Wasser, soweit das Auge reicht. In der Ferne, auf der anderen Seite des Nicaraguasees, erhebt sich dunstig ein Vulkan. Auf einer Weide am Ufer grasen Kühe. Ein Stückchen weiter mündet ein kleines Flüsschen in den großen See. Zwei Männer stehen im Schatten ausladender Bäume. Sie angeln im braunen Wasser.
Genau hier sollen in ein paar Jahren riesige Containerschiffe vorbeigleiten – so sehen es die Pläne vor. Las Lajas, das beschauliche Flüsschen, würde ausgebaggert zu einer Hightech-Wasserstraße: einen halben Kilometer breit, knapp 30 Meter tief. Und von Las Lajas aus würden die Ozeanriesen ihren Weg über den See fortsetzen, immer dem Vulkan entgegen, in einer ausgebaggerten Fahrrinne. Die Angler wären dann mit Sicherheit nicht mehr hier. Und auch die Häuser würden abgerissen, die ganz in der Nähe am Ufer stehen.
Los Pochotes heißt die Ansammlung von einfachen Holzhäusern. Das Dorf ist nur über eine Sandpiste voller Schlaglöcher zu erreichen, sie führt von der Fernstraße hierher. Ein paar Familien wohnen in Los Pochotes. In den Gärten hängen Bananenstauden unter großen Blättern. Hühner picken in der festgetretenen dunklen Erde.
Don José zieht mit seinen großen Händen einen Eimer mit Wasser aus dem Brunnen herauf. Er hat ihn selbst gegraben, fast vierzig Jahre ist das her. Auch das Holzhaus hat er für seine Familie zusammengezimmert.
Der Kanal sei ein Traum, sagt er, denn er werde Arbeit bringen für die Menschen. Dann erzählt er, dass die Investoren schon da waren. Eine Gruppe Chinesen sei vor Kurzem in der Nähe gelandet, im Helikopter. Nach einer halben Stunde seien sie wieder davongeflogen.
Don José zuckt mit den Schultern. Vielleicht meinen es die Investoren ja diesmal ernst, aber sicher ist er nicht.
"Die alten Leute erzählen mir, dass hier schon mal ein Kanal geplant war. Aber der wurde ja nie gebaut. Vielleicht erleben wir das auch nicht mehr. Das wird doch alles noch lange dauern. Aber wir glauben an Gott. Er soll bestimmen, ob dieser Kanal Wirklichkeit wird."
Genau hier sollen in ein paar Jahren riesige Containerschiffe vorbeigleiten – so sehen es die Pläne vor. Las Lajas, das beschauliche Flüsschen, würde ausgebaggert zu einer Hightech-Wasserstraße: einen halben Kilometer breit, knapp 30 Meter tief. Und von Las Lajas aus würden die Ozeanriesen ihren Weg über den See fortsetzen, immer dem Vulkan entgegen, in einer ausgebaggerten Fahrrinne. Die Angler wären dann mit Sicherheit nicht mehr hier. Und auch die Häuser würden abgerissen, die ganz in der Nähe am Ufer stehen.
Los Pochotes heißt die Ansammlung von einfachen Holzhäusern. Das Dorf ist nur über eine Sandpiste voller Schlaglöcher zu erreichen, sie führt von der Fernstraße hierher. Ein paar Familien wohnen in Los Pochotes. In den Gärten hängen Bananenstauden unter großen Blättern. Hühner picken in der festgetretenen dunklen Erde.
Don José zieht mit seinen großen Händen einen Eimer mit Wasser aus dem Brunnen herauf. Er hat ihn selbst gegraben, fast vierzig Jahre ist das her. Auch das Holzhaus hat er für seine Familie zusammengezimmert.
Der Kanal sei ein Traum, sagt er, denn er werde Arbeit bringen für die Menschen. Dann erzählt er, dass die Investoren schon da waren. Eine Gruppe Chinesen sei vor Kurzem in der Nähe gelandet, im Helikopter. Nach einer halben Stunde seien sie wieder davongeflogen.
