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Nicht ans Auto lehnen!

Keine Badehose in der Sauna, nicht stören während der "Tagesschau": Die Ratschläge in amerikanischen Reiseführern für Deutschland sind merkwürdig - oder schlichtweg falsch. Doch die Bücher bereiten US-Bürger auch auf unliebsame Überraschungen vor.

Von Klaus Deuse |
    US-Präsident Barack Obama gilt als globaler Hoffnungsträger. Und er bemüht sich ja wirklich. So hat er zum Beispiel die Entspannung in den Beziehungen zu Kuba eingeleitet und dafür gesorgt, dass der US-Geheimdienst Terrorverdächtige nicht mehr foltert. Unter transatlantischen Aspekten könnte es übrigens auch nicht schaden, wenn Obama mal amerikanische Verlagshäuser besucht und auf Korrekturen bei Reiseführern für Deutschland drängt. Schließlich kennt er die Bundesrepublik von seinen eigenen Besuchen, bei denen er übrigens immer herzlich empfangen wurde. Doch wenn US-Bürger eine Reise über den großen Teich planen, dann bieten ihnen zur Vorbereitung die Verlage ganz erstaunliche Reiseführer wie "Sitten- und Etikettenführer Deutschland", Kulturschock" oder "Überlebenshandbuch für Deutschland" an. Titel, die so manchen Bundesbürger wie Olaf Wichmann in dumpfes Grübeln stürzen:

    "Soll das jetzt ein Leitfaden für GIs in Deutschland sein?"

    Nein, ist es nicht, sondern ein Reiseführer für den normalen Amerikaner, damit der sich hierzulande halbwegs zurechtfindet. Allerdings enthalten diese Werke aus deutscher Sicht ganz erstaunliche Tipps wie etwa: Lehnen Sie sich nie gegen ein fremdes Auto. Denn: Autos sind in Deutschland heilig. Fehlt bloß noch der Vergleich mit den heiligen Kühen auf Indiens Straßen. Eindringlich gewarnt wird der Amerikaner auf deutschem Boden außerdem davor, zu den Einheimischen all zu freundlich zu sein. In dem Fall würden die Deutschen nämlich glauben, dass man etwas von ihnen wolle oder man nicht ganz normal sei. Ausgesprochen hilfreich ist es offenbar für den Besucher aus den USA, schon vor dem Abflug zu erfahren, dass sich Alltagsbekleidung der Deutschen nicht durchweg seinen Vorstellungen entspricht. Das heißt, dass die Germanen in Berlin oder Hamburg keinesfalls in Lederhosen und Dirndl zur Arbeit gehen. Nicht einmal in München. Ohne diese Vorwarnung würde der US-Tourist bei seiner Ankunft wohl einen Kulturschock erleben. Ratschläge, über die man staunt:

    "Also ich glaube es braucht kein zivilisierter Mensch in Deutschland solche Bücher."

    Manche Hinweise jedoch sind für Besucher aus den Staaten ausgesprochen nützlich. Zum Beispiel, dass es sich bei Bowle oder kalter Ente nicht um ein harmloses Erfrischungsgetränk handelt, das man wie Eiswasser literweise in sich hineinkippen kann. Denn US-Bürger trinken nach den Erfahrungen von Peter Dierks, der schon mehrfach Gäste aus den USA zu Besuch hatte, gern ein Gläschen über den Durst:

    "Also mit dem Alkohol ist das so ein Problem... Er will einfach das Abenteuer Alkohol, das zu Hause tabu ist, jenseits des Atlantiks genießen."

    Und Peter Dierks liefert ein anschauliches Beispiel. Da deutsches Bier in den Staaten einen hervorragenden Ruf genießt, bat sein Gast Al ihn um eine Gerstensaftverkostung. Und die fiel dann so aus:

    "Man fährt mit dem Amerikaner zum Bierladen. Und jede bunte Flasche, egal was drauf steht, wird in den Korb gestellt. Zu Hause probiert der Amerikaner jede Flasche. Trinkt sie an, lässt sie stehen, da sie ihm nicht schmeckt. Und wenn er an der letzten angekommen ist, merkt er gar nicht, was er geschmeckt hat... Als Gastgeber haben Sie dann die dankbare Aufgabe, alle Flaschen zu leeren."

    Nachhilfe, meint die ebenfalls mit Amerikanern befreundete Karin Wagner, scheint auch bei der Nahrungsaufnahme durchaus angebracht:

    "Wenn man jetzt das Beispiel Essen nimmt, das ist ja sehr ungewöhnlich für uns, wie die essen. Also erst das ganze Fleisch zerschneiden, dann den linken Arm auf den Schoß legen, mit der Gabel alles aufpicken und essen. Da sollten sie schon wissen, dass es hier in Europa anders ist. Andererseits lernen die das da so."

    Hinzu kommt: In Deutschland, rät ein Reiseführer eindringlich, spricht man nicht mit vollem Mund. Das gilt als unerzogen. Insofern könnte die Lektüre von vernünftigen Ratgebern nach Ansicht von Marc Wieser im Prinzip nicht schaden:

    "Amerikaner sind im allgemeinen doch recht freundlich und offen. Aber sobald sie dann ins Ausland kommen, ist es eigentlich vorbei. Ich denke mit Grausen an Auftritte von amerikanischen Touristen, die sich oft daneben benehmen, in unmöglichen Klamotten rumlaufen."

    Hilfestellung benötigt der Besucher aus den Staaten auch bei der direkten Konfrontation mit deutscher Kultur, zum Beispiel, wie sich Peter Dierks schmunzelnd erinnert, bei der Besichtigung historischer Bauwerke:

    "Das beste Beispiel war der Besuch des Beethoven-Hauses. Dann keimt die sichere Überzeugung auf, dass es sich hierbei um die Nachbildung des Beethoven-Hauses im Sinne des Disneylands handelt. Wenn man dem Amerikaner sagt: Nein, das ist echt, auf diesem Spinett hat Beethoven persönlich gespielt, kommt erst mal ungläubiges Staunen, dann glaubt man, man hätte den Witz des Tages gemacht."

    Zu den Überlebensratschlägen in US-Reiseführern gehört übrigens auch, dass man sich nicht mit einer Badehose in die Sauna setzt und die eingeborenen Deutschen nicht ab acht Uhr abends stört. Dann läuft nämlich die Tagesschau, die Hauptnachrichtensendung. Die Horror-Warnung schlechthin betrifft sowieso das deutsche Fernsehen. Da könnte es dem schamhaften Amerikaner nämlich widerfahren, dass urplötzlich nackte Menschen über den Bildschirm geistern. So einen Schock verdaut der Gast aus dem prüden Amerika nicht so ohne weiteres. Außerdem sollte er besser keine Witze erzählen, sondern dass den Deutschen überlassen. Jedenfalls dann, wenn die zu tief ins Glas geschaut haben. Ob diese erstaunlichen Reiseführer Besuchern aus den Staaten beim Zusammentreffen mit Deutschen wirklich weiterhelfen, daran allerdings hat Peter Dierks seine Zweifel.

    "Meine ehrliche Meinung ist: ob mit Buch oder ohne Buch. Es ist immer ein Schock. Für alle Beteiligten."

    Es gibt also noch reichlich zu tun für Barack Obama. Vor allem bei US-Reiseführern für Deutschland.