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Newsletter mit Lokaljournalismus
Konkurrenz für die Münsteraner Tageszeitungen

In Münster kommen beide Lokalzeitungen aus dem Aschendorff-Verlag. Für mehr Vielfalt sorgt seit einigen Monaten "Rums" - ein Newsletter mit aktuellen Berichten aus der Stadt. Zum Start mitten in der Corona-Krise war das Abo gratis, nun kostet es acht Euro im Monat.

Von Christopher Ophoven |
Die Innenstadt von Münster Westfalen, hier der Prinzipalmarkt mit Blick auf die römisch-katholische Kirche St. Lamberti.
Die Innenstadt von Münster (Westfalen) (imago images / Eckhard Stengel)
Eigentlich sollte der lokaljournalistische Newsletter "Rums" erst im Mai starten. Dann kam Corona und alles ging ganz schnell, erinnert sich Katrin Jäger, Redakteurin bei "Rums":
"Wir sind im März, glaube ich, gestartet - zu Beginn der Corona-Krise. Nachdem wir erst gedacht hatten, wegen Corona machen wir gar nichts mehr, die Leute wollen nichts von uns wissen. Und dann haben wir aber selber, auch an uns selbst und überhaupt in unserem Umfeld gemerkt: Nie ist dieses Informationsbedürfnis größer gewesen als gerade zu Beginn der Corona-Krise."
Förderer zahlen 40 Euro pro Monat
Katrin Jäger stammt, wie der Rest des "Rums"-Teams, aus Münster - so weit, so gewöhnlich. Viele andere in dem Projekt leben allerdings nicht mehr dort. Gemeinsam waren sie aber der Meinung, dass lokaljournalistisch in Münster etwas passieren müsse. Wegen Corona entschlossen sie sich deshalb, früher als vorgesehen mit "Rums" zu starten und zwar, anders als geplant, kostenlos. Seit heute ist das Angebot kostenpflichtig: acht Euro im Monat – normalerweise.
Katrin Jäger: Wir haben tatsächlich Leute, die auch gesagt haben: ‚Wir können auch ein bisschen mehr geben, nehmt ruhig ein bisschen mehr.‘ Die dürfen uns dann 15 Euro zahlen, über die wir uns natürlich freuen. Und dann gibt es noch das Abo für Großzügige. Das sind auch Förderer, die dies einfach wichtig finden, dass die Stadtgesellschaft noch eine weitere Stimme bekommt. Die zahlen 40 Euro."
"Positiver Effekt für die publizistische Vielfalt"
Die Sehnsucht einiger Münsteraner nach mehr Vielfalt im Lokaljournalismus muss also ziemlich groß sein. In Münster gibt es zwar noch zwei Tageszeitungen, die erscheinen allerdings im gleichen Verlag und haben die gleichen Inhalte. Eine Situation, die es nicht nur in Münster gibt, erklärt der Kommunikationswissenschaftler Professor Bernd Blöbaum:
"Wir haben in Deutschland ja zunehmend das Problem, dass gerade im lokalen, regionalen Raum zu wenige Medien eigentlich noch vorhanden sind, weil immer mehr Konzentration auf diesen Medienmärkten stattfindet und deshalb ist jede Initiative, die hier mehr Vielfalt bietet, ob in Münster oder an anderen Stellen, hier begrüßenswert."
Lokaljournalismus mit Zukunft
Es geht um hyperlokale Newsletter, digitale Strategien und die Suche nach Augenhöhe mit Leserinnen und Lesern – Lokaljournalismus erfindet sich in diesen Tagen neu. @mediares stellt in einer mehrteiligen Reihe unterschiedliche Beispiele vor.
Blöbaum ist Direktor des Instituts für Kommunikationswissenschaften an der Universität Münster. Er kennt die Stadt und "Rums" daher gut.
"Das ist ein sehr positiver Effekt für die publizistische Vielfalt in der Region, in Münster und im Münsterland. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass sich so eine Initiative wie Rums jetzt aufmacht, das Angebot zu erweitern."
