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Sie schwenken Flaggen, tragen die bunten T-Shirts der Sandinisten. Die Partei von Präsident Daniel Ortega zeigt Präsenz an den wichtigen Kreuzungen und Verkehrskreiseln in Nicaraguas Hauptstadt Managua. Viele Jugendliche stehen hier stundenlang und bekommen dafür ein Mittagessen – andere tief überzeugte Sandinisten loben ihren Comandante:
"Alles, alles hat sich geändert. Am Wichtigsten ist, dass Daniel Ortega wirklich an die Armen denkt."
"Ich halte zu Daniel und der revolutionären Regierung. Es gibt Programme, damit die Leute nicht hungern müssen und ein Dach über dem Kopf haben. Und kürzlich nach dem Hurrikan hat Daniel uns mit Lebensmitteln und Unterkünften geholfen."
Seit fünf Jahren regiert Daniel Ortega wieder in Nicaragua. Die Sozialprogramme der Sandinisten machen ihn bei vielen Armen beliebt. Das Geld dafür kommt aus dem ölreichen Venezuela. Der sozialistische Präsident Hugo Chavez unterstützt seinen nicaraguanischen Verbündeten Ortega jährlich mit etwa einer halben Milliarde Dollar. Und Chavez´ Mann in Managua kann nun ziemlich sicher mit seiner Wiederwahl rechnen.
Nicaragua ein linkes Vorzeigeland? Nein, sagen viele von Ortegas früheren Weggefährten. Etwa Sergio Ramirez. Er war in den achtziger Jahren Vize-Präsident unter Daniel Ortega und hält ihn inzwischen für eine Gefahr für die Demokratie:
"Ich hätte damals nicht gedacht, dass er sich zu einem marxistischen Caudillo verwandelt, dem es nur darum geht, an der Macht zu bleiben. Die Situation im Land hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert - trotz seines Populismus und der Verteilung von Geschenken. Immer noch lebt die Hälfte der Bevölkerung mit weniger als zwei US-Dollar am Tag. Die Gelder von Chavez haben nicht geholfen, die Strukturen zu verändern. Das Geld wurde verschenkt, um Stimmen zu gewinnen."
Ein Blick zurück: Ende der siebziger Jahre. Die Sandinisten stürzen den langjährigen Diktator Anastasio Somoza, dessen Familie das Land jahrzehntelang ausgeplündert hatte. Eine breite Bewegung war das damals. Überzeugte Linke wie Daniel Ortega, Intellektuelle und auch Teile der bürgerlichen Opposition waren anfangs dabei. Ein gerechteres Land sollte entstehen. Umverteilung zugunsten der Armen, Landreform aber auch Demokratie und Pluralismus. Kein Beton-Sozialismus wie im Ostblock. Der Klang der Revolution unter Palmen lockte auch viele deutsche Linke an. Etwa Monika Fredebrecht aus Detmold. Sie kam 1981 nach Nicaragua:
"Das was so fantastisch war, es war so ein Enthusiasmus in der Luft. Alle Leute waren begeistert, machten irgendwas, stellten die verrücktesten Sachen auf die Beine von heute auf morgen, ohne irgendwelche Vorbereitung, ohne Planung, ohne alles. Und irgendwie war das eine unheimlich positive Atmosphäre."
Aber Nicaragua geriet zwischen die Fronten des Ost-West-Konfliktes. US-Präsident Reagan unterstützte die Contra-Rebellen in ihrem Krieg gegen die Sandinisten. 50.000 Menschen kamen ums Leben. Dazu die wirtschaftliche Auszehrung wegen des Krieges. Und als der Ostblock Ende der achtziger Jahre zusammenbrach, wurden die Sandinisten und Präsident Daniel Ortega kurz danach abgewählt. Ende eines Traums.
