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NGOs in Südafrika
Helfer im Kampf gegen Gewalt an Frauen

In kaum einem anderen Land sind gewalttätige Übergriffe auf Frauen so allgegenwertig wie in Südafrika - und das schon seit Jahren. Der Corona-Lockdown hat die Situation verschlimmert, beobachten Hilfsorganisationen. Sie versuchen, den Opfern häuslicher Gewalt behutsam zu einem Ausstieg zu verhelfen.

Von Adrian Kriesch |
Gail Horne aus Cape Town hat im Cravenby Care Centre in Parow, Südafrika mit ihrem 10-jährigen Sohn Glen Schutz gefunden.
Schutz vor Gewalt im Frauenhaus - für viele ein langer Weg, geprägt von Missbrauch, sexueller und psychischer Ausbeutung (pa/Nic Bothma/EPA)
Im Hinterhof von Caroline Peters trifft sich einmal die Woche eine Gruppe von Frauen. Die Stimmung ist gut, viele scherzen – sind froh, während des Lockdowns endlich mal ihr Haus zu verlassen. Und schnell wird es ernster, denn genau das ist für sie das Problem. Die Frauen sind Opfer häuslicher Gewalt, das Treffen eine Selbsthilfegruppe. Die Teilnehmerinnen haben sich entschlossen, dass wir ihr Treffen aufzeichnen dürfen – um andere Frauen zu ermutigen, nicht zu schweigen. Eine junge Frau beginnt, ihren Namen sollen wir nicht nennen.
"Diese Woche war sehr hart für mich, sehr ermüdend. Ich kann nicht mehr schlafen. Aber ich versuche, meine Kinder zu schützen. Ich will, dass das aufhört – aber ich weiß nicht wie. Ich bin am Boden zerstört. Aber ich muss mich trotzdem irgendwie um meine kleinen Kinder kümmern. Ich muss früh aufstehen, ihnen Frühstück zubereiten, Mittag machen."
Allgegenwärtige Gewalt gegen Frauen in Südafrika
Peters hört geduldig zu, nickt. Dann reicht sie eine Packung Taschentücher weiter. Die Aktivistin hat in ihrer Jugend selbst eine Gruppen-Vergewaltigung überlebt – jetzt hilft sie anderen Frauen, die von ihren Männern misshandelt werden.
"Dein Missbrauch ist emotional, psychologisch, sexuell, wirtschaftlich. Er misshandelt dich. Ich frage mich: Wie können wir dich unterstützen, dass du einen Punkt erreichst, an dem du sagst: Es ist genug. Du musst mir jetzt nicht antworten. Aber denk darüber nach."
Gewalt gegen Frauen – in kaum einem anderen Land sind solche Übergriffe so allgegenwertig wie in Südafrika, schon seit Jahren. Jeden Tag gibt es im Schnitt mehr als 100 Anzeigen wegen Vergewaltigung. Doch seit dem Lockdown, sagt Caroline Peters, sei es noch schlimmer.
"Die häusliche Gewalt ist schlimmer geworden. Die Männer sind frustriert. Sie sind in ihrem Zuhause gefangen, aufgewühlt, wütend. Ein gewalttätiger Mann kann nicht mehr raus – also bleibt die Gewalt im Haus."
Kim spricht als nächste in der Runde. Alkohol, Drogen, ein prügelnder Partner – bisher Alltag, jetzt will sie da raus.
"All das, was du gesagt hast, habe ich auch durchgemacht. Ich muss euch etwas Wichtiges sagen, und deshalb stehe ich besser auf. Ich habe eine Entscheidung gefällt – und es noch niemanden gesagt. Genug ist genug. Ich kann so nicht mehr leben. Mein Freund schlägt mich, vor meinem eigenen Kind. Ich kann ihn so nicht lieben. Ich werde meine Tasche nehmen und komme nicht mehr zurück."
Aids-Prävention in Südafrika - "Sie sterben lieber, als Kondome zu nutzen"
Südafrika hat eine der höchsten HIV-Infektionsraten weltweit. Aufklärungsarbeit ist nicht einfach: Denn noch immer ranken sich viele Mythen um HIV, und viele Männer weigern sich, Kondome zu benutzen.
Wochenlange, vorsichtige Überzeugungsarbeit
Es ist ein mutiger, großer Schritt. Caroline Peters hat seit Wochen vorsichtig versucht, Kim davon zu überzeugen – und bereits eine Notunterkunft gefunden. Jetzt soll es schnell gehen. Kim geht nach Hause, packt ihre Tasche. Eine Stunde später setzt sich Peters in ihr Auto, um sie abzuholen.
"Wir bringen Kim jetzt in eine Notunterkunft. Das wäre eigentlich die Aufgabe der Polizei. Aber dann müssten wir noch einen Tag länger warten."
Ihr sechsjähriger Sohn steigt froh ins Auto – doch dann kommt der Freund. Ein gefährlicher Moment, er weiß von nichts. Seit 18 Jahren lebt Kim mit ihm in einer Beziehung voller Gewalt und Drogen. Sie selbst hat erst vor einer Woche aufgehört, Christal Meth zu nehmen. Er ist überrascht – aber es bleibt friedlich. Im Auto: Erleichterung. Kim nimmt ihren Sohn in den Arm.
"Jetzt bist du sicher. Mami ist bei dir. Wo wir jetzt hinfahren, gibt es keine Gewalt mehr. Die Leute dort haben uns lieb. Du wirst eine bessere Mama haben – ohne Rauchen, Drogen und Gewalt."
Nach einer Stunde Fahrt sind sie am Ziel.
"Bist du nervös", fragt Peters Kim. Sie nickt.
"Ich merke immer wieder, dass es eine Erleichterung für die Frauen ist, wenn sie diesen Schritt gewagt haben. Ich freue mich sehr, dass Kim hier ist."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Probleme verschärften sich nach dem Lockdown
Cathy Cronier – die Leiterin der Notunterkunft - nimmt Kim und ihren Sohn in Empfang – in Schutzkleidung. Zunächst werden sie auf Corona-Symptome abgefragt. Cronier sagt, dass die Fälle am Anfang des Lockdowns nicht gestiegen sind, sondern erst, nachdem der Lockdown nach drei Wochen verlängert wurde.
"In der letzten Woche sind die Zahlen außer Kontrolle geraten. Noch mussten wir niemanden abweisen. Ich weiß aber nicht, wie lange das so bleibt. Wir haben gerade weniger als zehn Betten frei."
Insgesamt gibt es 400 Notunterkunftbetten in der Region Westkap. Kim ist froh, dass sie jetzt für drei Monate mit ihrem Sohn in der Notunterkunft bleiben kann, die Probleme zu Hause hinter sich lassen kann.
Doch die Probleme des Landes dürften sich in der Zeit zuspitzen. Noch sind die Fallzahlen vergleichsweise niedrig. Der Höhepunkt der Coronapandemie wird erst zwischen Ende Juni und August erwartet, und schon jetzt steigen die Infektionszahlen rasant.