Don José zuckt mit den Schultern. Vielleicht meinen es die Investoren ja diesmal ernst, aber sicher ist er nicht.
"Die alten Leute erzählen mir, dass hier schon mal ein Kanal geplant war. Aber der wurde ja nie gebaut. Vielleicht erleben wir das auch nicht mehr. Das wird doch alles noch lange dauern. Aber wir glauben an Gott. Er soll bestimmen, ob dieser Kanal Wirklichkeit wird."
Der Traum vom großen Kanal
Eine Wasserstraße, die die Meere verbindet: die Karibik auf der einen Seite, der Pazifik auf der anderen. Es ist eine Idee, die fast so alt ist wie die Eroberung von Amerika durch die Europäer. Und lange, bevor der Panamakanal Wirklichkeit wurde, war dafür Nicaragua im Gespräch. Dabei half der Zufall mit – genauer gesagt: die Gier nach Gold. Im Jahr 1539 brach der spanische Kapitän Alonso Calero mit einem Schiff in Granada auf, einer Stadt am Ufer des Nicaraguasees. Mit einer Gruppe von gut bewaffneten Soldaten wollte er das weitgehend unbekannte Binnenland erobern. Und vor allem eines finden: kostbares Edelmetall. Zunächst überquerten sie mit einem Zweimaster den Nicaraguasee – Calero nannte ihn "Meer", denn er zählt zu den größten Süßwasserseen der Welt. Am anderen Ende entdeckte der Kapitän dann die Einfahrt zu einem Fluss. Hier wurde die Reise anstrengend.
"Wegen der Stromschnellen mussten wir unseren Weg schon bald zu Fuß fortsetzen. Der Dschungel war undurchdringlich, wir kamen nur schwer vorwärts. Der Schlamm reichte uns bis zu den Knien und die Mosquitos gaben keine Ruhe. Aber wir mussten weiter, denn wir waren aus großer Ferne in dieses reiche, schwer zu erobernde Land gekommen."+"
Aber nach den Strapazen machten die Männer eine Entdeckung: Calero fand sich mit seinen Männern am Karibischen Meer wieder. Er hatte eine Möglichkeit entdeckt, wie die mittelamerikanische Landmasse in weiten Teilen auf dem Wasserweg zu durchqueren sein könnte – von den Stromschnellen auf dem Rio San Juan mal abgesehen. Ein Traum war geboren. Der von einem Wasserweg quer durch Nicaragua. Der Traum vom großen Kanal.
"Wegen der Stromschnellen mussten wir unseren Weg schon bald zu Fuß fortsetzen. Der Dschungel war undurchdringlich, wir kamen nur schwer vorwärts. Der Schlamm reichte uns bis zu den Knien und die Mosquitos gaben keine Ruhe. Aber wir mussten weiter, denn wir waren aus großer Ferne in dieses reiche, schwer zu erobernde Land gekommen."+"
Aber nach den Strapazen machten die Männer eine Entdeckung: Calero fand sich mit seinen Männern am Karibischen Meer wieder. Er hatte eine Möglichkeit entdeckt, wie die mittelamerikanische Landmasse in weiten Teilen auf dem Wasserweg zu durchqueren sein könnte – von den Stromschnellen auf dem Rio San Juan mal abgesehen. Ein Traum war geboren. Der von einem Wasserweg quer durch Nicaragua. Der Traum vom großen Kanal.
Das Lieblingsprojekt des Präsidenten
Auch Daniel Ortega spricht heute vom Traum eines Kanals – und davon, dass der jetzt wahr werden soll. Eine Veranstaltung der Sandinistischen Front in einer Kleinstadt. Die Bühne ist mit rot-schwarzen Plastikfahnen geschmückt – den Farben der Partei von Daniel Ortega. Menschen aus den Dörfern der Umgebung sind auf Lastwagen herangekarrt worden. Sie empfangen den Präsidenten mit "Daniel, Daniel"-Rufen. Ortega ist ein Mann von niedriger Statur mit dunkler, gegerbter Haut und Schnurrbart. Er kennt das Land, durch das er den Kanal bauen lassen will. In den 70er-Jahren kämpfte er in den Bergen gegen die brutale Diktatur von Anastasio Somoza. Heute noch, Jahrzehnte später, zehrt er von dem Ruf als ehemaliger Guerillakämpfer. Er reist unermüdlich durch das Land. Er befindet sich immer im Wahlkampf. Und wo immer er vor Publikum spricht, betont er, wie sehr sein Lieblingsprojekt, der Kanal, Nicaragua voranbringen werde. Derzeit ist das Land das Zweitärmste in ganz Lateinamerika – nach Haiti.