"Konkurrenz belebt das Geschäft"
Und damit in Konkurrenz zu den Lokalzeitungen vor Ort tritt, auch wenn die Redakteurin Katrin Jäger das etwas defensiver formuliert:
"Man kann es Konkurrenz nennen. Man kann aber auch sagen, wir sind ja nun wirklich sehr, sehr viel kleiner, wenn auch natürlich effektiv, aber man kann es auch Ergänzung nennen. Also ich glaube einfach, was in einer normalen Wirtschaft auch funktioniert: Konkurrenz belebt das Geschäft. Ich glaube, das ist für eine Stadt einfach wichtig, mehrere Medien zur Verfügung zu haben."
Sicht auf das Haupthaus des Bonner "General-Anzeigers"
Berichterstattung über Corona: Sternstunde für die Regionalen
Die überregionalen Medien berichten längst nicht mehr über jede Neu-Infektion mit Corona. Nun schlägt die Stunde des Lokaljournalismus - zum Beispiel beim "General-Anzeiger" in Bonn.
Tatsächlich ist der Umfang von "Rums" deutlich geringer, als der der regionalen Tageszeitungen. "Rums" ist allerdings auch ein so genanntes hyperlokales Medienangebot. Das verrät auch der Name "Rums", der nichts anderes bedeutet als "Rund um Münster". Das Berichterstattungsgebiet ist also deutlich kleiner als das der Tageszeitungen, und genau das zeichnet solche hyperlokalen Medien aus.
Professionelles Team aus der Branche
Die gibt es in vielen Städten, aber wirtschaftlich erfolgreich sind diese Angebote eher selten. Kaum jemand kann davon leben. Ob "Rums" erfolgreicher sein wird? Für Blöbaum kommt es dabei vor allem auf zwei Dinge an:
"Das Erste ist, dass das gelingen müsste, eine - ich sag mal - Community zu bilden, eine Gemeinschaft von Leserinnen, Lesern die bereit sind, für diesen publizistischen Mehrwert den 'Rums" bietet, auch Geld zu bezahlen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass dieses Medium professionell gemacht sein muss. Und ich denke, da ist 'Rums' auf einem sehr guten Weg."
Professionell sind auf jeden Fall die Bedingungen. Während die meisten hyperlokalen Angebote nur von einer oder zwei Personen betrieben werden, ist das bei 'Rums' anders. Es gibt zwei angestellte Redakteure, freie Mitarbeiter, Leute, die sich um Technik kümmern und um das Geschäftliche. Niemand davon macht das in Vollzeit, aber das Team ist breit aufgestellt und alle kommen aus der Branche.
Prominenter Gesellschafter
Hinzu kommen mehrere Gesellschafter. Einer von ihnen ist der ehemalige "Spiegel"-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer, der auch Kolumnist bei "Rums" ist. Brinkbäumer, der jetzt in New York lebt und selber aus Münster stammt, sagte zum Start von "Rums":
"Also Patriotismus, Lokalpatriotismus ist ein Grund. Begeisterung für Journalismus ist ein Zweiter. Ich glaube, dass es unbedingt engagierten Journalismus braucht, kein Journalismus ist wichtiger als der lokale oder regionale. Und drittens mag ich Abenteuer."
Eine Hand hält ein Smartphone, auf dessen Bildschirm das Plus-Abo der Schwäbischen Zeitung zu sehen ist.
Paywalls im Lokalen: Wer lesen will, muss bezahlen
Journalistische Texte sind im Netz meist kostenlos zugänglich. Doch damit scheint es bald vorbei zu sein: Immer mehr Verlage arbeiten mit sogenannten Plus-Modellen und verlangen Geld für ihre Texte.
Und bei diesem Abenteuer wird es jetzt ernst. Es geht darum, ob "Rums" sich finanziell tragen kann. Zahlen nennen die Macher bislang nicht. Und: Bisher fokussiert sich das Angebot auf den Newsletter. Erst vor kurzem hat die Redaktion allerdings mit längeren Hintergrundartikeln auf der eigenen Homepage angefangen. Je mehr Leser für "Rums" zahlen, desto mehr Texte könnten es werden.
Perspektivisch sind Veranstaltungen geplant. Die Unterschiede zum Angebot der regionalen Tageszeitungen werden also kleiner. Ein entscheidender Unterschied wird aber wohl immer bleiben: "Rums" kommt ohne Papier aus.