten Gruppen der Taliban zusammenarbeiten werden, um den IS in Afghanistan zu bekämpfen. Die Amerikaner brauchten für ihren Kampf gegen den Terror "Alliierte auf dem Boden". Die Taliban könnten die Einzigen sein, die für diese Rolle zur Verfügung stünden, auch wenn man sich dafür in ein moralisches und politisches Dilemma begebe, erläuterte Neumann.
+++ Die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats wollen heute in einer Sondersitzung über die Situation in Afghanistan sprechen. Es geht unter anderem um den Vorschlag Frankreichs und Großbritanniens, in Kabul eine Sicherheitszone einzurichten.
Die Taliban haben derweil zahlreichen Staaten zugesichert, alle Ausländer und Afghanen mit entsprechenden Dokumenten auch nach dem Abzug der US-Truppen vom Flughafen Kabul ausreisen zu lassen. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung unter anderem der USA, mehrerer europäischer Staaten sowie der NATO hervor. Es würden seitens der Länder zudem weiterhin Reisedokumente für schutzbedürftige Afghanen ausgestellt.
+++ Der frühere US-Botschafter in Deutschland, Kornblum, sieht die Afghanistan-Strategie des Westens als gescheitert an. Der Ex-Diplomat sagte im Deutschlandfunk, es sei schon seit mehreren Jahren nicht mehr klar gewesen, ob es sich bei dem Einsatz um ein Anti-Terror-Unternehmen handele oder ob es um "Nation Building" und Entwicklung sowie Demokratisierung gehe. Diese beiden Ziele hätten seit 2002 nebeneinander existiert, ohne dass sich das eine oder andere wirklich durchgesetzt habe. Kornblum führte aus, die Strategie des Nation Building sei vor allem auf Wunsch von Deutschland und der damaligen rot-grünen Bundesregierung konzipiert worden. Sie sei aber von Beginn an zum Scheitern verurteilt gewesen, weil man weder die Ressourcen noch ausreichende Kenntnisse gehabt habe.
+++ Frankreich und Großbritannien haben vorgeschlagen, in der afghanischen Hauptstadt Kabul eine Sicherheitszone einzurichten. Präsident Macron sagte der Zeitung "Le Journal du Dimanche", diese solle unter der Kontrolle der Vereinten Nationen stehen und die Fortsetzung der humanitären Operationen ermöglichen. Über den Vorschlag soll nach den Worten Macrons morgen auf einem Treffen der Vetomächte des UNO-Sicherheitsrates gemeinsam mit Generalsekretär Guterres beraten werden. Auch in Deutschland stieß er Vorschlag auf Zustimmung.
+++ Bundesaußenminister Maas hat eine viertägige Reise in mehrere Länder begonnen, um Gespräche über die Lage in Afghanistan zu führen. Der SPD-Politiker sagte, man wolle die Nachbarstaaten bei der Bewältigung der humanitären und wirtschaftlichen Folgen unterstützen. Es sei im Interesse des Westens einen Kollaps in Afghanistan zu verhindern, der das gesamte Gebiet destabilisiere. Der Minister sprach sich zudem für ein international abgestimmtes Auftreten gegenüber den Taliban aus.
Maas besucht zunächst die Türkei, die für den Weiterbetrieb des Flughafens in Kabul und die Aufnahme von Flüchtlingen große Bedeutung hat. Danach besucht er mit Usbekistan, Pakistan und Tadschikistan drei Nachbarländer Afghanistans, bevor er weiter nach Katar reist.
+++ Links-Fraktionschef Bartsch hat sich für Verhandlungen mit den Taliban in Afghanistan ausgesprochen, um schutzbedürftige Personen außer Landes bringen zu können. Bartsch sagte im Deutschlandfunk, man müsse alles dafür tun, um die Menschen zu retten, die für die Bundeswehr oder andere Organisationen gearbeitet hätten. Dafür werde man mit der Taliban-Miliz reden müssen. Dies werde für Deutschland ein teures Geschäft, warnte Bartsch.
Auch die SPD-Vorsitzende Esken betonte, mit dem Ende des militärischen Evakuierungseinsatzes ende das deutsche Engagement nicht. Daher sei es "absolut richtig", dass die Bundesregierung intensive Gespräche mit den Taliban sowie den Anrainerstaaten führe.
+++ Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen drängt die Bundesregierung zu Erleichterungen bei Asylverfahren und beim Familiennachzug für afghanische Flüchtlinge. Wenn man mehr als ein Jahr auf einen Termin bei der deutschen Botschaft warten müsse, verkenne das die Lebensrealität von Flüchtlingen, sagte die UNHCR-Vertreterin in Deutschland, Lumpp, der "Augsburger Allgemeinen". Diejenigen, die sich in Gefahr befänden, sollten die Möglichkeit haben, Asyl zu suchen und Zugang zu Schutz zu haben. Das betreffe aber nicht Europa, sondern zunächst die Nachbarländer.
