Ein junger Journalist ist in Jerusalem angekommen. Seine Aufgabe: Über den Nahostkonflikt zu berichten.
"Was tust du? Wem kannst du trauen? Was wirst du der Welt erzählen?"
Die Spieler des Computerspiels "Global Conflicts: Palestine" schlüpfen in die Rolle des Reporters und erschließen sich so die Hintergründe des Nahostkonflikts.
"Mechanik wird durchschaubarer"
Medienwissenschaftler Andreas Rauscher von der Universität Siegen erklärt die Funktionsweise der so genannten Newsgames:
"Videospiele funktionieren meistens auch als Simulationen, das nutzen diese Newsgames. Weniger, dass eine konkrete Nachricht vermittelt wird, sondern eher, dass ein bestimmter Ablauf oder eine Mechanik durchschaubar wird."
So zeige beispielsweise ein Spiel aus Italien die problematischen Produktionsbedingungen in der Fast-Food-Industrie.
Marcus Bösch ist Journalist und hat zusammen mit seinem Entwickler-Studio selbst Newsgames entwickelt, zum Beispiel zum Abhörprogramm der NSA. Newsgames ließen sich zu sehr vielen Themen entwickeln. Besonders gut eigneten sich Spiele, um Zahlen oder komplexe Systeme erfahrbar zu machen. In einem amerikanischen Spiel planen die Spieler zum Beispiel den US-Haushalt, erklärt Bösch:
"Ich kann jetzt den US-Haushalt quasi selber einstellen, so wie ich das möchte. Rüstungsausgaben auf Null und dann können wir alles in die Bildung stecken. Dann wiederum bin ich aber auch mit gewissen Ergebnissen konfrontiert, ich werd‘ morgen von China und Nordkorea in einer Allianz angegriffen und leider gibt es mein Land nicht mehr (lacht). Dann kann ich deutlich mehr ausprobieren. Und nochmal: Die reinen Zahlen und Daten werden deutlich erfahrbarer."
Auch renommierte Medienhäuser, darunter arte und der SWR, haben schon Newsgames entwickelt. Die BBC lässt Nutzer die Flucht aus Syrien nachspielen – dabei müssen sie eine Vielzahl von Entscheidungen treffen.
"Die Gefahr der Oberflächlichkeit besteht..."
"Als Syrer, der nach Europa gelangen will, musst du entweder durch die Türkei oder durch Ägypten. Was tust du? Ägypten ist günstig, aber die Lebensbedingungen sind schlecht. Die Weiterreise muss übers Meer erfolgen. Die Türkei ist teurer, aber die Lebensbedingungen sind besser. Du könntest Europa via Landweg erreichen."
Je nach Entscheidung kann es passieren, dass der Spieler am Ende im Meer ertrinkt oder von seiner Familie getrennt in einem Flüchtlingscamp festsitzt. In Ergänzung zu dem Online-Spiel erzählen kurze Videos die Geschichten von Augenzeugen.
Ein Newsgame zu entwickeln, sei aufwändig und teuer, sagt Marcus Bösch:
"Ansonsten muss man sich zu einem Thema sehr sehr gut auskennen, wenn man zu diesem Thema ein Spiel machen will, denn man muss da an den Kern der Substanz ran. Damit man wirklich weiß, wie kann man so was dann vermitteln. Weil Spiele zwar kurzweilig sind, aber trotzdem wenn sie gut gemachte Newsgames sind, sind sie inhaltstief und setzen eine ganz schöne Menge an Recherche voraus."
Aber wie inhaltstief können Newsgames tatsächlich sein? Medienwissenschaftler Rauscher:
"Die Gefahr der Oberflächlichkeit besteht eigentlich immer, die besteht im Film genauso, die besteht in einer allzu selektiven Berichterstattung. Die Spiele, glaube ich, haben die Möglichkeit, dass sie vielleicht auf komplexere Weise Hintergründe vermitteln können, aber das erfordert natürlich auch ein entsprechend subtiles Game-Design."
Dass die Spiele nicht die Realität abbilden, sondern eine arrangierte Spielerfahrung darstellen, sei klar. Auch Newsgame-Entwickler Bösch betont:
"Natürlich gilt das Gebot der Sorgfaltspflicht, es gelten journalistische, ethisch moralische Kodexe weiter. Aber ich glaube, man muss jetzt keine Angst haben, dass Menschen, die ein Spiel gespielt haben, morgen vor die Tür treten und denken, dass dieses Spiel Realität ist."