Der Sonntag ist ein heiliger Tag für American Football-Fans vor allem in den USA. Auch hier in Deutschland ist die Football-Gemeinschaft über die letzten Jahre immer stärker gewachsen. American Football ist eine Fernsehsportart, die auch hier in Deutschland funktioniert.
Die Übertragung des vergangenen Super Bowls, des Endspiels der National Football League, hat dem Privatsender ProSieben Traumquoten beschert. Jetzt am Sonntag versammeln sich wieder viele Fans vor den Fernsehern und Livestreams, um Football zu gucken. In den USA und auch hier in Deutschland.
FC-Bayern-Arena wird zum Football-Tempel
In der Arena des FC Bayern München sind die Fußballtore schon abgebaut. Stattdessen stehen jetzt auf beiden Seiten Goalposts – die Tore vom American Football. Ein überdimensionales U, das aussieht wie eine sehr große, sehr breite Stimmgabel auf einer Höhe von drei Metern. In dieses riesige Tor muss der Football, ein brauner, eiförmiger Ball. Der Treffer zählt dann drei Punkte.
Wichtiger sind diese Tore aber für das eigentlich Ziel des Spiels: wenn ein Team einen Touchdown erzielt und damit sechs Punkte geholt hat, gibt es die Möglichkeit den Ball nochmal durch die Goalposts zu kicken - und damit einen Extrapunkt zu gewinnen. Der Zirkus ist in der Stadt, könnte man sagen. Oder anders: Die umsatzstärkste Sportliga der Welt ist in Deutschland.
NFL hätte "drei Millionen Tickets" verkaufen können
Dafür verantwortlich: Alexander Steinforth, seit Anfang 2022 Geschäftsführer der NFL in Deutschland. Er hat dieses erste Spiel der NFL in München in den letzten Wochen und Monaten mit organisiert und ist jetzt vor allem eins:
"Voller Vorfreude. Das sehen wir glücklicherweise auch auf Seiten der Fans. Man merkt überall die Vorfreude, in München, aber auch darüber hinaus. Insofern… Vorfreude, Anspannung."
Drei Millionen Tickets hätten verkauft werden können, sagt Alexander Steinforth. Die knapp 67.000, die es gab, waren innerhalb von wenigen Minuten restlos ausverkauft. Und das bei einer Preisspanne zwischen 75 und 155 Euro pro Ticket - die VIP-Karten noch teurer.
München-Gastspiel als Teil der internationalen Expansion
Wie viel Umsatz die NFL mit diesem Spiel machen wird, das sind Zahlen, über die niemand spricht. Man kann höchstens schätzen, spekulieren. Aber: Der neue TV-Vertrag für die NFL in den USA greift ab 2023, geht über elf Jahre und spült der Liga circa 108 Milliarden Euro in die alles andere als leeren Kassen. Mit dem Spiel in München erreicht die internationale Expansion der NFL einen weiteren Meilenstein, aber wohl keinen großen Gewinn. Darum geht es laut Alexander Steinforth aber auch nicht:
"Na ja, wir machen das ja nicht, weil wir primär Umsätze erzielen wollen, sondern weil wir merken, dass es eine unheimlich große Nachfrage gibt. Dass in den letzten Jahren auch bei, sag ich mal in Anführungsstrichen 'nur als Medien und TV-Produkt' die Liga hier unheimlich viele Fans gewonnen hat und die Fans einfach wünschen, möglichst nah an der Liga dran zu sein. Das ist für uns, aber auch für die Teams, selbst für die Spieler eine unheimlich spannende Reise. Und für uns steht an erster Stelle, dass wir zum einen den Fans etwas zurückgeben wollen. Aber zum anderen natürlich auch neue Fans gewinnen wollen. Und das ist für uns der Startpunkt aller Internationalisierungsbemühungen."
In den USA ist die NFL ein knallhartes Business. Sportveranstaltung und Entertainment in einem. In der vergangenen Saison hat die NFL einen geschätzten Umsatz zwischen 15 und 16 Milliarden Euro gemacht. Das ist fast so viel, wie Premier League, Bundesliga, La Liga, Serie A und die Ligue 1, also die fünf größten europäischen Fußballligen zusammengenommen. Der Fernsehvertrag spielt da die tragende Rolle.