+++ Mit den Evakuierungsflügen der Bundeswehr wurden einem Zeitungsbericht zufolge offenbar nur wenige Ortskräfte aus Afghanistan in Sicherheit gebracht. Entsprechende erste Zahlen habe das Bundesinnenministerium in dieser Woche unter anderem im Bundestag präsentiert, berichtet die "Welt am Sonntag". Demnach befanden sich unter den bis Mitte der Woche etwa 4.500 Ausgeflogenen nur knapp mehr als 100 Ortskräfte mit ihren Familien. Insgesamt mache diese Gruppe rund 500 der 4.500 ausgeflogenen Menschen aus. Angesichts der unübersichtlichen Evakuierungen aus Kabul werde allerdings davon ausgegangen, dass sich mehrere Ortskräfte derzeit womöglich noch in anderen europäischen Ländern aufhielten.
+++ Angesichts der jüngsten Entwicklungen in Afghanistan hat CSU-Chef Söder eine neue Strategie für Militäreinsätze gefordert. Der Glaube, nur mit Ausbildung und Sanitätsdienst an internationalen Einsätzen teilnehmen zu können, habe sich als sicherheitspolitischer Trugschluss erwiesen, sagte Söder der "Bild am Sonntag". Um politisch relevant zu sein und ernst genommen zu werden, müsse Deutschland an robusten Einsätzen teilnehmen. Dazu brauche man endlich auch neue Waffensysteme, etwa bewaffnete Drohnen.
Der Migrationsforschers Jochen Oltmer hält Fluchtursachenbekämpfung für den falschen Weg, um Migrationsbewegungen zu verhindern. Das habe in der Geschichte noch nie funktioniert,
sagte Oltmer im Deutschlandfunk.
Angesichts der aktuellen Entwicklungen in Afghanistan plädierte der Wissenschaftler daher eher für eine internationale Konferenz mit Beteiligung der Nachbarstaaten. Migrationsbewegungen ließen sich in der globalisierten Welt nur in der Zusammenarbeit mit anderen Staaten bewältigen.
+++ Die beiden afghanischen Paralympioniken sind zwei Wochen nach der Machtübernahme der Taliban mit Verspätung doch noch in Tokio eingetroffen. Ein Sprecher des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC) erklärte, die Ankunft der Taekwondo-Kämpferin Zakia Khudadadi und des Leichtathleten Hossain Rasouli in der japanischen Hauptstadt sei "extrem emotional" gewesen. Die beiden Athleten waren den Angaben zufolge vergangenes Wochenende im Rahmen des internationalen Evakuierungseinsatzes aus Kabul nach Paris geflogen worden. Von dort wurden sie schließlich unter strenger Geheimhaltung in die japanische Hauptstadt gebracht.
+++ Frankreich will nach Angaben von Präsident Macron gemeinsam mit Großbritannien erreichen, dass am Flughafen von Kabul eine Sicherheitszone eingerichtet wird. Diese solle unter der Kontrolle der Vereinten Nationen stehen und die Fortsetzung der humanitären Operationen ermöglichen, sagte Macron der Zeitung "Le Journal du Dimanche". Damit sollten auch Menschen geschützt werden, die weiter versuchten, Afghanistan zu verlassen. Macron sagte, sein Land werde diesen Plan als Resolutionsvorschlag bei einer am Montag stattfindenden Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats einreichen.
+++ Die US-Botschaft in Afghanistan hat vor einem weiteren Terroranschlag gewarnt. Sie rief alle Amerikaner in der Nähe des Flughafens von Kabul dazu auf, das Gebiet wegen einer – wie es hieß – "spezifischen, glaubwürdigen Bedrohung" sofort zu verlassen. Auch US-Präsident Biden hält einen weiteren Terroranschlag am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul für sehr wahrscheinlich. Er sagte in Washington, seine militärischen Berater gingen von einem erneuten Attentat innerhalb von 24 bis 36 Stunden aus. Für den Anschlag vom Donnerstag kündigte Biden weitere Vergeltung an. Zuletzt hatten die US-Streitkräfte in der vergangenen Nacht im Osten Afghanistans mit einem Drohnenangriff nach eigenen Angaben zwei wichtige Mitglieder der Terrororganisation IS getötet und einen weiteren Mann verletzt.
+++ Der Bundesgeschäftsführer der Partei "Die Linke", Schindler, kritisierte das Vorgehen der USA. Vergeltungsschläge führten nur in eine Spirale der Gewalt. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Strack-Zimmermann sprach von einem Krieg, der die Gefahr einer Eskalation berge. Der SPD-Politiker Schmid empfahl, in Kooperation mit den Nachbarländern Afghanistans den Terrorismus zu bekämpfen.
