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"Nicht Budgethilfe, sondern humanitäre Hilfe plus"

Vor dem Hintergrund einer Geberkonferenz für Simbabwe hat Misereor-Hauptgeschäftsführer Prälat Josef Sayer davor gewarnt, Hilfsgelder in die Zentralbank des Landes einfließen zu lassen. Vielmehr sollte den Angestellten beispielsweise im Gesundheitswesen "unmittelbare Gehälter" gezahlt werden. In Simbabwe gebe es keine Ärzte mehr. Die meisten Mediziner seien ausgewandert in Länder, "die etwas bezahlen können", so Sayer.

Josef Sayer im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: In Washington treffen sich heute Entwicklungsexperten aus den westlichen Industriestaaten, die darüber nachdenken, welche Hilfen Simbabwe erhalten soll. Die Staaten sind nicht entschieden über das weitere Vorgehen, denn das Land wird von einer widersprüchlichen Doppelspitze unter dem diktatorischen Staatspräsidenten Robert Mugabe und seiner Partei Sanu-PF und dem demokratisch gewählten Premierminister Morgan Tsvangirai von der MDC-Partei regiert. Mugabe hat gestern um internationale Unterstützung für Simbabwe gebeten. Prälat Josef Sayer, der Hauptgeschäftsführer des bischöflichen Hilfswerkes Misereor, war gerade zusammen mit einer Delegation europäischer Bischöfe in Simbabwe. Guten Morgen!

    Josef Sayer: Guten Morgen.

    Heinemann: Prälat Sayer, Sie befürworten, Simbabwe finanziell zu unterstützen. In Simbabwe haben sich in den letzten Jahren viele hohe Funktionäre bereichert. Wäre wie bisher Nahrungsmittelhilfe zum Beispiel nicht der bessere Weg?

    Sayer: Sicherlich ist Nahrungsmittelhilfe notwendig, aber wenn man sagt "der bessere Weg", denke ich, reicht das nicht. Es kommt ja darauf an, dass gerade die Übergangsregierung, die ja innerhalb von 20 bis 24 Monaten zu einer Wahl hinführen soll, so stabilisiert wird, dass die Menschen sehen, tatsächlich: Es tut sich was zum Besseren - zum Beispiel im Gesundheitswesen, im Bereich des Erziehungswesens. Das Gesundheitswesen ist total zusammengebrochen, das Erziehungswesen funktioniert nicht. Im Gesundheitswesen ist es jetzt so, dass praktisch nur die Krankenhäuser der Kirche funktionieren und die Menschen wissen nicht mehr, wo sie hin sollen. Von daher, denke ich, ist es ganz entscheidend, dass diese Geberkonferenz, die vorsichtig Wege sucht, wie man das System stabilisieren könnte, also Tsvangirai mit dem Finanzminister Biti, dass die eine Chance erhalten und das Volk einigermaßen sehen kann: Es tut sich was für uns.

    Heinemann: Wie stellt man denn sicher, dass die Mugabe-Leute sich nicht wieder die Taschen füllen?

    Sayer: Es ist ganz entscheidend, dass eben nicht das Geld in die Zentralbank fließt, sondern unmittelbare Gehälter gezahlt werden, so wie man es ja auch gemacht hat beispielsweise im Kongo oder in Palästina. Es gibt also Beispiele dafür. Wenn Sie mal überlegen, dass ein Krankenhaus geschlossen ist, die Menschen nicht mehr wissen wohin, dann merken Sie: Moment mal, wie komme ich zurecht. Ein Krankenhausbett kostet pro Tag in den Privatkliniken 500 US-Dollar. Ein Kaiserschnitt kostet 3000 US-Dollar. Diese Menschen haben keine US-Dollars. Wie sollen sie so etwas leisten. Und wenn Sie überlegen, dass in Simbabwe zurzeit etwa 360.000 Geburten im Jahr stattfinden und über 10.000 von ihnen Kaiserschnitte sind, die Menschen können sich das nicht leisten, wo sollen diese Frauen hingehen in ihrer Not? Das ist eine ganz fatale Situation und ich denke, es ist entscheidend, was angestrebt wird mit diesem Programm. Ich habe mit Botschaftern gesprochen von verschiedenen Ländern. Das Entscheidende ist, indem von ausländischen Geldgebern die Ärzte, die Krankenschwestern finanziert werden, dass dadurch beispielsweise Krankenschwestern und Ärzte wieder zurückkommen könnten aus Südafrika. In Simbabwe gibt es keine Ärzte mehr. Das ist die fatale Lage. Die Ärzte sind ausgewandert in Länder, die etwas bezahlen können, nach England. Das englische Gesundheitssystem würde zusammenbrechen, wenn plötzlich alle Ärzte und Krankenschwestern abwandern würden. Wir haben ein hoch entwickeltes System gehabt, das ist zusammengebrochen, und hier zu helfen, damit die Menschen die normale Grundversorgung wieder erhalten können, das ist eine entscheidende Sache. Die katholische Kirche leistet in bestimmten Diözesen zurzeit bis zu 70 Prozent des Gesundheitswesens, mit Hilfe von beispielsweise Misereor.

