Dem Todesstoß für die Reform von Obamacare ging auch am letzten Tag dieser dramatischen Woche noch einmal ein stundenlanger Überlebenskampf voraus. Unter Aufbietung aller Kräfte versuchte der Präsident, die Gesetzesvorlage aus seinem Hause zu retten – 120 Einzelgespräche soll Trump mit Abgeordneten der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus geführt haben. Er warb, drohte und baute schließlich die Drohkulisse eines Ultimatums auf: Wenn am Freitag nicht abgestimmt werde, bleibe es bei Obamacare, polterte er noch am Donnerstag – koste es, was es wolle.
Doch auch am Freitag vergingen die Stunden. Und am späten Nachmittag wurde auch der dritte Abstimmungstermin abgesetzt Und schließlich die gesamte Gesetzesvorlage vom Präsidenten persönlich einkassiert. Schon als Paul Ryan, der offenbar doch nicht so einflussreiche republikanische Sprecher des Repräsentantenhause, zum Rapport ins Weiße Haus zitiert wurde, war klar: Aus dem Lager der Demokraten wird keine einzige Ja-Stimme kommen.
Ryan spricht von einer bitteren Enttäuschung
Und die Hardliner bei den Republikanern sind willens, die Vorlage zu versenken und die Parteiführung sowie den Präsidenten selbst öffentlich bloßzustellen. Am Ende gestand Paul Ryan, sichtlich angeschlagen, die herbe Niederlage ein. Er sprach von einer bitteren Enttäuschung und den Schmerzen, die es bereiten könne, von einer Oppositionspartei zur Regierungspartei zu werden.
Paul Ryan und der gesamten Mannschaft des Weißen Hauses war es nicht gelungen, Brücken zwischen den verfeindeten Lagern der Republikaner zu schlagen und damit vielleicht doch noch die eine oder andere Stimme gutzumachen. Die gemäßigten Kräfte der Grand Old Party blieben bei ihrem Nein, weil sie um die Krankenversicherung ihrer Klientel fürchteten und damit um Wählerstimmen. Und der ultrakonservative Block des sogenannten Freedom Caucus blieb seinem Nein, weil dessen Mitglieder dem Staat ohnehin jedes Recht auf öffentliche Gesundheitsfürsorge absprechen.
Als Trump dann die Vorlage kassiert hatte, war klar: Das Vorhaben ist gescheitert. Es wird bei Obamacare bleiben. Mit Spannung wurde erwartet, wem Trump wohl die Schuld für dieses politische Desaster in die Schuhe schieben würde – womöglich dem Autor der zuammengeschusterten Vorlage und dem Überbringer der schlechten Nachrichten, Paul Ryan? Mitnichten: Donald Trump nahm ausgerechnet die Demokraten für das Scheitern seiner Prestigereform in die Pflicht. Die eigentlichen Verlierer seien Nancy Pelosi und Chuck Schumer, die beiden demokratischen Fraktionschefs in Senat und Abgeordnetenhaus. Ihnen werde Obamacare noch gehörig auf die Füße fallen.
Nach Obamacare geht es nun um Steuerreform
Trump sagte Obamacare ein schlimmes Schicksal voraus - das staatliche Gesundheitssystem werde implodieren oder explodieren, jedenfalls wie auch immer in die Luft gehen, prophezeite er. Von seiner Seite sei nun keinerlei Initiative zur Reform der Krankenversicherung mehr zu erwarten. Immerhin gestand Trump ein, eine Lektion gelernt zu haben – wie man für Mehrheiten sorgt. Wie man Gesetze ein- und vor allem: durchbringt. Und dass man nicht auf die Loyalität von Mitgliedern der eigenen Partei setzen könne.
Donald Trump will sich nun von Obamacare ab- und einer Steuerreform zuwenden. Sprecher der Republikaner wiesen bereits alle Fragen empört zurück, ob man aus dem Scheitern des ersten Gesetzesvorhabens bereits auf das Schicksal des nächsten schließen könne. Doch öffnet diese krachende Niederlage in der Tat den Blick für die vernichtende Zwischenbilanz der ersten Wochen Donald Trumps im Amt: Das Einreiseverbot für Muslime: von den Gerichten gestoppt. Der Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko: Nicht finanzierbar.
Und das Ende von TPP: ein kapitaler strategischer Fehler. Beim Gedanken an den Termin der Zwischenwahlen im Jahre 2018 dürften sich an diesem Wochenende so manchem Republikaner die Haare sträuben.