+++ Nach Deutschland haben weitere Staaten ihre Evakuierungsflüge aus Afghanistan beendet. Das britische Verteidigungsministerium teilte mit, der letzte Flug für Zivilisten habe Kabul verlassen. Am Wochenende würden britische Militärangehörige ausgeflogen. Eventuell könnte eine kleine Anzahl an Afghanen mitgenommen werden. Auch Italien stellte die Rettungsflüge ein. Nach Angaben von Außenminister de Maio wurden 4.900 Afghaninnen und Afghanen in Sicherheit gebracht.
+++ Die radikal-islamischen Taliban bereiten sich nach eigenen Angaben auf die Aufstellung einer Regierung in Afghanistan vor. In den nächsten Tagen wollten sie das vollständige Kabinett bekannt geben, sagte ein Taliban-Sprecher. Die Vertreter von wichtigen Behörden wie dem Gesundheits- und Bildungsministerium sowie der Zentralbank seien bereits ernannt worden. Zudem gehe man davon aus, dass die Turbulenzen der heimischen Währung bald enden dürften.
+++ Das US-Verteidigungsministerium hat die Angaben zum Drohnenangriff auf den afghanischen Ableger der Terrorgruppe IS spezifiziert. Dabei seien zwei IS-Mitglieder in Nangarhar getötet worden, teilte das Pentagon mit. Zunächst war in einer Erklärung des US-Zentralkommandos von einer getöteten Person die Rede gewesen. Von zivilen Opfern sei nichts bekannt. Ob die Personen direkt an dem Selbstmordanschlag vom Donnerstag mit 13 getöteten US-Soldaten und bis zu 169 getöteten Afghanen beteiligt waren, blieb offen.
+++ Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein sind bislang rund 20.500 Evakuierte aus Afghanistan eingetroffen. Mehr als 5.000 seien inzwischen weitergereist, teilte eine Sprecherin der Air Base mit. Alle neu Ankommenden würden registriert, bei Bedarf medizinisch behandelt und in Hangars sowie Zelten untergebracht. Seit Beginn des Rettungseinsatzes am Kabuler Flughafen wurden nach Angaben des Weißen Hauses in Washington bereits 112.000 Menschen durch die USA und ihre Verbündeten aus Afghanistan ausgeflogen, davon allein 6.800 in den vergangenen 24 Stunden. Die Vereinigten Staaten wollen die Evakuierungen bis Dienstag fortsetzen.
+++ Bundeskanzlerin Merkel hat mit dem britischen Premierminister Johnson und dem niederländischen Regierungschef Rutte zur Lage in Afghanistan beraten. Das gab Regierungssprecher Seibert bekannt. Im Mittelpunkt der Gespräche habe das Ende der aktuellen internationalen Evakuierungen über den Flughafen Kabul, die Situation in Afghanistan und der Region gestanden. Die Kanzlerin und die Premierminister seien sich einig gewesen, dass der Ausreise von Staatsangehörigen, Ortskräften und schutzbedürftigen Menschen aus Afghanistan auch weiterhin höchste Priorität zukomme. Johnson betonte, jegliche Anerkennung und Zusammenarbeit mit den Taliban hänge davon ab, ob ausreisewilligen Menschen sicheres Geleit zugesichert werde.
+++ Für den Sicherheitsexperten Christian Mölling ist eine Stabilität für Afghanistan nicht in Sicht. Der Anschlag am Kabuler Flughafen habe gezeigt, dass die Taliban keine Sicherheit gewährleisten können. Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik erklärte im WDR Hörfunk, man könne jedoch in Afghanistan nichts für die Menschen erreichen und keine Menschen retten, ohne die Unterstützung der Taliban. Den Einsatz in Afghanistan bezeichnete Mölling nicht als vollständig gescheitert. Eine Generation von Menschen habe mehr Freiheit erleben dürfen und nun eine alternative Idee davon, was Afghanistan sein könne.
+++ Der Co-Vorsitzende der Grünen, Habeck, hat nach dem Rückzug der Nato aus Afghanistan vor einem Erstarken von islamistischem Terror gewarnt. "Nach der Machtübernahme der Taliban dürfte der islamistische Terrorismus weltweit zu einer wieder wachsenden Gefahr werden", sagte er der "Welt am Sonntag". Auch in Deutschland sei deshalb eine erhöhte Wachsamkeit der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste geboten. "Bekannte Gefährder müssen engmaschig überwacht werden. Und wir müssen sehr genau hinschauen, wer in den hier ankommenden Maschinen saß und sitzt", so Habeck.
