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Nichtrauchen auf dem Stundenplan

Schülerin Miriam: "Herr Melters, haben Sie noch ein Feuerzeug? "

Von Solveig Bader | 29.03.2005
    Johannes Melters: "Eigentlich ist es ja hier schon Nichtraucherzone. Ihr dürft ja gar nicht hier rauchen. "

    Miriam: "Tun wir trotzdem, und zwar geheim. "

    Miriam ist 16 Jahre alt. Drei bis vier Zigaretten raucht sie an einem ganz normalen Schultag. In den Pausen. Heimlich, irgendwo auf dem Schulhof. Sie ist da nicht alleine. Rund 200 der insgesamt 1000 Schüler an der Gesamtschule Holsterhausen greifen regelmäßig zur Zigarette, weiß Deutsch- und Philosophielehrer Johannes Melters:

    " In Klasse 5 und 6 wird zur Zeit kaum geraucht. Wenn, in Klasse 6 zwei bis drei Schüler. In der 7 geht es dann relativ sprunghaft los, dass in jeder Klasse so eine Art Clique zusammenkommt von vier bis fünf Schülern, die rauchen. In der 8 wird es dann ein bisschen mehr. Und dann kommt noch mal ein richtiger Sprung in 9 und 10, wo zwischenzeitlich ein Viertel, in einigen Klassen vielleicht ein Drittel raucht. "

    Ziel der Gesamtschule Holsterhausen ist, eine der ersten rauchfreien Schulen in Essen zu werden. Johannes Melters ist nicht nur Lehrer, sondern auch als Drogenberater an der Schule tätig. Er hat das Konzept für die Antirauchkampagne entwickelt und sich hohe Ziele gesetzt.

    " Rauchfrei heißt zunächst einmal, dass wirklich das gesamte Schulgelände rauchfrei ist. Es betrifft die gesamte Schulgemeinschaft, also Lehrer, Eltern, Schüler, technisches Personal, Hausmeister und so weiter. Dort gibt es keine Ausnahmen."

    Das heißt: Auch auf Schulfesten darf niemand auf dem Schulgelände rauchen. Auch wenn es immer noch heimliche Raucherecken gibt und vermutlich auch in Zukunft geben wird - die Regeln sind dennoch eindeutig.

    " Wenn Schüler der Sekundarstufe 1 beim Rauchen erwischt werden, dann gibt es eine Raucherliste, und diese Schüler müssen nacharbeiten und in dieser Nacharbeitsstunde über das Rauchen reflektieren, schriftlich. Das ist eine Sache, die vom Effekt eher schlecht ist. Deshalb haben wir jetzt ein Programm entwickelt von Klasse 5 bis Klasse 10 zur Rauchaufklärung, zur Prävention, aber halt auch, um Schülern und Lehrern, die rauchen, Hilfestellungen anzubieten. "
    Aufklärung und das offene Gespräch mit den Schülern nützen mehr als Strafen, so die Erfahrungen der Lehrer. Deshalb wird das Thema "Nichtrauchen" in den Unterricht integriert. Dafür werden Lehrer zusätzlich ausgebildet. Wenn in der sechsten Klasse im Biologieunterricht gerade über die Atmung gesprochen wird, ist parallel dazu eine Exkursion in eine Klinik geplant. Dort kommen die Schüler mit Lungenkrebspatienten in Kontakt und werden über gesundheitliche Risiken durch Zigarettenkonsum aufgeklärt. Im Mai startet für die siebten Klassen ein Projekt zum Thema Drogen, so Johannes Melters:

    " Ich denke, das muss man ganzheitlich ansehen. Denn Rauchen ist ebenso ein Problem wie Alkopops und Marihuana, das zur Zeit wieder sehr en vogue ist. Das ist ein Komplex, den man zusammen abhandeln muss. "
    Ab der achten Klasse heißt das Motto der Antirauchkampagne nicht mehr: "Einstieg verhindern", sondern "Ausstieg erleichtern". Denn ein Großteil der Schüler raucht bereits regelmäßig.

    " Viel, eine halbe Schachtel. "

    " Ich fand das mal cool, und dann wollte ich eigentlich wieder aufhören, aber das ging dann nicht. "

    Hilfestellungen zum Ausstieg können die Eltern häufig nicht geben. Denn viele sind selber nikotinabhängig. Mit erhobenem Zeigefinger und Strafen können auch Lehrer bei den rauchenden Schülern nicht landen. Deshalb werden zur Zeit Schüler zu Drogenexperten ausgebildet. Ziel der sogenannten "Health Angels" ist, für andere Schüler Ansprechpartner zu sein und ihnen zu helfen. Walter Jankowski ist Suchttherapeut und leitet das Projekt an der Essener Gesamtschule.

    "Das Grundgerüst sind die Basisinformationen über Suchterkrankungen, von Alkohol über Alkopops, Cannabis, Speed bis hin zu Essstörungen, Magersucht vor allen Dingen.
    Wir gehen dann in die Einrichtungen rein, die eventuell Hilfe leisten können. Die Schüler sollen die Atmosphäre erleben und auch die Wege kennen lernen. Sie wollen ja helfen. "
    Die ausgewählten Schüler sind jedoch keine Musterschüler, die mit pädagogisch wertvollen Ratschlägen rauchende Mitschüler belehren sollen. Die Teilnehmer haben sich freiwillig gemeldet, weil sie selber geraucht oder schlechte Erfahrungen im Freundeskreis oder in der Familie gemacht haben.

    " Ich finde das Rauchen Scheiße. Ich habe mehrere Freunde, die auch schon Drogen genommen haben, die auch Alkohol trinken und denen möchte ich gerne helfen. "

    " Weil meine Eltern rauchen und ich denen auch beim Aufhören helfen möchte. Und meine Freunde in meiner Klasse, da gibt’s auch welche, die rauchen auch, und denen wollte ich dabei auch helfen, aufzuhören. Ich hab auch schon geraucht, aber ich hab aufgehört. Ich hab es geschafft. "
    Wer es dennoch nicht allein schafft, kann jederzeit professionelle Hilfe bekommen. Auch die Eltern. Johannes Melters sucht in den Pausen immer wieder das Gespräch mit den Schülern.


    Melters: "Und zwar für Schüler, die keinen Bock mehr haben zu rauchen, weil vielleicht der Freund sagt: Äh, du stinkst so ekelig oder weil es zu viel Kohle ist, die dabei drauf geht, werden wir für euch Antiraucherkurse besorgen. Wer will. Die wären dann sogar kostenfrei, du musst da nichts für bezahlen. "

    Schülerin: "Mal sehn, vielleicht kann ich ja noch andere anstiften. "

    Melters: "Das wird im Mai ein Kurs und ein Kurs im Juni sein mit Leuten von der Ruhrland-Klinik, also richtige Profis und die machen dann eine individuelle Beratung, wie ihr davon wegkommt. "