Manfred Schmidt "Aus den Ohren kam, was sie hörten, aus dem Mund kam eine Blase, was sie sagten, aus dem Kopf, was sie dachten, und von der Seite kam auch noch was rein. Also soweit sinken wir in Deutschland nicht, das ist die dümmste aller Literaturformen, die es überhaupt geben kann! Und ich machte eine Parodie darauf, auf Superman und was da so war. Und die Parodie ist absolut daneben gegangen. Die Leute haben das als das genommen, was ich verhindern wollte", so der Zeichner Manfred Schmidt rückblickend über die von ihm erfundene Comicfigur Nick Knatterton.
"Oh, Nick Knatterton! Oh, Nick Knatterton! Jeder Gauner bebt allein von deinem Lächeln schon; nur ein Schuss und hundertzehn Banditen röcheln schon!
"Er hat die Kombinationsgabe Einsteins, die stahlharten Muskeln Tarzans und ein weiches Herz, wenn es die Situation erlaubt."
Detektiv mit Fallschirm im Hosenboden
Erfuhren die Leser, als Nick Knatterton am 3. Dezember 1950 in der Münchner Illustrierten Quick seinen ersten Auftritt hat.
"Sein 2.875. Abenteuer, eines der gefährlichsten seiner phantastischen, unerhörten Laufbahn, ‚Der Schuss in den künstlichen Hinterkopf‘ beginnt in diesem Heft."
Schirmmütze, Hakennase, spitzes Kinn, Pfeife und karierter Knickerbocker-Anzug. Vom Aussehen ähnelt Nick Knatterton Sherlock Holmes, doch auf Verbrecherjagd agiert er wie in einem Dreigroschenheft. Haarsträubende Handlung, bewusst unglaubwürdige Wendungen, doch die Berufsausrüstung ist der Knaller: Ausklappbare Räder an den Schuhen, Fallschirm im Hosenboden, kugelsicherer Hinterkopf. Eine Parodie auf James Bond.
Knattertons Gegenspieler sind kurvenreiche Fabrikantengattinnen, gerissene Halbweltschönheiten, prüde Kunstsammler und geldgierige Ganoven. Ein Spiegelbild der Wirtschaftswunderjahre mit ihrer neureichen Aufgeblasenheit, geschäftlichen Hektik und neuentdeckten Sexualität.
"Ich habe natürlich versucht, ein bisschen was Munteres reinzubringen. Der Redakteur sagte, wenn du Busen und Popo zeichnen kannst, ist schon alles gerettet. Und dann eine Klamotte, eine politische irgendwas und dann eine Anspielung auf die Tagesereignisse, und ich versuchte, das möglichst unterhaltsam zu machen, also auch für Erwachsene."
Knatterton - auch im Ausland äußerst beliebt
Gestichelt wird gegen Ämter und Behörden. Der Indianerhäuptling "alter Fuchs vom großen Schoko-Berg", der das Kriegsbeil gegen den Willen seines Stammes ausgraben will, trägt Züge von Bundeskanzler Adenauer. Schmidt, ein glühender Pazifist, lehnt die von der Bundesregierung geplante Wiederbewaffnung strikt ab.
Im Ausland werden die Bildergeschichten fleißig nachgedruckt, in der Türkei die Rundungen der Protagonistinnen verstärkt, in Holland geglättet. Probleme gibt es 1955 in Bayern, als die Münchner Straßenbahn auf ihren Tickets für die städtischen Freibäder mit Knatterton und üppig gezeichneten Badenixen wirbt und CSU-Stadträtin Centa Hafenbrädl über "Unzucht auf Kinderfahrscheinen" wettert.
Ein sensationeller Erfolg im Nachkriegsdeutschland
Der Bundesgerichtshof hingegen verteidigt Nick Knatteron gegen den Vorwurf von Schlüpfrigkeit und Schund: "Die Kriminalerzählung kann nicht ohne weiteres als sittlich gefährlich angesehen werden, auch wenn sie durch Entwertung des echten Bildes und der menschlichen Sprache als Verständigungsmittel der geistigen Verflachung und Verkümmerung Vorschub leisten mag."
Nick Knatterton wird zum sensationellen Erfolg im Nachkriegsdeutschland nicht nur als Comicfigur, sondern auch als Merchandising-Artikel von der Puppe über einen Schnaps bis hin zum Waschlappen. Von 1950 bis 1964 zeichnet Schmidt über 500 Folgen, wird schwerreich, aber auch fast depressiv, weil er seine Figur loswerden will, doch die Fans sich sträuben. Später gelingt ihm eine zweite Karriere als zeichnender Reisejournalist, bevor er 1999 im Alter von 86 Jahren stirbt.
Manfred Schmidt kennt heute niemand mehr, wohl aber Nick Knatterton, die Comicfigur. In einer Zeit, in der auf westdeutschen Leinwänden mit "Schwarzwaldmädel" und "Kaiserin Sissi" Kitsch, Rückwärtsgewandtheit und Prüderie triumphierten, war das witzig, frech und modern - wenn man von dem dargestellten sexistischen Frauenbild absieht, das schon damals alles andere als fortschrittlich war.
"Kombiniere, kombiniere, dass Dir nichts misslingen kann ..."