+++ Die Bundeswehr hat auch ihr Sanitätsflugzeug aus dem usbekischen Taschkent abgezogen. Es war dort für eine mögliche Rettung Verletzter aus dem afghanischen Kabul stationiert. Nach Angaben der Deutsche Presse-Agentur brach die fliegende Intensivstation nach Deutschland auf. Bereits gestern Abend waren drei Bundeswehrmaschinen aus Taschkent in Wunstorf gelandet, die Soldaten aus dem Einsatz zurückbrachten. Damit endete die größte Evakuierungsoperation in der Geschichte der Bundeswehr. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden mehr als 5.300 Personen aus Kabul in Sicherheit gebracht.
CSU-Chef Söder schlug eine Auszeichnung aller in Afghanistan eingesetzten Bundeswehrsoldaten vor. Diese sollten das Bundesverdienstkreuz oder eine vergleichbare Ehrung bekommen, sagte Söder der "Bild am Sonntag". Die Bundeswehr habe mehr Respekt und Anerkennung verdient.
+++ Nach den Schüssen auf einen Deutschen in der afghanischen Hauptstadt Kabul hat die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet. Es bestehe ein Anfangsverdacht für die "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung", sagte ein Sprecher der Anklagebehörde in Karlsruhe.
Am Freitag der vergangenen Woche war ein Bundesbürger auf dem Weg zur Evakuierung am Kabuler Flughafen angeschossen worden.
+++ Die Taliban haben alle im öffentlichen Gesundheitssektor beschäftigten Frauen aufgefordert, ihre Arbeit wieder aufzunehmen. Das Gesundheitsministerium weise alle weiblichen Mitarbeiter in der Hauptstadt und den Provinzen an, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, hieß es in einem Tweet des Taliban-Sprechers Sabiullah Mudschahid. Der Ausübung ihrer Arbeit stehe nichts im Wege.
Es ist bisher weitgehend unklar, ob Frauen in Afghanistan mit der Machtübernahme der Taliban weiter ihren Berufen nachgehen können.
+++ Die Direktorin der Hilfsorganisation World Vision in Afghanistan, Asuntha Charles, hat an die internationale Gemeinschaft appelliert, ihre Hilfszusagen trotz der Machtübernahme durch die Taliban einzuhalten. "Ohne die Zahlungen wird die Lage in Afghanistan dramatisch", sagte Charles dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Ihre Organisation habe bereits bei der Afghanistan-Geberkonferenz im November in Genf dafür geworben, dass die Geberländer ihre Zahlungen erhöhen, weil die Not so groß sei.
+++ Die Stiftung Wissenschaft und Politik sieht in dem gezielten Drohnenangriff der USA auf den IS in Afghanistan einen Ausdruck von Handlungsfähigkeit.
Terrorismusexperte Steinberg sagte im Deutschlandfunk
, noch wüssten die Geheimdienste der Vereinigten Staaten, wo sich die derzeit gefährlichsten Terroristen aufhielten. Eine derart gezielte Tötung eines führenden Mitglieds der Terrormiliz IS werde in Afghanistan in Zukunft schwieriger. Das Land stehe vor einer schwierigen Zeit. Taliban und IS ständen in direkter Konkurrenz zueinander. Der IS habe mit dem Terroranschlag vom Donnerstag zeigen wollen, dass er am Kampf beteiligt sei und gewisse Ansprüche auf Afghanistan stelle, so Steinberg.
+++ Nach dem Ende des Evakuierungseinsatzes der Bundeswehr in Afghanistan sind noch etwa 300 Deutsche und mehr als 10.000 Afghanen mit Ausreisewunsch beim Auswärtigen Amt registriert. Das teilte das Ministerium in Berlin mit. Bei den Afghaninnen und Afghanen handelt es sich um ehemalige Ortskräfte der Bundeswehr sowie um Personen, denen Deutschland die Aufnahme zugesagt hat, weil sie beispielsweise wegen ihres Engagements für Demokratie und Menschenrechte als schutzbedürftig gelten.
+++ Im Rahmen der Amtshilfe für den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz hat sich der Landkreis Kaiserslautern auf die Ankunft zahlreicher Verletzter aus Kabul vorbereitet. Es könne sich um etwa 30 bis 40 Personen handeln, sagte Landrat Leßmeister. Einzelheiten zu den Verletzten gebe es bislang nicht. Die Rettungsdienste und umliegenden Kliniken seien in Abstimmung mit dem rheinland-pfälzischen Innenministerium alarmiert.
+++ Das US-Militär hat nach eigener Darstellung einen Drohnen-Angriff in der Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans verübt. Er habe sich gegen ein führendes Mitglied des regionalen Ablegers der Terror-Miliz IS gerichtet, hieß es in einer Erklärung. Der Mann – ein so genannter Planer – sei nach ersten Erkenntnissen getötet worden.