""Das nicaraguanische Volk hat sehr gelitten. Es war ein Jahrhunderte langer Leidensweg. Aber es ist Zeit, dass das aufhört. Dieses Projekt wird riesige Vorteile für das nicaraguanische Volk bringen. Wir verlassen jetzt den Leidensweg der Misere, der Armut und der Würdelosigkeit."
Ortega spricht auch gern von Panama – dort gibt es bereits einen Kanal. Und tatsächlich gab er Impulse, die die Wirtschaft des Landes verändert haben. Nicaragua, das neue Panama: Es wäre ein Riesen-Schritt nach vorne. Und gleichzeitig eines der größten und kompliziertesten Bauvorhaben unserer Zeit.
Panama ist das Vorbild für den Nicaraguakanal – eine Erfolgsgeschichte. Eröffnet im Jahr 1914 - nach einer Bauzeit von über drei Jahrzehnten.
"Zwischen den Landesgrenzen von Costa Rica und Kolumbien liegt die Republik Panama. Sie ist sich ihrer Bedeutung bewusst als Arterie des internationalen Warenverkehrs. Und stolz darauf, dass man uns 'Kreuzung der Wege' nennt. In dieser unserer Welt."
Panama ist auch heute noch wichtig. Aber gerade deswegen ist die Wasserstraße zum Nadelöhr geworden für den internationalen Schiffsverkehr. Nur ein ausgeklügeltes Zeitmanagement und eigene Schiffslotsen erlauben es, dass jedes Jahr rund 14000 Schiffe den Kanal passieren können. Der internationale Warenverkehr nimmt zu. Aber der Kanal ist ausgelastet. Und das ist nur ein Problem. Das andere ist, dass die Werften der Welt immer größere Frachtschiffe bauen, weil die als rentabler gelten. Die derzeit Größten können rund 15000 Standardcontainer laden – und sind damit viel zu groß für den Kanal. Den können nur Schiffe passieren, die maximal 4600 Container geladen haben – also ein Drittel. Eine Erweiterung der Wasserstraße hat zwar begonnen. Aber trotzdem wird auch in Zukunft gelten: Der Panamakanal, das technische Wunderwerk, ist in die Jahre gekommen. Der Kanal von Nicaragua könnte da eine Alternative sein. Er soll eine Durchfahrt bieten für mehr und vor allem auch größere Ozeanriesen.
""Das nicaraguanische Volk hat sehr gelitten. Es war ein Jahrhunderte langer Leidensweg. Aber es ist Zeit, dass das aufhört. Dieses Projekt wird riesige Vorteile für das nicaraguanische Volk bringen. Wir verlassen jetzt den Leidensweg der Misere, der Armut und der Würdelosigkeit."
Ortega spricht auch gern von Panama – dort gibt es bereits einen Kanal. Und tatsächlich gab er Impulse, die die Wirtschaft des Landes verändert haben. Nicaragua, das neue Panama: Es wäre ein Riesen-Schritt nach vorne. Und gleichzeitig eines der größten und kompliziertesten Bauvorhaben unserer Zeit.
Panama ist das Vorbild für den Nicaraguakanal – eine Erfolgsgeschichte. Eröffnet im Jahr 1914 - nach einer Bauzeit von über drei Jahrzehnten.
"Zwischen den Landesgrenzen von Costa Rica und Kolumbien liegt die Republik Panama. Sie ist sich ihrer Bedeutung bewusst als Arterie des internationalen Warenverkehrs. Und stolz darauf, dass man uns 'Kreuzung der Wege' nennt. In dieser unserer Welt."
