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"Nichts an Klimaschutz mehr"

Der geplante Bau von 40 Offshore-Windparks bis 2020 ist nach Ansicht von Manuel Frondel, Leiter des Bereichs Umwelt und Ressourcen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen, ein teurer Klimaschutz. Ein wesentlich effizienteres Klimaschutzinstrument sei der bereits existierende Emissionshandel.

Manuel Frondel im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Strom für 12 Millionen Haushalte, eine Leistung wie acht Kraftwerke von der Größe des Reaktors Krümmel, dieses Potenzial sieht Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee für die Windkraft. Bis 2020 sollen 40 Windparks in der tiefen Nord- und Ostsee entstehen. Einen wichtigen Impuls dafür will der SPD-Politiker heute geben, gut eine Woche vor der Wahl, und eine entsprechende Verordnung über die deutschen Windparkgebiete dem Bundeskabinett vorlegen, denn noch ist der Bau nicht so recht in Gang gekommen.

    Die Pläne des Bauministers wollen wir einordnen. Frage an Manuel Frondel, der den Bereich Umwelt und Ressourcen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen leitet: Sind das denn neue Ideen, die Wolfgang Tiefensee präsentieren will?

    Manuel Frondel: Wind-Offshore-Parks und die Nutzung von Windkraftanlagen zur Erneuerbaren-Energien-Erzeugung, sprich zur Stromerzeugung, ist definitiv nichts Neues. Es gibt vor der dänischen Küste und vor der Küste von Großbritannien bereits sogenannte Offshore-Windparks, die also auf der See stehen. In Deutschland kennen wir alle schon die Nutzung von Windkraftanlagen an Land. Also insofern: Diese Art der Stromerzeugung ist sicherlich nichts Neues.

    Schulz: Kritik kommt ja auch ganz konkret von den Grünen, die auf ein rot-grünes Urheberrecht verweisen. Die Pläne seien alt, gingen auf den Anfang des Jahrhunderts zurück. Ist diese Kritik berechtigt?

    Frondel: Nein, überhaupt nicht. Wenn etwas noch nicht umgesetzt worden ist aus verschiedenen Gründen, dann müssen diese Pläne nicht unbedingt schlecht sein. Meine Kritik ist allerdings diejenige, dass wir relativ viel Geld für Klimaschutz ausgeben würden, wenn wir diese Windkraftparks errichten, und wir zahlen auch weitaus mehr als für Windkraftstrom an Land. Also es ist doch recht teuerer Klimaschutz, den wir uns damit leisten.

    Schulz: Das heißt, die Politik, die diese Offshore-Produktion jetzt auch nach vorne bringen will, ist eigentlich auf dem falschen Weg?

    Frondel: Ja, insbesondere deswegen, weil es ein wesentlich effizienteres Klimaschutzinstrument gibt, nämlich der sogenannte Emissionshandel, in den Deutschland wie viele andere europäische Länder auch eingebunden ist, und die Koexistenz zweier Instrumente, nämlich des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes, mit Hilfe dessen man Windenergie-Strom subventioniert, und dem Emissionshandel, führt dazu, dass nichts an Klimaschutz mehr produziert wird durch das Erneuerbaren-Energien-Gesetz, als was bereits durch den Emissionshandel realisiert wird. Das heißt, wir bringen netto gesehen keinen zusätzlichen Klimaschutz zu Stande, indem wir in Windparks investieren.

    Schulz: Das heißt also, dass die Kritiker, die bislang monieren, die Vorstöße für die Windenergie kämen jetzt zu spät, auch Unrecht haben, weil insgesamt die Richtung eine falsche ist?

    Frondel: Ja. Die Richtung ist eine falsche. Wir müssen Klimaschutz wesentlich effizienter betreiben, wesentlich kostengünstiger betreiben, als wir das mit Hilfe des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes und insbesondere mit Offshore-Windparks tun, und noch viel schlimmer und noch viel verschwenderischer sind wir bei der Fotovoltaik. All diese Sachen würden in einem effizienten Klimaschutz-Szenarium überhaupt nicht vorkommen, insbesondere deswegen, weil in Deutschland doch der Wind relativ schwach weht und vor allen Dingen in Deutschland die Sonne zu selten scheint.

    Schulz: Gilt das denn nur für Deutschland, oder gilt das auch für Länder wie zum Beispiel Großbritannien, die bei der Windkraft ja schon recht weit vorne sind?

    Frondel: Im Prinzip gilt das für alle Länder, die in den Emissionshandel integriert sind, das heißt sämtliche Länder der EU. Für die gilt, dass Investitionen in erneuerbare Energien keinen zusätzlichen Klimaschutz bewirken, solange es das Instrument des Emissionshandels gibt.

    Schulz: Wenn wir jetzt doch aber noch mal konkret bei dem Vorstoß von Wolfgang Tiefensee bleiben. 25 Windparks sind schon genehmigt, gebaut ist aber erst einer. Was muss denn passieren, damit der Bau von Windstromanlagen, der politisch ja offenbar gewollt ist, in Gang kommt?

    Frondel: Insbesondere war ein wesentlicher Schritt die Erhöhung der Einspeisevergütung von rund 9 Cent auf 15 Cent pro Kilowattstunde. Das war der wesentliche finanzielle Anreiz. Ohne den wäre es gar nicht gegangen. Nun sind noch diverse rechtliche Barrieren zu überwinden, Genehmigungsvorgänge zu beschleunigen, und dann sollte eigentlich der Installierung von Windparks offshore relativ wenig im Wege stehen.

    Schulz: Sie haben Ihre Kritik ja gerade ziemlich deutlich zum Ausdruck gebracht. Jetzt liegen die Pläne von Wolfgang Tiefensee ja auf dem Tisch, danach sollen bis 2020 rund 40 Parks umgesetzt und gebaut worden sein, das soll 12 Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Für wie realistisch halten Sie so ein Szenario?

    Frondel: Ich halte es für sehr realistisch, dass dieser Ausbau kommt, denn der Ausbau wird vor allen Dingen vorangetrieben von den großen Stromerzeugern in Deutschland. Es gibt sehr handfeste Gründe dafür. Zum einen sind die Einspeisevergütungen für Offshore-Wind mit 15 Cent pro Kilowattstunde sehr attraktiv. Sie sind über 20 Jahre gewährleistet. Das heißt, die Investitionen haben von der Einnahmeseite her ein geringes Risiko. So was ist natürlich sehr willkommen für einen Investor, ein relativ risikoloses Investment. Auf der anderen Seite muss man ganz klar sehen, dass die Stromerzeuger dadurch in Technologien investieren, für die sie keine CO2-Zertifikate im Emissionshandel erwerben müssen. Das ist noch ein zweiter, ganz handfester finanzieller Anreiz. Aus diesen beiden Gründen heraus wird es sehr schnell an die Umsetzung dieser Windparks gehen.

    Schulz: Die Hindernisse, die es bis jetzt noch gibt, die werden sich dann von alleine Schritt für Schritt erledigen?

    Frondel: Genau, denn was wir damit machen ist im Grunde, den großen Stromerzeugern zu helfen, ihre Klimaschutzziele leichter und schneller umzusetzen, und finanziert wird das vom deutschen Stromverbraucher.

    Schulz: Manuel Frondel, Leiter des Bereichs Umwelt und Ressourcen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen, heute Morgen im Deutschlandfunk. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.