Weiterführender Artikel: Taliban, IS und Co. - Die Rivalität der Islamisten in Afghanistan
Der IS hatte den Anschlag am Flughafen in Kabul mit vielen Toten und Verletzten vom Donnerstag für sich reklamiert. Das US-Militär warnte vor einem weiteren Attentat.
+++ US-Präsident Joe Biden hat nach Informationen der Nachrichten-Agentur Reuters seinen Kommandeuren die Erlaubnis zu Angriffen auf Ziele der Islamistengruppe IS-Khorassan erteilt, einem in Afghanistan aktiven Ableger des IS. Diese wird für den Anschlag am Flughafen verantwortlich gemacht. Berater des Präsidenten hätten Biden bereits vor weiteren Terrorangriffen in Kabul gewarnt.
+++ Auch Italien schließt den Rettungseinsatz für seine Staatsbürger und afghanische Ortskräfte ab. Das letzte Flugzeug sei vom Flughafen Kabul gestartet, gibt der italienische Außenminister Luigi di Maio bekannt. Nach Regierungsangaben wurden insgesamt mehr als 4.800 Afghanen ausgeflogen. Die Schweiz gab ebenfalls den Abschluss der Evakuierungen bekannt. Es seien 387 Menschen außer Landes gebracht worden. Japan erkläre, man werde die Flüge erst dann wieder aufnehmen, wenn die Sicherheit am Kabuler Airport wieder gewährleistet werden könne.
+++ Der UNO-Sicherheitsrat fordert eine Bekämpfung des Terrorismus in Afghanistan. Das Land dürfe nicht dazu genutzt werden, um andere Staaten zu bedrohen oder anzugreifen, verlangt der Sicherheitsrat. Zivilisten im Land müssten respektiert und eine Ausreise gesichert sein. Der Anschlag am Flughafen sei besonders abstoßend, da gezielt Zivilisten angegriffen worden seien.
+++ Die Weltgesundheitsorganisation hofft, eine Luftbrücke zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung in die nordafghanische Stadt in den kommenden zwei bis drei Tagen aufbauen zu können. Dabei würden pakistanische Behörden helfen. Kabul könne aus Sicherheitsgründen nicht angeflogen worden. Der für die Region zuständige WHO-Vertreter Brennan sagte, die vorhandene medizinische Versorgung im Land reiche nur noch für ein paar Tage.
+++ Russland will vorerst keine weiteren Militärflugzeuge zur Evakuierung von Menschen nach Afghanistan schicken. Es seien derzeit keine neuen Einsätze geplant, sagte ein Kremlsprecher in Moskau der Agentur Interfax zufolge. "Alles wird davon abhängen, wie sich die Situation entwickelt." Am Mittwoch hatten vier Transportflugzeuge mehr als 500 Menschen aus Afghanistan ausgeflogen. Derzeit halten sich nach früheren Angaben des russischen Botschafters in Kabul noch etwa 100 Russen in dem Land auf. Peskow verurteilte zugleich den Terroranschlag am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul. Damit erhöhe sich die Gefahr weiterer Spannungen.
+++ Am Donnerstag sind nach US-Angaben rund 12.500 Menschen aus Kabul ausgeflogen worden. Etwa 5.000 seien am Nachmittag evakuiert worden. Zu diesem Zeitpunkt war es zu den Attentaten vor dem Flughafen gekommen. Insgesamt sind nach Zählung der US-Regierung seit dem 14. August 105.000 aus Afghanistan evakuiert worden.
+++ Die Bundeswehr lässt ihr Spezialflugzeug für eine mögliche Rettung verletzter Verbündeter aus Afghanistan zunächst auf einer Warteposition in der Region. Der "MedEvac", die fliegende Intensivstation, bleibe noch für noch 24 Stunden in Taschkent, um die US-Streitkräfte bei Bedarf unterstützen zu können, teilte das Verteidigungsministerium am Freitag mit. Den Flughafen der usbekischen Hauptstadt hatte die Luftwaffe als eine Drehscheibe für die Evakuierungsflüge aus Afghanistan genutzt.
+++ Auch Schweden hat den Einsatz zur Rettung Schutzsuchender beendet. "Alles in allem hat das Außenministerium rund 1100 Menschen evakuiert", sagte Ressortchefin Linde bei einer Pressekonferenz. "Alle Ortskräfte der Botschaft und ihre Familienangehörigen sind evakuiert worden." Zuvor hatten neben Deutschland schon Spanien, Norwegen, Großbritannien und Australien die Evakuierungen beendet.