Panama ist auch heute noch wichtig. Aber gerade deswegen ist die Wasserstraße zum Nadelöhr geworden für den internationalen Schiffsverkehr. Nur ein ausgeklügeltes Zeitmanagement und eigene Schiffslotsen erlauben es, dass jedes Jahr rund 14000 Schiffe den Kanal passieren können. Der internationale Warenverkehr nimmt zu. Aber der Kanal ist ausgelastet. Und das ist nur ein Problem. Das andere ist, dass die Werften der Welt immer größere Frachtschiffe bauen, weil die als rentabler gelten. Die derzeit Größten können rund 15000 Standardcontainer laden – und sind damit viel zu groß für den Kanal. Den können nur Schiffe passieren, die maximal 4600 Container geladen haben – also ein Drittel. Eine Erweiterung der Wasserstraße hat zwar begonnen. Aber trotzdem wird auch in Zukunft gelten: Der Panamakanal, das technische Wunderwerk, ist in die Jahre gekommen. Der Kanal von Nicaragua könnte da eine Alternative sein. Er soll eine Durchfahrt bieten für mehr und vor allem auch größere Ozeanriesen.
Ambitioniertes Bauvorhaben
Vertragsunterzeichnung für den Nicaraguakanal in der Hauptstadt Managua. Der Saal ist bis auf den letzten Platz besetzt und geschmückt mit üppigen Blumengebinden.
Hinterm Rednerpult steht der Mann, der den Kanal bauen will. Wang Jing trägt einen dunklen Anzug und eine hellblaue Krawatte, er ist 41 Jahre alt und hat ein jungenhaftes Gesicht. Er spricht Chinesisch vor den Fernsehkameras. Und es fällt ihm sichtlich schwer zu lächeln.
Nicaraguas Präsident Ortega nennt ihn einen "Bruder", aber im Land war Wang Jing bis vor Kurzem unbekannt. Der Unternehmer aus Hongkong hat sein Büro in einem Industriepark im Norden von Peking. Die Wände seiner Telefonfirma sind behangen mit großen Porträts chinesischer Staatsmänner. Ihm wird nachgesagt, dass er enge Verbindungen zur chinesischen Führung hat – Wang Jing bestreitet das aber. Und in Interviews wischt er ebenfalls Bedenken weg, dass er der falsche Mann sei für solch ein Großprojekt: völlig unerfahren. Wang Jing sieht es so: Er habe doch Geld mit Telekommunikation verdient – dabei besitze er selbst bis heute nicht einmal ein Handy. Geschätzte 40 Milliarden Dollar will dieser Mann nun in Nicaragua investieren – woher diese Summe kommen soll, lässt Wang Jing offen. Er habe Kontakte zu internationalen Großbanken, lässt er verlauten. Nur eines ist klar: Die Regierung von Nicaragua wird dem Chinesen nicht mit Geld oder Krediten helfen. Ronald McLean Albaroa ist Sprecher von HKND – jener Firma, die den Kanal bauen und betreiben will. Aus seiner Sicht kann das Land nur gewinnen.
"Nicaragua gibt nicht einen einzigen Dollar für dieses große Projekt aus, denn das ganze Risiko, die ganze Investition ist privat. Und wir sind schon viel weiter gekommen. Wir haben Geld investiert in Studien. Deren Ergebnisse werden frühestens in einem Jahr vorliegen. Aber alles deutet jetzt schon darauf hin, dass es ein interessantes Projekt ist."
Ein Kanal durch Nicaragua – ein ambitioniertes Bauvorhaben. Ausgerechnet unter der Regie eines Chinesen – kein Zufall, sagt Heinz Dieterich. In Lateinamerika ist der Soziologe sehr bekannt – er ist der Theoretiker der neuen Linken, ein Freund des kürzlich verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Der emeritierte Professor der Autonomen Universität von Mexiko hat keinen Zweifel daran, dass die astronomische Summe von 40 Milliarden Dollar zusammenkommen wird. Er ist überzeugt, dass die chinesische Regierung dahintersteht. Und das Vorhaben auch finanziell stützen wird – mit Krediten an den Unternehmer.
