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Nicht "irgendwas zu verteilen" in Spanien

Markus Ferber, CSU-Europaparlamentarier und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung, sieht in Spanien als Hauptaufgabe die Schaffung neuer Wachstumszentren. "Das ist den Sozialisten nicht mehr zugetraut worden", kommentiert er den Wahlgewinn der Volkspartei.

Markus Ferber im Gespräch mit Bettina Klein |
    Bettina Klein: Am Telefon ist jetzt Markus Ferber (CSU). Er ist Europaparlamentarier und dort im Ausschuss für Wirtschaft und Währung. Ich grüße Sie, Herr Ferber.

    Markus Ferber: Schönen guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Hat die neue konservative Regierung nun das Wundermittel in der Hand, alles zum besseren zu wenden in Spanien?

    Ferber: Sie hat zunächst mal das Wundermittel zur Hand, dass sie auf keinen Koalitionspartner angewiesen ist, so wie momentan die Auszählung der Mandate ausschaut. Das heißt, es gibt keine Regionalpartei, die zur Koalitionsbildung notwendig ist. Und das heißt, das, was Spanien in der Vergangenheit immer wieder gelähmt hat, dass eine Regionalpartei für ihre Region – die Katalanen waren da groß erfahren – Sonderkonditionen aushandeln kann und Reformen schwerer machen kann, ist diesmal nicht möglich. Und ich denke, das ist eine gute Startbedingung, um das, was in Spanien notwendig ist, zu tun, nämlich wieder auf Wirtschaftswachstum zu setzen.

    Klein: Der Vorgänger, Zapatero, hat ja sein Land mit einem harten Sparkurs versucht, durch die Krise zu steuern. Der neue wird voraussichtlich noch mehr sparen müssen. Wo genau liegt für Sie der Unterschied für die Spanier?

    Ferber: Ich glaube, das ist eine Entwicklung, die wir in anderen Ländern auch schon erlebt haben, dass ein Kurs begonnen wurde, der nach einem Regierungswechsel fortgesetzt werden muss. Das ist in Irland so, das ist in Portugal so, das ist jetzt auch in Spanien so. Spanien hat aber ein Sonderproblem: Durch die große Immobilienblase, die geplatzt ist, hat Spanien aus der Wirtschaftskrise heraus ganz schwer Anschluss gefunden an das, was wir in Deutschland erleben. Und deswegen geht es darum, in Spanien neue Wachstumszentren zu schaffen, nicht nur auf die Immobilienwirtschaft zu setzen. Und ich glaube, dass da Vertrauen in die PP sehr groß war, weil der letzte große Aufschwung, der in Spanien viele Menschen auch positiv erreicht hat, wurde von der Partido Popular organisiert. Und deswegen ist da besonderes starkes Vertrauen vorhanden gewesen bei den Wählerinnen und Wählern.

    Klein: Pikanterweise hat nun aber der konservative Politiker Rajoy gegen das Sparpaket seines Vorgängers gestimmt. Und das hat ihm möglicherweise jetzt auch die Wahl beschert. Im Amt jedoch wird er nicht viel anders handeln können, das ist natürlich auch bittere Ironie.

    Ferber: Ja, aber auch das ist eine Erfahrung, die wir aus anderen Ländern haben. Wenn Sie sich den Ministerpräsidenten von Portugal anschauen, Coelho, hat der ja auch die Neuwahlen herbeigezwungen, indem er gegen ein Sparpaket der Regierung Sócrates gestimmt hat und musste dann danach strengere Sparmaßnahmen ergreifen. Ich glaube, die Spanier wissen das auch, und in Spanien hat ja etwas stattgefunden, was einmalig ist, nämlich dass im Wahlkampf sich beide große Parteien auf eine Schuldenbremse a la deutsches Modell verständigt haben und das in die Verfassung geschrieben haben. Das heißt, den Spaniern war, glaube ich, schon bekannt, dass es jetzt nicht darum geht, irgendwas zu verteilen, sondern dass die Einschnitte fortgesetzt werden müssen. Aber noch mal: In Spanien geht es ganz konkret darum, neue Wachstumschancen zu schaffen. Und das ist den Sozialisten nicht mehr zugetraut worden, das wurde der Partido Popular zugetraut.

    Klein: Aber diese Partei hat sich eben gerade sehr bedeckt gehalten, als es darum ging zu erklären, welche konkreten Schritte sie plant. Haben Sie denn eine Vorstellung davon oder vielleicht auch Informationen, die uns noch nicht vorliegen, was genau Rajoy plant?