+++ Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer hat die Bundeswehrsoldaten nach dem Ende ihres Evakuierungseinsatzes in Kabul in der usbekischen Hauptstadt Taschkent in Empfang genommen. Kramp-Karrenbauer wurde von Generalinspekteur Zorn und der Wehrbeauftragten des Bundestages, Högl, begleitet. Das Verteidigungsministerium erklärte, die Evakuierungsoperation in Kabul sei hochgefährlich gewesen. Die Bundeswehr habe unter schwersten Bedingungen vor Ort so viele Menschen wie möglich in Sicherheit gebracht. Nach Angaben der Ministerin wurden 5.347 Personen aus mindestens 45 Ländern evakuiert, darunter rund 500 Deutsche und mehr als 4.000 Afghanen. - Am Nachmittag werden die Einsatzkräfte der Bundeswehr im niedersächsischen Wunstorf erwartet.
+++ Ein Sprecher des deutschen Außenministeriums sagt, es seien noch etwa 300 Deutsche in Afghanistan. Deutschland habe insgesamt über 10.000 Afghanen als schutzwürdig identifiziert. Von deutscher Seite seien keine Listen mit Namen an die Taliban übergeben worden. Regierungssprecher Seibert erklärte zudem, die Kanzlerin blicke "voller Entsetzen und Abscheu" auf die Anschläge von Kabul. "Wie unmenschlich, wie niederträchtig solche Anschläge sind, das ist kaum in Worte zu fassen." Hier seien Menschen angegriffen worden, die sich vor den Taliban in Sicherheit bringen wollten. Die Bundesregierung werde auch nach dem Ende der Luftbrücke Schutzsuchenden helfen.
+++ Bundespräsident Steinmeier hat nach dem Anschlag am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul in einem Kondolenzschreiben an US-Präsident Biden sein Mitgefühl zum Ausdruck gebracht. "Wir trauern mit Ihnen um die Opfer des brutalen Anschlags in Kabul. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der tapferen amerikanischen Soldaten, die ihr Leben gaben, um das Leben anderer zu retten", schrieb Steinmeier. Mit ihrem mutigen Einsatz hätten die Soldaten auch die Evakuierung vieler Deutscher und tausender afghanischer Ortskräfte erst möglich gemacht. Deutschland stehe in "dieser schweren Stunde fest an der Seite der Vereinigten Staaten im Kampf gegen den Terrorismus, der so viel Leid über so viele Menschen bringt".
+++ Der Chef der Unions-Bundestagsfraktion, Brinkhaus, warnt nach der schwierigen Evakuierung vor einer Überforderung der deutschen Außenpolitik. "Wir müssen aufpassen, dass wir uns in unseren Möglichkeiten nicht überschätzen", sagt er dem "Spiegel". Er habe manchmal das Gefühl, dass die Deutschen sich für zuständig für alles Unrecht in der Welt hielten. "Wir müssen immer schauen, was können wir wirklich leisten. Darüber brauchen wir einen grundlegenden Diskurs und ein neues gemeinsames gesellschaftliches Verständnis."
+++ Die Taliban signalisieren nach Angaben von Außenminister Maas die Bereitschaft, auch nach Ende der Evakuierungen Ausreisen von Afghanen zuzulassen. Erste Äußerungen der Taliban deuteten darauf hin, dass Afghanen mit gültigen Ausweispapieren das Land verlassen könnten, schreibt Maas in einem Reuters vorliegenden Brief an die Mitglieder der SPD-Fraktion.
Weiterführender Artikel: Die Deutsch-Afghanin Frau L. gehört zu den Menschen die von der Bundesregierung aus Afghanistan ausgeflogen wurden. Einen Teil ihrer Familie musste sie dort zurücklassen. Im Deutschlandfunk berichtet sie von ihrer dramatischen Flucht durch einen Abwasserkanal und die verzweifelte Suche nach Hilfe.
+++ Nach dem Ende der deutschen Evakuierungsmission in Afghanistan sind neun Bundespolizisten am Morgen nach Deutschland zurückgekehrt. Bundesinnenminister Seehofer sagte, die Beamten hätten unter Einsatz ihres Lebens einen gefährlichen und sehr wichtigen Dienst getan, um andere zu schützen und zu retten. Das sei in höchstem Maße ehrenhaft und verdiene großen Respekt. Die Maschine landete am Freitagmorgen auf dem Berliner Flughafen BER. Die an dem Einsatz beteiligten Soldaten der Bundeswehr kehren heute ebenfalls nach Deutschland zurück. Sie werden in Begleitung von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer am Nachmittag erwartet.
+++ Bei einem Terror-Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind mindestens 95 Afghaninnen und Afghanen sowie 13 US-Soldaten getötet worden. Das bestätigten örtliche Kräfte sowie General McKenzie, der das US-Zentralkommando führt. Zahlreiche weitere Menschen seien verletzt worden. Das Pentagon gab die Zahl der verletzten Soldaten mit 18 an.
