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Nicht alle profitieren vom Bauboom

Gut 9,3 Milliarden Pfund dürften die Ausrichtung der Olympischen Spiele kosten. Viel Geld - aber gerechtfertigt, befand der britische Ex-Premier Tony Blair. Denn der olympische Bauboom habe den Londoner Osten aufgewertet. Ob der entstandene Wohnraum bezahlbar sein wird, steht auf einem anderen Blatt.

Von Barbara Wesel |
    Fragt man Klaus Grewe, dann ist die Antwort auf die Frage nach den Gewinnern des olympischen Baubooms einfach – er hat jahrelang als Projektleiter auf dem Olympiagelände gearbeitet, und glaubt, dass die Ostlondoner am meisten profitieren:

    "Wir haben hier jetzt fünf Jahre nicht gebaut für die Olympiade. Wir haben fünf Jahre gebaut für die Zeit danach. Für die berühmte Legacy. Das heißt, wir haben einen Park gebaut für die Zeit nach den Spielen."

    Da wo ein riesiges heruntergekommenes Industriegelände war, belastet mit Schwermetallen, durchzogen von Altautohalden, zerstörten Werkshallen, verdreckten Wasserläufen wachsen heute Bäume. Das Flüsschen Lea wurde gereinigt, Erde gewaschen, Schutt weggeräumt, ein Fahrradweg angelegt, Ostlondon hat eine neue grüne Lunge. So weit sind sich alle einig.

    Aber danach wird schwieriger: Das olympische Stadion hat eine halbe Milliarde Pfund gekostet, wird nach den Spielen auf Normalmaß zurückgebaut – alle Pläne aber zur Nachnutzung durch einen Fußballclub scheiterten bisher. Die schicke Schwimmhalle – auch sie wird verkleinert – hat keinen Träger. Der anliegende Bezirk Newham will sie nicht – er hat kein Geld dafür. Die Bewohner aber sind zu arm, um die teuren Eintrittspreise eines privaten Betreibers zu zahlen.

    Die Hockeyarena, das Baseballstadion unter anderem, sind provisorisch, sie werden wieder abgebaut und sind teilweise schon nach Rio weiter verkauft. Die Bahnradhalle bleibt, architektonisch fein, aber nur für Profisportler von Nutzen. Für die gold verkleidete Handballarena aber gibt es eine originelle Lösung:

    "Es werden Sportveranstaltungen drin sein. Aber es werden einfach öffentliche Veranstaltungen drin stattfinden. Zum Beispiel große Hochzeiten. Wir haben dort eine sehr große pakistanische und indische Community. Die haben Hochzeiten bis zu 6000 Leute."

    Die neue Hochzeitshalle ist schon für ein Jahr ausgebucht – ein Erfolg also hier. Und dann das olympische Dorf – ein Komplex der zunächst knapp 3000 Wohnungen bieten soll. Der Bau hat 1,1 Milliarde Pfund gekostet – und es profitiert der Investmentarm des Scheichtums Katar. Die Scheiche haben nämlich die Blocks zum Schleuderpreis erworben – samt anliegenden weiteren Baugrundstücken. Der britische Steuerzahler muss 275 Millionen Pfund bei diesem Geschäft zuzahlen. Und die Kataris wollen die Wohnungen ab 2013 vermieten – sie hoffen auf Zuzug aus dem nahen Geschäftsviertel Canary Wharf. Für die armen Ostlondoner in Newham oder Hackney dürften die Olympiawohnungen unerschwinglich werden. Auch Professorin Ann Power von der London School of Economics, die die Stadtentwicklungspläne untersucht hat, macht sich Sorgen:

    "Viel wird davon abhängen, wie ernst die Regierung und die Behörden ihr Versprechen nehmen, in der Gegend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen."

    Die Zeichen stehen nicht günstig. Wie ist es aber mit den versprochenen Arbeitsplätzen für die Anwohner? Von 3000 Bauarbeitern auf der Olympiabaustelle sollen 23 Prozent aus der Gegend gekommen sein. Aber diese Statistik gilt als geschönt – jeder litauische Betongießer, der ein Zimmer in Newham nahm, galt schon als ‚local’, Ortskraft. Die jüngste Statistik zeigt, dass die Arbeitslosigkeit dort nach dem Bau des Parks genauso hoch ist wie vorher. Ein Reinfall also.

    Bleiben die Bauunternehmen – das Leitkonsortium britisch, viele Mittelständler mit von der Partie. Die Stadionbauer haben die Ausschreibung für Sotchi gewonnen, das ist ein Erfolg. Ansonsten aber scheint Olympia viele Unternehmen nur vor einem früheren Sturz in die roten Zahlen bewahrt zu haben:

    "Bei der Bauindustrie – alles ist fertig, die Wirkung haben wir schon gesehen, und was das Erbe für London angeht – das könnte langsam und tröpfchenweise kommen."

    Sagt Analyst Will Hedden vom Marktforschungs-Institut IG Markets. Seit einem Dreivierteljahr steckt Great Britain in einer Rezession, die Wirtschaft schrumpfte zuletzt um 0,7 Prozent. Die Hälfte davon wurde durch die Flaute in der Bauindustrie verursacht.

    Generell deckt sich der Trend, dass Olympia Geld kostet aber keines bringt - mit internationalen Erfahrungen. Alle Olympiastädte wie Montreal, Sydney, Barcelona, Athen zahlen noch heute ihre Schulden ab. Von Olympiawerbung profitieren dürfen McDonalds, Coca und Co. – die Großsponsoren. Planungsbüros aber, Architekten und andere die hier mitgebaut haben sind frustriert – sie dürfen ihre olympischen Erfolge vorläufig nicht für die Werbung in eigener Sache nutzen.

    Weitere Teile der Serie:
    Großkonzerne und ihr Einsatz beim Sponsoring (Teil 5)
    Wenn Sicherheit verstärkt zum Kostenfaktor wird (Teil 3)
    Das große Geschäft mit den Übertragungsrechten (Teil 2)
    Was der Mittelstand von Olympia 2012 hat (Teil 1)