Der Plan klingt ehrgeizig: Der größte Erdgasproduzent der EU, die Niederlande, wollen bis 2030 ihre Gasfelder stilllegen. Und das, obwohl das Land in den letzten 50 Jahren durch die Gasförderung rund 300 Milliarden Euro eingenommen hat. Außerdem soll ab 2050 dort kein Haus mehr mit Gas geheizt werden. Momentan sind noch 95 Prozent der niederländischen Haushalte an das Gasnetz angeschlossen. Auch deshalb ist der Ausstieg schrittweise angelegt. Die erste Änderung kommt aber bereits am ersten Juli, dann werden nur noch Baugenehmigungen für Häuser erteilt, die ohne Gas geheizt werden.
"Die hauptsächliche Alternative sind Wärmepumpen und Fernwärme", erklärt Caspar Tigchelaar vom Energieforschungszentrum ECN.
Es ist ein unabhängiges Forschungsinstitut, das von der Regierung mitfinanziert wird, vergleichbar mit den Fraunhofer Instituten in Deutschland.
"Wärmepumpen, das sind sehr effektive Heizsysteme, die holen sich Energie aus der Luft oder dem Boden. So kann man Energie sparen."
Fernwärme funktioniere in allen Gebieten gut, in denen viel Industrie ist.
"In den Niederlanden geht es gut rund um Rotterdam und Amsterdam, wo große Häfen sind. Aber im Osten, wo kaum Industrie ist, wird es schwierig.
Außerdem werde vermehrt an Heizsystemen mit Erdwärme geforscht, sagt Tigchelaar. Diese Methode berge im Moment aber noch einige Risiken.
Keine Entschädigung - dafür weniger Energieverbrauch
Bei der Umstellung von Gas auf alternative Energien müssen die Niederländer mit Kosten zwischen 8.000 und 15.000 Euro rechnen.
"Hausbesitzer werden für die zusätzlichen Kosten nicht entschädigt. Aber man hat Einsparungen im Energieverbrauch. Und es gibt Pläne, die Energiesteuern zu ändern. Dann würde man mehr Steuern auf Gas bezahlen und ein bisschen weniger auf Strom. Am Ende gibt man dann genauso viel für Energie aus, wie man für Gas ausgegeben hätte, oder sogar ein bisschen weniger als für Gas."
Jetzt sei die größte Herausforderung, die Umstellung für alle bezahlbar zu gestalten. Zirka 50 Prozent der Niederländer unterstützen laut Umfragen den Ausstieg. Auch auf einem Markt in Amsterdam gehen die Meinungen dazu auseinander. Eine Frau, die T-Shirts an einem Stand verkauft, fragt sich vor allem, wie die Umrüstung von Gas auf alternative Heizsysteme finanziert werden soll:
"Schauen Sie sich diese alten Häuser an, wer soll das bezahlen?"
Ein Deutscher Mitte 30, der seit elf Jahren in Amsterdam wohnt, bewertet den Gasausstieg dagegen positiv. Er besitzt eine Wohnung hier, die er umrüsten muss.
"Ich finde das gut, dass die den Ausstieg aus dem Erdgas machen wollen. Ich glaube auch nicht, dass man Leute damit ausschließt. Weil es Prämien gibt für den Übergang. Warum ich das gut finde? Weil es dann die Möglichkeit gibt, komplett umzusteigen auf grüne Energie."
Ein Mann Ende 20 begrüßt die Entscheidung ebenfalls:
"Irgendwann werden wir kein Gas mehr haben. Außerdem ist es nicht gut für die Umwelt und es gibt politischen Druck von mehreren Seiten. Ich denke, wenn wir grüne Energie bekommen, macht es ein Land unabhängiger."
Gas aus Russland für den Übergang: Nicht nur politisch schwierig
Übergangsweise werden die Niederlande Gas aus anderen Ländern brauchen, vor allem aus Russland. Das ist, unabhängig von der politischen Situation, ein Problem. Denn das russische Gas hat einen anderen Heizwert als das aus den Niederlanden. Gasbetriebene Geräte sind aber auf den jeweiligen Heizwert eingestellt.
In Deutschland beziehen unter anderem Niedersachen und Bremen Gas aus den Niederlanden. Deshalb müssen demnächst dort einige Geräte umgestellt werden. Inse Ewen von der Verbraucherzentrale in Bremen erklärt:
"Dementsprechend müssen gasbetriebene Heizungsanlagen, Trockner, Herde umgestellt werden auf dieses neue Gas, das möglicherweise aus Russland oder der Nordsee gewonnen wird. Diese Umstellung kostet Geld, aber das wird nicht bundeslandweise umgelegt, sondern das bezahlt jeder Verbraucher bundesweit über seine Gaspreise und die Gasgebühren."
Auch wenn Deutschland im Unterschied zu den Niederlanden den Gasausstieg noch nicht ins Visier genommen hat: Inse Ewen rät Hausbesitzern dazu, sich nach Alternativen umzusehen, wenn ein Austausch der Heizanlage ansteht.