Daniel Ortega und seine Sandinisten heute: Der Wahlkampfsong "Nicaragua wird siegen" kommt mit der Melodie von "Stand by Me". Der Präsident lächelt versonnen von Plakaten mit der Aufschrift "christlich, sozialistisch und solidarisch". Mit den Sandinisten wurde eines der schärfsten Abtreibungsverbote der Welt verabschiedet. Und der erzkonservative Ex-Kardinal Obando macht Werbung für Ortega – nicht unwichtig in einem so christlichen Land, auch wenn die katholische Amtskirche Ortega immer wieder kritisiert. Manche bescheinigen dem Präsidenten, dass er sich vom linken Ideologen zum Pragmatiker der Macht gewandelt hat. Andere werfen ihm Machtmissbrauch und Rechtsbeugung vor. Eigentlich dürfte Ortega laut Verfassung gar nicht mehr antreten, eine unmittelbare Wiederwahl ist nicht vorgesehen. Aber das oberste Gericht und die Wahlbehörde haben ihn trotzdem zugelassen. Aus Sicht von Dora Maria Tellez, einer früheren Kämpferin der Sandinisten, zeigt das, wie stark Ortega den Staatsapparat inzwischen im Griff hat:
"Daniel Ortega ist Kandidat, obwohl es ganz klar gegen die nicaraguanische Verfassung verstößt. Aber er kontrolliert das Justizsystem, den Wahlrat, einen Teil der Richter und jetzt auch den Polizeiapparat. Das bedeutet, dass sich in Nicaragua der gesamte Apparat in einem Zustand der Illegalität befindet. Dank der Eingriffe von Ortega."
Solche Kritik vieler seiner früheren Weggefährten ficht Ortega nicht an. Er sieht sich immer noch in der Tradition der sandinistischen Revolution, der alten Werte:
"Ich habe mein ganzes Leben lang gekämpft und jeder Tag hat mich mehr verpflichtet. Wie viele Genossen und Genossinnen sind in diesem Kampf gefallen? Tausende! Es ist ihr vergossenes Blut, das mich bewegt, heiliges Blut. Deswegen mache ich weiter, auch wegen der Menschen, die an uns glauben. Und das gibt uns Kraft, weiterhin zu kämpfen."
Daneben kann Ortega auf das Wahlrecht setzen. 35 Prozent der Stimmen reichen ihm, um Präsident zu bleiben, wenn der Zweitplatzierte nicht mehr als 30 Prozent bekommt. Und die Opposition ist zerstritten. Gleich vier Kandidaten treten gegen Ortega an. Leichtes Spiel für den Präsidenten am Sonntag.
Sie schwenken Flaggen, tragen die bunten T-Shirts der Sandinisten. Die Partei von Präsident Daniel Ortega zeigt Präsenz an den wichtigen Kreuzungen und Verkehrskreiseln in Nicaraguas Hauptstadt Managua. Viele Jugendliche stehen hier stundenlang und bekommen dafür ein Mittagessen – andere tief überzeugte Sandinisten loben ihren Comandante:
"Alles, alles hat sich geändert. Am Wichtigsten ist, dass Daniel Ortega wirklich an die Armen denkt."
"Ich halte zu Daniel und der revolutionären Regierung. Es gibt Programme, damit die Leute nicht hungern müssen und ein Dach über dem Kopf haben. Und kürzlich nach dem Hurrikan hat Daniel uns mit Lebensmitteln und Unterkünften geholfen."
Seit fünf Jahren regiert Daniel Ortega wieder in Nicaragua. Die Sozialprogramme der Sandinisten machen ihn bei vielen Armen beliebt. Das Geld dafür kommt aus dem ölreichen Venezuela. Der sozialistische Präsident Hugo Chavez unterstützt seinen nicaraguanischen Verbündeten Ortega jährlich mit etwa einer halben Milliarde Dollar. Und Chavez´ Mann in Managua kann nun ziemlich sicher mit seiner Wiederwahl rechnen.
Nicaragua ein linkes Vorzeigeland? Nein, sagen viele von Ortegas früheren Weggefährten. Etwa Sergio Ramirez. Er war in den achtziger Jahren Vize-Präsident unter Daniel Ortega und hält ihn inzwischen für eine Gefahr für die Demokratie:
"Ich hätte damals nicht gedacht, dass er sich zu einem marxistischen Caudillo verwandelt, dem es nur darum geht, an der Macht zu bleiben. Die Situation im Land hat sich in den letzten Jahren nicht verbessert - trotz seines Populismus und der Verteilung von Geschenken. Immer noch lebt die Hälfte der Bevölkerung mit weniger als zwei US-Dollar am Tag. Die Gelder von Chavez haben nicht geholfen, die Strukturen zu verändern. Das Geld wurde verschenkt, um Stimmen zu gewinnen."
