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Nicolas Sarkozy und die Furcht vor der Justiz

Am Abend der Wahlniederlage hat Nicolas Sarkozy seinen Abschied aus der Politik angekündigt. Mit dem Verlust seiner Immunität könnte sich schon bald die französische Justiz für ihn interessieren. Denn Schmiergeld- und Parteispendenaffären sind ihm zuletzt gefährlich nahe gerückt.

Von Hans Woller |
    Die für Nicolas Sarkozy unangenehmste Affäre ist sicherlich die um die L'Oreal Erbin, Liliane Bettencourt. Vor Sarkozys Wahl zum Präsidenten - 2007 sollen aus dem Haus Bettencourt 150.000 Euro Bargeld an seine Partei geflossen sein. Der Schatzmeister der UMP, Sarkozys ehemaliger Arbeitsminister, Eric Woerth, wurde in dieser Affäre schon vor gut einem Jahr angeklagt.

    "Nicolas Sarkozy muss sich erklären , denn was man die Woerth Affäre nannte, wird immer mehr zur Sarkozy Affäre","

    betonte jüngst Hervé Algalarondo, einer der Investigativjournalisten, die den Fall seit Anfang an bearbeiten.

    ""Kann man sich wirklich vorstellen, dass ich dort zum Essen eingeladen bin und mit Bargeld wieder nach Hause gehe?"

    So Nicolas Sarkozys empörte Reaktion vor eineinhalb Jahren.

    Doch jetzt sind die Untersuchungsrichter in der Schweiz fündig geworden, haben zwei Bargeldabhebungen von jeweils 400.000 Euros ausfindig gemacht, die im Februar und März 2007 getätigt worden waren, von Bettencourts damaligem Vermögensverwalter, Patrick de Maistre , welcher zu jener Zeit den Schatzmeister von Sarkozys UMP mehrmals getroffen hatte. De Maistre sitzt deswegen seit Ende März sogar im Gefängnis, schweigt aber beharrlich.

    "Wie so oft vor Präsidentschaftswahlen gibt es ein paar Stinkbomben, das ist klassisch und überrascht keinen","

    versuchte Nicolas Sarkozy diese neuesten Informationen kurz vor dem Urnengang am vergangenen Sonntag herunter zu spielen. Der bisherige sozialistische Fraktionschef und mögliche künftige Premierminister, Jean Marc Ayrault erwiderte:

    ""Von Stinkbomben zu sprechen kommt fast einer Beschimpfung der Justiz gleich. Wir wollen die Wahrheit und wollen, dass die Justiz unabhängig arbeiten kann. Ich finde es sehr merkwürdig, dass Nicolas Sarkozy von Stinkbomben spricht, als wäre ihm das Ganze unangenehm."

    Dazu kommt: Zwei Le Monde Journalisten, die in dieser Affäre etwas zu intensiv recherchiert hatten, waren vom Nachrichtendienst bespitzelt worden. Der Chef des Nachrichtendienstes, Sarkozy-Intimus Squarcini und Generalstaatsanwalt Courroye – ebenfalls Sarkozy nahe stehend –, sind dafür inzwischen angeklagt worden.

    Die andere Affäre, bei der der Ex-Präsident ab Mitte Juni um eine richterliche Vorladung kaum herum kommen wird, ist das sogenannte Karachigate. Ein U-Boot-Geschäft für 800 Millionen Euro mit Pakistan 1994, bei dem 80 Millionen Euro Schmiergelder flossen , wovon einige Millionen über Steuerparadiese wieder nach Frankreich zurück kamen – zur Finanzierung des Präsidentschaftswahlkampfs von Edouard Balladur, dem damaligen Premierminister. Davon sind zumindest die Untersuchungsrichter überzeugt. Zwei von Sarkozys engsten Vertrauten, darunter Nicolas Bazire, sein Trauzeuge bei der Hochzeit mit Carla Bruni, sind in dem Zusammenhang mittlerweile angeklagt. Nicolas Sarkozy galt damals als Ziehsohn von Balladur, war sein Budgetminister und ab Anfang 1995 sein Wahlkampfsprecher im Rennen um das Präsidentenamt. Fabrice Lhomme, Autor eines Buchs über die Karachi-Affäre:

    "Als Budgetminister hat er damals die Gründung der Postkastenfirma HEINE in Luxemburg abgesegnet, über welche die Schmiergelder verteilt wurden und war gleichzeitig Wahlkampfsprecher von Balladur, also musste er wohl eine kleine Vorstellung davon haben, wer wen wie finanzierte."

    Dieser Tage hat das Internetportal "Mediaport" noch eine weitere Affäre ins Rollen gebracht. Es veröffentlichte ein Dokument vom Dezember 2006, in dem festgehalten ist, dass Libyens ehemaliger Diktator Gaddafi Sarkozys Wahlkampf 2007 mit 50 Millionen Euros unterstützen wollte.

    ""Glauben sie, angesichts dessen, was ich getan habe, wirklich, dass Gaddafi mir eine Überweisung gemacht oder einen Scheck geschickt hat – das ist doch grotesk","

    sagte Nicolas Sarkozy, sprach von einer Fälschung und Verschwörung und reichte Klage ein. Aber immerhin: der in Tunesien einsitzende ehemalige libysche Premierminister Al Baghdadi, hat die im Dokument enthaltenen Informationen bestätigt und gesagt, er stehe der französischen Justiz zur Verfügung.