Nahe dem Kabuler Flughafen hatten sich zwei Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt. Weitere Angreifer eröffneten das Feuer auf Soldaten und Zivilisten.
Die Terror-Organisation IS reklamierte den Anschlag für sich.
+++ Nach den Worten von US-Präsident Biden wurde der Anschlag von einem Ableger der IS-Terrormiliz begangenen. Er ist bekannt unter dem Namen IS-K oder ISIS-K. Das "K" steht für "Khorasan". Als "Provinz Khorasan" nennt der IS die Region, die sowohl afghanisches als auch pakistanisches Gebiet umfasst. Den IS-Kämpfern in Afghanistan sind die militant-islamistischen Taliban nicht radikal genug. Die beiden Gruppen sind verfeindet und haben sich in der Vergangenheit offen bekämpft. Der IS hat in Afghanistan immer wieder schwere Anschläge verübt.
Biden drohte dem IS-K Vergeltung an. Man werde nicht vergeben, nicht vergessen und die Verantwortlichen jagen, bis sie den Preis für ihre Tat bezahlen müssten, sagte er bei einer Stellungnahme im Weißen Haus. Man ahne, wer die Drahtzieher seien, sei sich aber nicht sicher. Er habe um die Erarbeitung von Plänen für Militärschläge gebeten.
Die Evakuierungen würden fortgesetzt, betonte Biden. Man werde sich nicht einschüchtern lassen. Er werde weitere Militärkräfte bereitstellen, falls es nötig sein sollte. Auch nach dem 31. August, dem geplanten Ende der Evakuierungsmission, werde man weiter dafür sorgen, dass alle Amerikaner das Land verlassen könnten. Zugleich betonte er, er stehe nach wie vor zu der Entscheidung, die US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen.
Zuvor hatte Verteidigungsminister Austin betont, die Anschlag werde die Truppe nicht davon abhalten, seinen Aufgaben weiter nachzukommen. Alles andere würde das von den getöteten Soldaten erbrachte Opfer entehren. Austin sprach den Familienangehörigen und Kameraden der getöteten und verletzten US-Soldaten sein Beileid aus.
Biden verschob wegen der Ereignisse in Kabul ein Treffen mit dem israelischen Regierungschef Bennett im Weißen Haus. Er beriet stattdessen mit Außenminister Blinken und Verteidigungsminister Austin über die Lage nach den Anschlägen.
+++ Australien hat Evakuierungsflüge aus Kabul gestoppt. Laut Ministerpräsident Morrison seien australische Militärs nur wenige Stunden vor den Selbstmordanschlägen aus Kabul ausgeflogen worden. Angesichts der prekären Sicherheitslage sei es nicht mehr sicher, die Evakuierungen fortzusetzen. Morrison räumte ein, dass sich noch einige australische Visuminhaber in Afghanistan aufhielten, Canberra aber keine genauen Zahlen kenne. Auch Norwegen setzte seinen Evakuierungseinsatz in Kabul aus. Wie die norwegische Außenministerin Soreide dem Fernsehsender TV2 sagte, seien die Türen des Flughafens nun wegen der jüngsten Anschläge geschlossen worden.
+++ Kabul ist nach Angaben von Nachrichtenagenturen erneut von einer starken Explosion erschüttert worden. Die Ursache war zunächst unklar. Reuters berichtete später mit Verweis auf einen Taliban-Sprecher, das US-Militär habe Munition zerstört.
+++ Mitarbeiter des britischen Außenministeriums haben offenbar auf dem Gelände ihrer Botschaft in Kabul Dokumente mit den Kontaktdaten von Ortskräften verstreut zurückgelassen. Das berichtete die Zeitung "The Times". Die Botschaft wurde inzwischen von den Taliban eingenommen. Ortskräfte sind Afghanen, die für ausländische Streitkräfte oder Hilfsorganisationen gearbeitet hatten - etwa als Übersetzer. Sie werden von den Taliban besonders bedroht.
+++ Die US-Luftwaffe und ihre Verbündeten haben nach Angaben des Weißen Hauses mehr als 100.000 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Der Großteil von ihnen wurde mit amerikanischennFlugzeugen der ausgeflogen.
+++ Der Publizist und ehemalige Korrespondent für die Region, Hasnain Kazim, spricht von einer "blanken Panik" unter der Bevölkerung. Sie wollten unbedingt raus, sagte er im Deutschlandfunk. Sie ahnten, dass ihnen eine ganz, ganz schlimme Zeit unter den Taliban bevorstehe. Auch an den Grenzen zum Iran und zu Pakistan gebe es einen massiven Druck, das Land zu verlassen.