Ein Blick zurück: Ende der siebziger Jahre. Die Sandinisten stürzen den langjährigen Diktator Anastasio Somoza, dessen Familie das Land jahrzehntelang ausgeplündert hatte. Eine breite Bewegung war das damals. Überzeugte Linke wie Daniel Ortega, Intellektuelle und auch Teile der bürgerlichen Opposition waren anfangs dabei. Ein gerechteres Land sollte entstehen. Umverteilung zugunsten der Armen, Landreform aber auch Demokratie und Pluralismus. Kein Beton-Sozialismus wie im Ostblock. Der Klang der Revolution unter Palmen lockte auch viele deutsche Linke an. Etwa Monika Fredebrecht aus Detmold. Sie kam 1981 nach Nicaragua:
"Das was so fantastisch war, es war so ein Enthusiasmus in der Luft. Alle Leute waren begeistert, machten irgendwas, stellten die verrücktesten Sachen auf die Beine von heute auf morgen, ohne irgendwelche Vorbereitung, ohne Planung, ohne alles. Und irgendwie war das eine unheimlich positive Atmosphäre."
Aber Nicaragua geriet zwischen die Fronten des Ost-West-Konfliktes. US-Präsident Reagan unterstützte die Contra-Rebellen in ihrem Krieg gegen die Sandinisten. 50.000 Menschen kamen ums Leben. Dazu die wirtschaftliche Auszehrung wegen des Krieges. Und als der Ostblock Ende der achtziger Jahre zusammenbrach, wurden die Sandinisten und Präsident Daniel Ortega kurz danach abgewählt. Ende eines Traums.
Daniel Ortega und seine Sandinisten heute: Der Wahlkampfsong "Nicaragua wird siegen" kommt mit der Melodie von "Stand by Me". Der Präsident lächelt versonnen von Plakaten mit der Aufschrift "christlich, sozialistisch und solidarisch". Mit den Sandinisten wurde eines der schärfsten Abtreibungsverbote der Welt verabschiedet. Und der erzkonservative Ex-Kardinal Obando macht Werbung für Ortega – nicht unwichtig in einem so christlichen Land, auch wenn die katholische Amtskirche Ortega immer wieder kritisiert. Manche bescheinigen dem Präsidenten, dass er sich vom linken Ideologen zum Pragmatiker der Macht gewandelt hat. Andere werfen ihm Machtmissbrauch und Rechtsbeugung vor. Eigentlich dürfte Ortega laut Verfassung gar nicht mehr antreten, eine unmittelbare Wiederwahl ist nicht vorgesehen. Aber das oberste Gericht und die Wahlbehörde haben ihn trotzdem zugelassen. Aus Sicht von Dora Maria Tellez, einer früheren Kämpferin der Sandinisten, zeigt das, wie stark Ortega den Staatsapparat inzwischen im Griff hat:
"Daniel Ortega ist Kandidat, obwohl es ganz klar gegen die nicaraguanische Verfassung verstößt. Aber er kontrolliert das Justizsystem, den Wahlrat, einen Teil der Richter und jetzt auch den Polizeiapparat. Das bedeutet, dass sich in Nicaragua der gesamte Apparat in einem Zustand der Illegalität befindet. Dank der Eingriffe von Ortega."
Solche Kritik vieler seiner früheren Weggefährten ficht Ortega nicht an. Er sieht sich immer noch in der Tradition der sandinistischen Revolution, der alten Werte:
"Ich habe mein ganzes Leben lang gekämpft und jeder Tag hat mich mehr verpflichtet. Wie viele Genossen und Genossinnen sind in diesem Kampf gefallen? Tausende! Es ist ihr vergossenes Blut, das mich bewegt, heiliges Blut. Deswegen mache ich weiter, auch wegen der Menschen, die an uns glauben. Und das gibt uns Kraft, weiterhin zu kämpfen."
Daneben kann Ortega auf das Wahlrecht setzen. 35 Prozent der Stimmen reichen ihm, um Präsident zu bleiben, wenn der Zweitplatzierte nicht mehr als 30 Prozent bekommt. Und die Opposition ist zerstritten. Gleich vier Kandidaten treten gegen Ortega an. Leichtes Spiel für den Präsidenten am Sonntag.