"Die Logik der heutigen Staatssysteme spricht dafür. Es gibt eine chinesische Entwicklungsbank, die vor etwa zwei Jahren diesem Unternehmer einen Kredit von etwa zwei Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt hat zur Ausweitung seiner Geschäfte auch auf internationaler Ebene. Im Grunde können Sie heute nicht mehr trennen: Wirtschaft (vor allem die exportorientierte Wirtschaft) und staatliche Hilfe zur Eroberung und Konsolidierung von Märkten. Deshalb wäre es völlig atypisch, wenn die chinesische Regierung nicht indirekt daran beteiligt wäre, dieses Projekt zu fördern."
Auch, um sich für die Zukunft vom Panamakanal unabhängig zu machen. Der wurde unter US-amerikanischer Regie zu Ende gebaut und über Jahrzehnte auch betrieben. Noch heute ist der nordamerikanische Einfluss in dem kleinen mittelamerikanischen Land groß. Aber die Zeit der US-Vorherrschaft wird mit dem Kanalprojekt in Nicaragua zu Ende gehen, meint Heinz Dieterich.
"Es ist natürlich etwas, was die USA nicht gerne sehen. Einerseits hat es geostrategische Bedeutung auf militärischem Gebiet. Ökonomisch bedeutet es, dass die USA die Kontrolle über Mittelamerika verlieren werden. Aber ich denke, es ist ein Reflex der neuen Weltordnung, in der China mit den USA die Weltführungsmächte sind."
Es herrscht Andrang in einem der besten Hotels von Managua. Die Luft im Konferenzraum ist stickig, es fehlen Stühle, Zuhörer drängeln sich an den Türen. Die nicaraguanische Wissenschaftsakademie hat eingeladen, um das Projekt zu diskutieren. Vorne am Podiumstisch steht ein Mann auf und nimmt das Mikrofon in der Hand.
In der ersten Reihe sitzt ein blasser schmaler Mann mit Brille und hört aufmerksam zu. Dr. Carlos Tünnermann ist ein älterer Herr, Jurist und Intellektueller mit deutschen Wurzeln. Es ist der Mangel an Transparenz, der Carlos Tünnermann besonders aufbringt. Die Regierung habe die Verträge unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt – ohne Ausschreibung. In Monaten wurde ein Gesetz geschaffen und verabschiedet, das die Zukunft des Landes bestimmen wird. Und niemand wisse, warum ausgerechnet ein Unternehmer aus Hongkong den Zuschlag bekam, sagt Tünnermann.
"Das ganze Land ist verkauft worden, komplett, mitsamt unserer Souveränität. Die Verträge beinhalten unglaubliche Risiken. Wir haften sogar mit den Reserven unserer Zentralbank! Das ist völlig anders als damals in Panama, wo es eine Diskussion gab und sogar eine Volksabstimmung. Niemand hat hier Fachleute befragt. Es kann sogar sein, dass dieser Chinese noch ganz andere Interessen hat, von denen wir nichts wissen. Denn alles ist mit großer Geheimnistuerei abgelaufen."
Tatsächlich liest sich das Vertragswerk wie eine lange Liste von weitreichenden Zugeständnissen. Der Investor darf beispielsweise ohne Begründung die Enteignung von Grundstücken verlangen. In der Kanalzone wird nicaraguanisches Recht außer Kraft gesetzt – so ähnlich, wie es über Jahrzehnte auch in Panama der Fall war. Ein anderes Problem sind die autonomen Gebiete im Osten des Landes. Dort leben – ohne Straßenverbindung zum Rest von Nicaragua – zum einen Menschen mit indigenen Wurzeln. Und zum anderen die afro-nicaraguanische Minderheit – sie spricht nicht Spanisch, sondern Englisch.
Die Verfassung sieht vor, dass diese Gebiete sich weitgehend selbst verwalten. Zum Kanalprojekt sind diese Minderheiten aber bisher nicht einmal befragt worden, obwohl ihr Land unmittelbar betroffen ist. Die Opposition hat darum Klagen eingereicht, um das Gesetz zu Fall zu bringen. Viel Aussicht auf Erfolg haben sie nicht. Das Oberste Gericht ist, so sagen Beobachter, in der Hand der regierenden Sandinisten.