    Heinemann: Prälat Sayer, die katholische Kirche hat in Simbabwe sehr stark auf die Partei der Opposition gesetzt. Diese wird jedoch von vielen Simbabwern auch als sehr westlich gesteuert empfunden. War es klug, sich so stark auf die MDC einzustellen?

    Sayer: Ich denke, in dieser Situation muss man sehen, dass es ein ganzes Konglomerat ist. Es musste ja diese diktatorische Herrschaft irgendwie angepackt werden und Tsvangirai als Ministerpräsident, der jetzt als Ministerpräsident funktioniert, hatte sich praktisch lange gegen eine solche Übernahme gewehrt und wurde plötzlich auf Druck sozusagen von Südafrika ja doch in diese Doppelherrschaft mehr oder weniger mit hineingezwungen. Und ich glaube, hier besteht eine kleine Chance, ein kleines Fenster, wo man sagen könnte, es würde sich lohnen. Tsvangirai hat beispielsweise während seiner Regierungserklärung im Parlament, seiner ersten Regierungserklärung am 4. März, ganz entschieden die Straflosigkeit eingefordert, das Ende der Gewalt. Sie müssen ja sehen, dass die Jugendbande der Sanu-Partei Leute aufgreift, sie prügelt, schlägt, in Lager bringt, dass unrechtmäßige Landnahmen ein Ende haben und dergleichen. Ich denke, da ist ein gewisses Fenster, das man unbedingt nutzen müsste, um den Menschen Hilfe zukommen zu lassen. Es geht nicht darum, den Staat zu finanzieren, also nicht Budgethilfe, sondern humanitäre Hilfe plus.

    Heinemann: Ein Fenster, sagen Sie. Nun kontrolliert Robert Mugabe immer noch den Sicherheitsapparat und das Militär. Hat Tsvangirai unter diesen Bedingungen überhaupt eine Chance?

    Sayer: Die Chance ist gering, aber die Lage des Volkes ist fatal und wenn ich sozusagen zwischen Pest und Cholera wählen muss, dann muss ich doch noch mal schauen: Wo komme ich um die Cholera zumindest herum? Wenn beispielsweise zurzeit die Erfahrung gemacht wird, dass die Cholera-Patienten nicht in die Krankenhäuser reinkommen können, aber 61 Prozent der Toten die Folge sind, dass sie nicht in einem Krankenhaus eine Behandlung bekommen haben, dann muss ich doch schauen: Wie komme ich um die Cholera herum? In Simbabwe sterben 4,6 Prozent derer, die an Cholera erkrankt sind. Normalerweise ist es ein Prozent. Das Schulwesen funktioniert nicht. Es braucht so etwas, dass die Kinder wieder in die Schule gehen können, und dass dann auch Fachkräfte, die das Land hat, wieder zurückkommen können aus Südafrika und sagen können, wir packen an und versuchen miteinander einen Wandel. Es geht darum, die Bevölkerung in dem Wandelwillen zu bestärken, und da ist dann vielleicht die Unterstützung von Tsvangirai und dem Finanzminister Biti ein Weg.

    Heinemann: Prälat Josef Sayer, der Hauptgeschäftsführer des bischöflichen Hilfswerks Misereor. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.