    Ferber: Also zunächst mal ist, glaube ich, das auch eine Erfahrung, die sie aus dem deutschen Wahlkampf gezogen haben. Ich will hier nur in Erinnerung rufen, dass nach dem Abgang von Schröder als Bundeskanzler die Union in den Umfragen hervorragend dastand, dann ein sehr konkretes Programm vorgelegt hat und am Ende fast gleichauf mit der SPD ins Ziel gegangen ist und wir haben die Große Koalition bekommen. Also, von der Strategie her, denke ich, hat Rajoy daraus die richtigen Schlüsse gezogen. Nein, noch mal: Es geht um die Kernfrage in Spanien. Wie kann ein wirtschaftlicher Impuls gesetzt werden, wie kann in Spanien im Bereich von Wachstumskernen, die ja dort vorhanden sind, der ganz große Unterschied zu Griechenland, zusätzliche Beschäftigung geschaffen werden, um die Probleme im Immobiliensektor, im Bausektor zu überwinden? Das ist die Kernfrage, um die es geht.

    Klein: Aber eine konkrete Antwort darauf haben Sie im Augenblick auch nicht?

    Ferber: Ja, ich habe nicht das Regierungsprogramm von Herrn Rajoy geschrieben.

    Klein: Herr Ferber, zum wiederholten Male wird eine Regierung in diesem Jahr vor dem Hintergrund der Schuldenkrise abgewählt. Sie hatten es bereits angedeutet. Sehen Sie das als Europapolitiker auch mit gemischten Gefühlen, oder halten Sie das für einen gesunden Reinigungsprozess im Zuge dieser Krise?

    Ferber: Auch hier kann ich wieder nur auf Beispiele verweisen. Als Neuseeland einen Sparkurs einschlagen musste, hat es drei Regierungen verschlissen, wenn ich das so hart sagen darf. Und das ist etwas, was wir jetzt auch in Europa erleben. Es geht darum, kontinuierlich einen Umbau des Staates zu organisieren, sich zu reformieren. Und das bedeutet auch, dass ein Regierungswechsel nicht bedeuten darf, dass hier dieser Kurs verlassen wird. Das haben wir in Irland erlebt, das erleben wir in Portugal, wir erleben es jetzt in Spanien, wir erleben es in Griechenland, in Italien. Wir haben es in Deutschland erlebt in der Vergangenheit, auch das gehört mit dazu, und ich denke, dass das der einzig vernünftige Weg ist, dass nicht Reformen, die von einer Regierung begangen wurden, begonnen wurden, die dann zur Abwahl geführt haben, von der nächsten aufgehört werden, sondern sie müssen fortgesetzt werden.

    Klein: Der Ruf nach Eurobonds zum Beispiel und auch nach dem verstärkten Eingreifen der EZB kam auch aus Spanien, durchaus zum Missfallen Deutschlands. Nun lesen wir heute auf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung, dass EU-Kommissionspräsident Barroso sich offenbar verstärkt für diese Eurobonds einsetzen will. Er will diesen Informationen zufolge am Mittwoch dieser Woche verschiedene Vorschläge unterbreiten. Wie nahe sind wir denn an den Eurobonds?

    Ferber: Wir sind nicht nahe an den Eurobonds. Was die Kommission jetzt vorschlägt, ist ein sogenanntes Grünbuch, wo also angeschaut wird: Was gibt es für Vorteile, was gibt es für Nachteile, wie kann man Eurobonds organisieren, wie kann man sie nicht organisieren. Das ist jetzt kein Beschlussvorschlag, wo am nächsten Tag die Eurobonds die Märkte überschwemmen. Und ich möchte schon darauf hinweisen, wer Eurobonds einführen will, der muss sich auch bewusst sein, dass dazu die Verträge zu ändern sind. Das heißt nämlich, dass eine konkrete Schuldenübernahme beschlossen werden muss. Verträge können nur einstimmig geändert werden. Ich sehe also nicht, dass morgen schon die ersten Eurobonds an den Finanzmärkten gehandelt werden, sondern hier wird bewusst von interessierten Gruppen angeregt, die ja auch prominente Fürsprecher wie den Chef der Euro-Gruppe Jean-Claude Juncker haben, dieses Instrument einzuführen. Ich halte das aber für brandgefährlich, weil wer die Schulden der Mitgliedsstaaten europäisiert und damit anonymisiert, der wird die Probleme nicht lösen, sondern nur verlagern.

    Klein: Und aus diesem Grund hat sich die Bundesregierung bisher gegen diese Eurobonds zur Wehr gesetzt?

    Ferber: Absolut zurecht, ja.

    Klein: Gehen Sie davon aus, dass die Bundeskanzlerin bei diesem Kurs nicht nur in den nächsten Tagen, sondern auch Wochen und Monate bleiben wird?

    Ferber: Die Bundeskanzlerin wird bei diesem Kurs bleiben. Und das absolut zurecht. Noch mal: Eine Anonymisierung sprich Europäisierung der Schulden löst keine Probleme, sondern delegiert nur Verantwortung auf eine andere Ebene. Und ich hoffe, dass auch zukünftige Bundesregierungen diesen Kurs beibehalten. Es gibt ja auch in Deutschland Parteien, die Eurobonds nachhaltig unterstützen. Und darüber sollte man dann auch in der Innenpolitik sehr offen reden.

    Klein: Der Europaparlamentarier Markus Ferber war das heute Morgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Vielen Dank dafür und einen schönen Tag, Herr Ferber.

    Ferber: Gerne, Frau Klein.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.