+++ Der Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbands, André Wüstner, hat der Bundesregierung vorgeworfen, nur "bedingt strategiefähig zu sein". Im ARD-Fernsehen sagte er, die Lehre aus den letzten Jahren sei, dass es "unwahrscheinliche Probleme" gebe, etwa bei der Koordination zwischen den Ressorts. "Da ist einiges zu tun und ich hoffe, das gelingt in der nächsten Regierung."
+++ Wegen der Anschlagsgefahren in Kabul sind am Donnerstag alle an der Evakuierungsmission beteiligten deutschen Kräfte mit erhöhtem Tempo aus Afghanistan ausgeflogen worden.
Nach Angaben von Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer sind mittlerweile alle Bundeswehrsoldaten sowie Mitarbeiter des Auswärtigen Amts und der Bundespolizei in der usbekischen Hauptstadt Taschkent eingetroffen. Kramp-Karrenbauer erklärte, die heutigen Anschläge hätten gezeigt, dass eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes nicht möglich gewesen wäre. Auch hätten die Taliban entschieden, die militärischen Evakuierungen nach dem 31. August nicht mehr zu dulden.
Die Ministerin betonte zugleich, auch nach dem Ende der Luftbrücke bleibe Deutschland in der Verantwortung für die Menschen, die nicht mehr ausgeflogen werden konnten.
Inzwischen sind die Bundeswehr-Einheiten, die an dem Evakuierungseinsatz am Flughafen in Kabul beteiligt waren, wieder zurück in Deutschland. In der Nacht traf das letzte Transportflugzeug vom Typ A400M in Frankfurt am Main ein. Wie das Verteidigungsministerium mitteilte, sollen die etwa 600 Soldatinnen und Soldaten, die an der Mission mitgewirkt haben, am Nachmittag am Militärflugplatz in Wunstorf von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer und Generalinspekteur Zorn empfangen werden.
+++ Außenminister Maas erklärte bei Twitter, er verurteile "diesen ekelhaften Anschlag auf das Schärfste". Sein Mitgefühl gehöre den Angehörigen der Opfer.
Der SPD-Politiker sagte in Berlin, man arbeite weiter daran, Ausreisemöglichkeiten für die verbliebenen afghanischen Ortskräfte zu schaffen. Die Arbeit werde solange weiter gehen, bis alle Menschen in Sicherheit seien, für die man in Afghanistan Verantwortung trage. Dafür führe man Gespräche mit verschiedenen Partnern, auch mit den Taliban.
Der Außenminister kündigte an, er werde am Sonntag zu Gesprächen über die jüngsten Entwicklungen nach Tadschikistan, Usbekistan und Pakistan reisen. Dabei werde es um die Frage gehen, wie die internationale Gemeinschaft mit der Situation in Afghanistan umgehen könne und unter welchen Bedingungen Vereinbarungen mit einer neuen Regierung in Kabul möglich seien.
+++ Bundeskanzlerin Merkel sprach von einer "bedrückenden Nachricht". Merkel sagte in Berlin, der Sprengstoffanschlag sei besonders niederträchtig gewesen, weil die Terroristen auf Menschen gezielt hätten, die auf ihre Ausreise, auf Frieden und Sicherheit gehofft hätten. In Gedanken sei man bei den Opfern und ihren Angehörigen. Die Kanzlerin versicherte, auch nach dem Ende der Luftbrücke werde man die Menschen in Afghanistan nicht vergessen.
+++ Nato-Generalsekretär Stoltenberg äußerte sich entsetzt über die jüngsten Ereignisse. Er verurteile den "grausamen Terroranschlag" auf das Schärfste. Priorität der Nato bleibe es, möglichst schnell möglichst viele Menschen in Sicherheit zu bringen. Seine Gedanken seien bei allen Betroffenen des Anschlags und ihren Angehörigen, ergänzte Stoltenberg.
+++ Das britische Militär plant, die Evakuierungsmission trotz des Anschlags in Kabul fortzusetzen. Das sagte Premierminister Johnson nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts. Der Premier verurteilte die Tat als barbarisch und sprach den USA sowie dem afghanischen Volk sein Beileid aus.
+++ UNO-Generalsekretär Guterres lud die Vetomächte des Sicherheitsrats zu einem Krisentreffen ein. Diplomatenkreisen zufolge sollen die Botschafter der USA, Chinas, Russlands, Großbritanniens und Frankreichs am Montag in New York zusammenkommen, um sich über die Lage auszutauschen.
+++ Mit der Aufnahme und Verteilung der Geflüchteten aus Afghanistan befassen sich die EU-Innenminister am kommenden Dienstag in einer Sondersitzung.
Das teilte die slowenische EU-Präsidentschaft mit. Ein Sprecher der EU-Kommission forderte die Mitgliedstaaten auf, bis Mitte September genaue Zusagen zur Aufnahme der Menschen zu machen. Besonders gefährdeten Afghanen sollten sichere Wege nach Europa ermöglicht werden.