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NFL-Nachwuchssichtung in Hennef
Zwischen Talentsuche und Markterweiterung

35 potenzielle Spieler der nordamerikanischen Football-Profiliga NFL absolvierten am Wochenende in Hennef ein Trainingscamp, um sich möglicherweise für einen Kaderplatz zu empfehlen. Auch weil der Markt Deutschland immer wichtiger wird, richtete die NFL ihre Talentsichtung zum ersten Mal in Deutschland aus.

Von Sascha Staat |
In Atlanta treffen die New England Patriots und die Los Angeles Rams im Super Bowl LIII aufeinander.
Der große Traum jedes Footballers: der Superbowl (imago sportfotodienst)
Sprints über 40 Yards, Gewichte stemmen beim Bankdrücken, dazu spezielle Konzentrationsübungen. Insgesamt 35 potenzielle NFL-Akteure werden an diesem Wochenende in der Sportschule Hennef getestet. International Combine heißt dieses Auswahlverfahren. Nur die Besten von ihnen bekommen die Chance ihr Talent für drei Monate in den USA unter Beweis zu stellen, um eines Tages das Trikot der New England Patriots zu tragen oder für die Dallas Cowboys im Stadion vor über 100.000 Zuschauern aufzulaufen. Die NFL International Combine könnte zu einem nicht zu unterschätzenden Sprungbrett werden, denn Spielern, die nicht in den USA geboren wurden, räumt die Liga zusätzliche Kaderplätze ein.
"Die Spieler, die den einzelnen Teams zugeteilt werden, sind der elfte Spieler des zusätzlichen Trainingskaders, in dem sich eigentlich zehn Spieler befinden. Durch den zusätzlichen Platz im Kader fühlen sich die Teams wohler damit, einen dieser Spieler zu testen", erklärt Damani Leech, der als Chief Operating Officer hauptverantwortlich für die Entwicklung des American Football auf internationaler Ebene ist. Nicht nur er hat erkannt, dass die Sportart in den letzten 20 Jahren in Deutschland eine rasante Entwicklung genommen hat.
"Eines von wenigen Ländern mit einer gut organisierten Liga"
"Deutschland ist eines von nur wenigen Ländern, in denen es eine etablierte, gut organisierte Liga gibt. Kanada, Mexiko, Japan und Deutschland sind außerhalb der USA die Länder, in denen auf zumindest auf einem semi-professionellem Level Football gespielt wird."
Seit zwei Jahren sucht die NFL gezielt neue Talente auf der ganzen Welt. Das hat zwei Gründe: "Zunächst gibt es eine begrenzte Anzahl an Spielern, die Football auf hohem Niveau spielen können. Wir wollen sie finden, völlig unabhängig davon aus welchem Land sie kommen. Und wir wollen unsere weltweise Fan-Base vergrößern. Wir wissen, dass wir bessere Chancen haben Fans in bestimmten Ländern zu erreichen, wenn ein Spieler aus ihrem Land mit dabei ist."
Keine andere Liga setzt weltweit mehr Geld um
Eine größere Auswahl bei den Talenten ist ein offensichtlicher Grund für das neu geschaffene Programm, das liebe Geld ein anderer. In der vergangenen Saison setzten die 32 Clubs satte 14,5 Milliarden Euro um, keine andere Liga stößt weltweit in solche Dimensionen vor. Im Fußball bringt es die englische Premier League als umsatzstärkste Liga auf 6,6 Milliarden Euro – nicht einmal die Hälfte. Doch die Macher der NFL haben schon lange das Potenzial erkannt, dass der globale Markt für sie bietet. Nicht umsonst werden seit einigen Jahren drei Spiele pro Saison in London ausgetragen.
Fünf Deutsche sind in Hennef mit dabei. Einer davon ist Kai Wullbrandt von den Frankfurt Universe aus der German Football League. Er ist bereits 25 Jahre alt, doch das hält ihn nicht davon ab, es hier zu versuchen. Mut macht ihm das Beispiel des Stuttgarters Jakob Johnson. Er wurde in dieser Saison der erste Spieler überhaupt, dem der Sprung über das sogenannte International Pathway Program in die NFL gelang. "Er hat etwas sehr Großes geleistet und es bei den Patriots geschafft, auch wenn er jetzt leider verletzt ist. Aber das ist ein Riesenvorbild, was er dort zustande gebracht hat."

Wullbrandt ist ein klassisches Beispiel dafür, dass man sich als Quereinsteiger auch noch mit Mitte Zwanzig im Football etablieren kann. "Zum Football bin ich gekommen, weil ich beim Handball mit meinem Trainer Streit hatte und ich Football ausprobiert habe. Da hatte ein neuer Verein in der Stadt aufgemacht. Ich habe vier Spiele gespielt, bin dann nach Frankfurt gegangen und das ist mein ganzer Football-Background."
Footballspieler Kai Wullbrandt bei der NFL International Combine in Hennef
Maximal acht Spieler werden in die USA eingeladen
Nun kann er einer von maximal acht Spielern werden, die zu Trainingscamps in die USA eingeladen werden, um irgendwann als nächster Deutscher den Sprung in die NFL zu schaffen. Das gelang zuletzt immer mehr Spielern und ist ein weiterer Grund, warum die Liga sich in diesem Jahr für Deutschland als Austragungsort der International Combine entschieden hat. Wullbrandt selbst geht die Sache recht gelassen an.
"Wenn es jetzt nicht klappen sollte, dann wird keine Welt untergehen. Es ist eine sehr tolle Möglichkeit, das zu schaffen. Ich werde es wieder probieren. Aber ich habe zuhause mein Studium noch, ich arbeite, ich habe eine Freundin. Frankfurt ist auch eine coole Stadt mit einem coolen Verein. Von daher passt das."