Hinterm Rednerpult steht der Mann, der den Kanal bauen will. Wang Jing trägt einen dunklen Anzug und eine hellblaue Krawatte, er ist 41 Jahre alt und hat ein jungenhaftes Gesicht. Er spricht Chinesisch vor den Fernsehkameras. Und es fällt ihm sichtlich schwer zu lächeln.
Nicaraguas Präsident Ortega nennt ihn einen "Bruder", aber im Land war Wang Jing bis vor Kurzem unbekannt. Der Unternehmer aus Hongkong hat sein Büro in einem Industriepark im Norden von Peking. Die Wände seiner Telefonfirma sind behangen mit großen Porträts chinesischer Staatsmänner. Ihm wird nachgesagt, dass er enge Verbindungen zur chinesischen Führung hat – Wang Jing bestreitet das aber. Und in Interviews wischt er ebenfalls Bedenken weg, dass er der falsche Mann sei für solch ein Großprojekt: völlig unerfahren. Wang Jing sieht es so: Er habe doch Geld mit Telekommunikation verdient – dabei besitze er selbst bis heute nicht einmal ein Handy. Geschätzte 40 Milliarden Dollar will dieser Mann nun in Nicaragua investieren – woher diese Summe kommen soll, lässt Wang Jing offen. Er habe Kontakte zu internationalen Großbanken, lässt er verlauten. Nur eines ist klar: Die Regierung von Nicaragua wird dem Chinesen nicht mit Geld oder Krediten helfen. Ronald McLean Albaroa ist Sprecher von HKND – jener Firma, die den Kanal bauen und betreiben will. Aus seiner Sicht kann das Land nur gewinnen.
"Nicaragua gibt nicht einen einzigen Dollar für dieses große Projekt aus, denn das ganze Risiko, die ganze Investition ist privat. Und wir sind schon viel weiter gekommen. Wir haben Geld investiert in Studien. Deren Ergebnisse werden frühestens in einem Jahr vorliegen. Aber alles deutet jetzt schon darauf hin, dass es ein interessantes Projekt ist."
Ein Kanal durch Nicaragua – ein ambitioniertes Bauvorhaben. Ausgerechnet unter der Regie eines Chinesen – kein Zufall, sagt Heinz Dieterich. In Lateinamerika ist der Soziologe sehr bekannt – er ist der Theoretiker der neuen Linken, ein Freund des kürzlich verstorbenen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez. Der emeritierte Professor der Autonomen Universität von Mexiko hat keinen Zweifel daran, dass die astronomische Summe von 40 Milliarden Dollar zusammenkommen wird. Er ist überzeugt, dass die chinesische Regierung dahintersteht. Und das Vorhaben auch finanziell stützen wird – mit Krediten an den Unternehmer.
"Die Logik der heutigen Staatssysteme spricht dafür. Es gibt eine chinesische Entwicklungsbank, die vor etwa zwei Jahren diesem Unternehmer einen Kredit von etwa zwei Milliarden Dollar zur Verfügung gestellt hat zur Ausweitung seiner Geschäfte auch auf internationaler Ebene. Im Grunde können Sie heute nicht mehr trennen: Wirtschaft (vor allem die exportorientierte Wirtschaft) und staatliche Hilfe zur Eroberung und Konsolidierung von Märkten. Deshalb wäre es völlig atypisch, wenn die chinesische Regierung nicht indirekt daran beteiligt wäre, dieses Projekt zu fördern."
Auch, um sich für die Zukunft vom Panamakanal unabhängig zu machen. Der wurde unter US-amerikanischer Regie zu Ende gebaut und über Jahrzehnte auch betrieben. Noch heute ist der nordamerikanische Einfluss in dem kleinen mittelamerikanischen Land groß. Aber die Zeit der US-Vorherrschaft wird mit dem Kanalprojekt in Nicaragua zu Ende gehen, meint Heinz Dieterich.
