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Gedenken an Reichspogromnacht
"Nie wieder ist jetzt": Bundestag mahnt mehr Schutz jüdischen Lebens an

Der Bundestag hat zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland aufgerufen. Bundestagspräsidentin Bas und Innenministerin Faeser betonten gleichermaßen: "Nie wieder ist jetzt".

    Berlin: Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin für Inneres und Heimat, spricht in der Plenarsitzung im Deutschen Bundestag.
    Im Bundestag ist mehr Schutz des jüdischen Lebens angemahnt worden. (Bernd von Jutrczenka / dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Bas etwa sagte, Jüdinnen und Juden in Deutschland erlebten auch heute offenen Antisemitismus und Hass. Das sei unerträglich. Sie forderte, dass sich die historische Verantwortung Deutschlands für den Holocaust in konkretem Handeln zeigen müsse. Innenministerin Faeser kündigte härtere Strafen für antisemitische Verbrechen an.

    Auch Holocaust-Überlebende Friedländer eingeladen

    Das Parlament hatte eine Reihe von Ehrengästen eingeladen, darunter auch die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. Bas dankte ihr ausdrücklich dafür, dass sie bis heute mahne. Weitere Ehrengäste waren der israelische Botschafter in Deutschland, Prosor, und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Schuster.

    Faeser (SPD): "Es darf nicht weggeschaut werden"

    Bundesinnenministerin Faeser bezeichnete die Reichspogromnacht 1938 als schwarzen Tag. Sie sei der Beginn des Holocaust gewesen. Faser betonte, auch heute dürfe nicht weggeschaut werden, wenn Jüdinnen und Juden ermordet würden, so wie am 7. Oktober in Israel durch die Terrororganisation Hamas. In diesen Tagen dürfe es kein "Aber" geben. Israel habe in Deutschland viele Freunde und Unterstützer. Die Gesellschaft müsse jedoch viel lauter werden und sich dem Hass entgegenstellen.

    Dobrindt (CSU): Jüdisches Leben ist ein großes Geschenk

    Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Dobrindt nannte es ein wertvolles Geschenk, dass es nach der Shoa wieder ein reichhaltiges jüdisches Leben in Deutschland gebe. Das sei ein großer Vertrauensbeweis. Es müsse durch politische Taten gezeigt werden, dass dieses Vertrauen nach wie vor gerechtfertigt sei. Dobrindt forderte von der Bundesregierung konkrete Maßnahmen, um antisemitische Straftaten schärfer zu ahnden.

    Özdemir (Grüne): Kampf gegen Antisemitismus verträgt keine politischen Rituale

    Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir mahnte, ein ehrlich gemeinter Kampf gegen Antisemitismus vertrage keine politischen Rituale. Er könne nur dann erfolgreich sein, wenn die Parteien zusammenstünden. Der selektive Blick auf die Realität des Antisemitismus müsse aufhören, forderte Özdemir. Es sei verstörend, dass manche Linke angesichts des Terrors der Hamas daran scheiterten, Menschlichkeit zu zeigen und anzuerkennen, dass es sich um Terrorismus handele. Auch im rechtsextremen Spektrum sowie unter Muslimen gebe es ausgeprägten Antisemitismus. Es gehe um das Wertefundament, auf dem das Land stehe.

    Von Storch (AfD) erhebt Vorwürfe gegen sogenannte "Migrationslobby"

    Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD, von Storch, machte die - so wörtlich - "linke Migrationslobby" für den wachsenden Antisemitismus in Deutschland verantwortlich. Dieser zeige sich in Moscheen, aber auch im Kulturbetrieb und bei Organisationen wie Fridays for Future.

    Dürr (FDP): Hamas hat Menschen kaltblütig ermordet

    Der FDP-Fraktionsvorsitzende Dürr erinnerte an die Toten in Israel vom 7. Oktober. Die Hamas habe die Menschen kaltblütig ermordet, und es dürfe keinen Zweifel daran geben, dass Deutschland eng an der Seite Israels stehe. Man befinde sich heute, 85 Jahre nach der Reichspogromnacht, in einer handfesten Bedrohungslage für jüdisches Leben in Deutschland. Der Schutz von Jüdinnen und Juden sei die Verantwortung des deutschen Staates, und es dürfe nicht bei Appellen bleiben.

    Bartsch (Linke): Schande, dass jüdische Einrichtungen geschützt werden müssen

    Der Vorsitzende der Linksfraktion, Bartsch, betonte, jüdisches Leben in Deutschland sei ein Geschenk. Deutsche Jüdinnen und Juden seien Motoren des Fortschritts, der Kunst und der Freiheit gewesen. Bartsch nannte Karl Marx, Hannah Arendt, Albert Einstein und Heinrich Heine als Beispiele. Es sei eine Schande, dass heute jüdische Einrichtungen in Deutschland geschützt werden müssten.

    Gedenken in Synagoge

    Die zentrale Gedenkveranstaltung anlässlich der Reichspogromnacht vor 85 fand in einer Berliner Synagoge statt, mit Reden von Zentralratspräsident Schuster und Bundeskanzler Scholz. Auch Bundespräsident Steinmeier und Bundesratspräsidentin Schwesig werden erwartet. Die evangelische und die katholische Kirche laden für den Nachmittag in Berlin zu einem stillen Gedenkweg ein.
    Vor 85 Jahren - in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 - wurden Juden in Deutschland zum Ziel von Gewalt, die von den Nationalsozialisten organisiert und gelenkt war. Unter anderem wurden jüdische Geschäfte geplündert und zerstört sowie Synagogen niedergebrannt. Historiker gehen von mehr als 1.300 Menschen aus, die getötet wurden.

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    Diese Nachricht wurde am 09.11.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.