NFL sucht neue Umsatzquellen
Nicht mit einberechnet werden die Gewinne am eigentlichen Spieltag, dem Gameday. Und genau diese Umsätze, die haben sich im Laufe der Zeit verändert, sagt der US-amerikanische Sportjournalist Ty Schalter:
"Als ich ein Kind war, waren die meisten NFL-Stadien einfach riesige Schüsseln, in die man eine Menge Leute setzen konnte. Heute sind die Stadien mehr wie Themenparks. Es ist mehr wie nach Disneyworld zu gehen, aber für dein Footballteam. Es gibt Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten – in den neugebauten Stadien in L.A. für die Rams und die Chargers gibt es Apartements, da gibt es Kinos. Es ist ein großer, großer Komplex, designed um den Spieltagsumsatz zu maximieren. Und der wird nicht gleich zwischen allen Teams geteilt. Ticketumsätze werden 60-40 geteilt, aber alle diese Extrasachen am Gameday, die gehen nicht an die NFL und deswegen müssen sie ihre TV- und Streamingumsätze erhöhen."
Stadien - designt um den Gewinn zu maximieren. Sport als Event, durchkommerzialisiert von vorne bis hinten - in den USA funktioniert das Sportsystem anders als hier in Deutschland. Bei der NFL macht es den Anschein, dass es recht "einfach" ist, normale Saisonspiele in anderen Ländern stattfinden zu lassen, namentlich Mexiko-Stadt, London und jetzt München. Im kommenden Jahr bekommt auch Frankfurt am Main ein NFL-Spiel der regulären Saison.
Markt der Zukunft für NFL in Europa?
Sportjournalist Ty Schalter hinterfragt, ob die Fans in den USA nicht mehr der wichtigste Markt für die NFL sind: "Ich glaube die NFL hat viele ihrer Fans vernachlässigt, vor allem die Fans, die jünger sind als ich. Auch in den USA. Als ich ein Kind war, hat die NFL sich aggressiv an Kinder vermarktet. Ich denke viele Kinder, die in den 1980ern aufgewachsen sind wie ich, die haben Baseball gesehen und eben die NFL, also Football. Football war aufregend im Fernsehen zu sehen. Wir wurden von diesem TV-Produkt richtig angefixt und wenn du heute NFL schaust gibt es alle zwei Sekunden eine Werbeunterbrechung, die vier Minuten lang ist. Dann wird ein Spielzug gemacht. Und dann geht’s in die nächste Werbeunterbrechung. Das ist langweilig.
Und ich glaube das sinnbildlich dafür, wie die NFL vieles in Bezug auf Fans angegangen ist: 'Lass uns das meiste Geld aus den Fans bekommen und zwar jetzt'. Und das ist eine gewaltige Menge. Und: 'Lass uns einfach darauf vertrauen, dass wir so aufregend und spannend für die kommenden Generationen bleiben.' Ich glaube, dasselbe gilt auch international. Die NFL würde gerne mehr Umsätze auch international bekommen und sie haben die ersten Schritte gemacht. Aber ich glaube nicht, dass sie genug in die internationalen Spiele investiert haben, wie sie könnten."
Den Bedenken, dass diese Entwicklung einer Entkernung des Sports gleichkäme, wenn ein Ligaspiel nicht mehr dort stattfindet, wo die Liga zuhause ist, wenn die Grenzen zwischen Heim- und Auswärtsteam wegfallen, weil es eben kein Heimspiel mehr gibt und Fans und Sport derart entkoppelt werden, diesen Bedenken hält Alexander Steinforth von der NFL in Deutschland entgegen:
"Das sehe ich nicht so, weil wir trennen es ja nicht von den Fans, sondern wir bringen es zu den Fans. Wir haben in Deutschland 17 Millionen Fans oder Interessierte am Sport, an der NFL, am American Football. Und die freuen sich mit Sicherheit mindestens genauso wie all die, vielen Fans in den USA das hier ein Spiel stattfindet. Insofern sehen wir es eher als ein Thema, wo wir noch näher an unsere internationalen Fans ran rücken können."
US-Journalist Schalter: NFL hat nicht ins zukünftige Publikum inverstiert"
Also ist diese Investition in diese internationalen Spiele eigentlich eine Investition in die Zukunft der NFL? Der US-Sportjournalist Ty Schalter: "Ich denke die NFL hat jetzt erst begriffen: Sie haben zehn, zwanzig Jahre nicht in das zukünftige Publikum investiert, weil sie mehr Geld mit denen machen konnte, die sie jetzt gerade haben. Und jetzt versucht sie, zurückzugehen und in diese wachsende Zielgruppe zu investieren. Für die NFL ist es schlau zu sagen: Wir müssen nicht unbedingt einen Gewinn aus dem Spiel in Deutschland machen. Was wir aber machen müssen ist: Eine Menge Leute in Deutschland für NFL Football begeistern und begreifen, es gibt viele solche Fans dort draußen."