"Es ist natürlich etwas, was die USA nicht gerne sehen. Einerseits hat es geostrategische Bedeutung auf militärischem Gebiet. Ökonomisch bedeutet es, dass die USA die Kontrolle über Mittelamerika verlieren werden. Aber ich denke, es ist ein Reflex der neuen Weltordnung, in der China mit den USA die Weltführungsmächte sind."
Es herrscht Andrang in einem der besten Hotels von Managua. Die Luft im Konferenzraum ist stickig, es fehlen Stühle, Zuhörer drängeln sich an den Türen. Die nicaraguanische Wissenschaftsakademie hat eingeladen, um das Projekt zu diskutieren. Vorne am Podiumstisch steht ein Mann auf und nimmt das Mikrofon in der Hand.
In der ersten Reihe sitzt ein blasser schmaler Mann mit Brille und hört aufmerksam zu. Dr. Carlos Tünnermann ist ein älterer Herr, Jurist und Intellektueller mit deutschen Wurzeln. Es ist der Mangel an Transparenz, der Carlos Tünnermann besonders aufbringt. Die Regierung habe die Verträge unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt – ohne Ausschreibung. In Monaten wurde ein Gesetz geschaffen und verabschiedet, das die Zukunft des Landes bestimmen wird. Und niemand wisse, warum ausgerechnet ein Unternehmer aus Hongkong den Zuschlag bekam, sagt Tünnermann.
"Das ganze Land ist verkauft worden, komplett, mitsamt unserer Souveränität. Die Verträge beinhalten unglaubliche Risiken. Wir haften sogar mit den Reserven unserer Zentralbank! Das ist völlig anders als damals in Panama, wo es eine Diskussion gab und sogar eine Volksabstimmung. Niemand hat hier Fachleute befragt. Es kann sogar sein, dass dieser Chinese noch ganz andere Interessen hat, von denen wir nichts wissen. Denn alles ist mit großer Geheimnistuerei abgelaufen."
Tatsächlich liest sich das Vertragswerk wie eine lange Liste von weitreichenden Zugeständnissen. Der Investor darf beispielsweise ohne Begründung die Enteignung von Grundstücken verlangen. In der Kanalzone wird nicaraguanisches Recht außer Kraft gesetzt – so ähnlich, wie es über Jahrzehnte auch in Panama der Fall war. Ein anderes Problem sind die autonomen Gebiete im Osten des Landes. Dort leben – ohne Straßenverbindung zum Rest von Nicaragua – zum einen Menschen mit indigenen Wurzeln. Und zum anderen die afro-nicaraguanische Minderheit – sie spricht nicht Spanisch, sondern Englisch.
Die Verfassung sieht vor, dass diese Gebiete sich weitgehend selbst verwalten. Zum Kanalprojekt sind diese Minderheiten aber bisher nicht einmal befragt worden, obwohl ihr Land unmittelbar betroffen ist. Die Opposition hat darum Klagen eingereicht, um das Gesetz zu Fall zu bringen. Viel Aussicht auf Erfolg haben sie nicht. Das Oberste Gericht ist, so sagen Beobachter, in der Hand der regierenden Sandinisten.
Umweltschützer: Nicaraguakanal ist Wahnsinn
Auch Umweltschützer haben erst spät erfahren von dem Mammut-Projekt. Bei ihnen sitzt der Schock noch tief.
Maura Paladino sitzt im Neonlicht eines kahlen Besprechungsraums. Sie klappt den Bildschirm ihres Laptops auf. Darauf ist ihr Land zu sehen und die vier möglichen Routen des Kanals. Alle vier führen mitten durch den Nicaraguasee. Sie schüttelt den Kopf: Nein, dieses Projekt sei Wahnsinn. Paladino ist Gewässerexpertin und arbeitet für das "Centro Humboldt", eine Umweltschutzorganisation. Der See sei viel zu flach. Für die großen Schiffe müsste er aufgestaut werden, um den Wasserpegel zu heben. Wahrscheinlich würden dann Teile des Nachbarlandes Costa Rica überflutet. Es sind viele völlig offene Fragen, sagt Paladino. Vor allem aber drohe eine Naturkatastrophe. Schiffsmotoren laufen mit besonders giftigem Schweröl. Wenn davon auch nur geringe Mengen in den See gelangen würden, wäre es um ihn geschehen.
"Es wäre eine Katastrophe. Wenn der Kanal durch den Nicaraguasee führt, können wir ihn als Quelle für Trinkwasser und für die Bewässerung von Feldern für immer vergessen. Einige kleinere Infrastrukturprojekte können vielleicht verwirklicht werden. Aber den großen Kanal wollen wir nicht in Nicaragua. Die sollen eine andere Route suchen. Die gibt es."
Vielleicht, spekulieren Kritiker, geht es der chinesischen Firma nur vordergründig um einen Kanal. Und sie hat es auf die Teilkonzessionen abgesehen, die in den Verträgen enthalten sind. Häfen und Flughäfen, eine Eisenbahnlinie, eine Ölpipeline – all das ist schon festgeschrieben. Aber die Investoren haben alle Freiheiten: Einen Hafen oder eine Eisenbahnlinie darf die Firma auch dann bauen, wenn der Mammut-Kanal für immer auf dem Papier bleibt.
Auch Don José bleibt skeptisch – der Mann, der am Nicaraguasee geboren wurde. Er lehnt sich an sein Holzhaus und lässt den Blick nachdenklich über den See schweifen.
"Ich hoffe, dass sie Entschädigungen bezahlen. Ich bin hier geboren, am Ufer des Sees, 500 Meter entfernt von der Mündung des Flusses. Hier ist es ruhig. Man verliebt sich in den Ort, an dem man lebt. Ich möchte nicht hier weg."
Maura Paladino sitzt im Neonlicht eines kahlen Besprechungsraums. Sie klappt den Bildschirm ihres Laptops auf. Darauf ist ihr Land zu sehen und die vier möglichen Routen des Kanals. Alle vier führen mitten durch den Nicaraguasee. Sie schüttelt den Kopf: Nein, dieses Projekt sei Wahnsinn. Paladino ist Gewässerexpertin und arbeitet für das "Centro Humboldt", eine Umweltschutzorganisation. Der See sei viel zu flach. Für die großen Schiffe müsste er aufgestaut werden, um den Wasserpegel zu heben. Wahrscheinlich würden dann Teile des Nachbarlandes Costa Rica überflutet. Es sind viele völlig offene Fragen, sagt Paladino. Vor allem aber drohe eine Naturkatastrophe. Schiffsmotoren laufen mit besonders giftigem Schweröl. Wenn davon auch nur geringe Mengen in den See gelangen würden, wäre es um ihn geschehen.
"Es wäre eine Katastrophe. Wenn der Kanal durch den Nicaraguasee führt, können wir ihn als Quelle für Trinkwasser und für die Bewässerung von Feldern für immer vergessen. Einige kleinere Infrastrukturprojekte können vielleicht verwirklicht werden. Aber den großen Kanal wollen wir nicht in Nicaragua. Die sollen eine andere Route suchen. Die gibt es."
Vielleicht, spekulieren Kritiker, geht es der chinesischen Firma nur vordergründig um einen Kanal. Und sie hat es auf die Teilkonzessionen abgesehen, die in den Verträgen enthalten sind. Häfen und Flughäfen, eine Eisenbahnlinie, eine Ölpipeline – all das ist schon festgeschrieben. Aber die Investoren haben alle Freiheiten: Einen Hafen oder eine Eisenbahnlinie darf die Firma auch dann bauen, wenn der Mammut-Kanal für immer auf dem Papier bleibt.
Auch Don José bleibt skeptisch – der Mann, der am Nicaraguasee geboren wurde. Er lehnt sich an sein Holzhaus und lässt den Blick nachdenklich über den See schweifen.
"Ich hoffe, dass sie Entschädigungen bezahlen. Ich bin hier geboren, am Ufer des Sees, 500 Meter entfernt von der Mündung des Flusses. Hier ist es ruhig. Man verliebt sich in den Ort, an dem man lebt. Ich möchte nicht hier weg."