"Wissen Sie, was alte Menschen sehr beruhigen würde? Wenn sie eine Pille in der Nachttischschublade hätten, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Ich bin mir sicher, dass diese Pille in den wenigsten Fällen geschluckt werden würde – es reicht schon die Tatsache, sie zu haben. Ich bin jetzt 75, ich hätte nichts dagegen. Nicht einverstanden allerdings bin ich damit, dass inzwischen auch Demenzpatienten bei uns Sterbehilfe bekommen. Das finde ich problematisch."
"Ich tue mich schwer damit, dass auch Psychiatriepatienten beim Sterben geholfen wird. Ich habe eine Cousine, die ist manisch-depressiv, ich weiß, wie sehr sie leidet, sie hat auch schon mal versucht, sich das Leben zu nehmen, das war ganz furchtbar. Aber trotzdem.
Und wer bloß alt ist und nicht krank, der sollte ebenfalls keine Sterbehilfe bekommen und auch nicht irgendeine Pille. Aber es ist gut, dass wir darüber diskutieren!"
Hat sich der niederländische Sterbehilfeparagraph von 2002 bewährt? Ist es gut, dass inzwischen nicht mehr nur die ursprüngliche Zielgruppe, also Krebspatienten im Endstadium, Sterbehilfe bekommt, sondern auch Psychiatriepatienten und Demenzkranke? Und was ist mit alten Menschen, die nicht krank sind, aber ihr Leben als vollendet betrachten: Haben auch sie ein Recht auf Sterbehilfe? Um nicht vor den Zug springen oder sich aus dem Fenster stürzen zu müssen?
Sterbehilfe am Ende eines erfüllten Lebens?
Es sind schwierige Fragen, mit denen sich die niederländische Gesellschaft in den nächsten beiden Monaten auseinandersetzen soll. Den Startschuss für diesen "Dialog über die letzte Lebensphase" hat der christdemokratische Gesundheitsminister Hugo de Jonge gegeben – unterstützt von gut einem Dutzend Organisationen, darunter Sterbehilfebefürworter wie Gegner, Humanisten, Christen, der größte Seniorenbund des Landes, Ärztekammer und nationale Patientenvereinigung.
Auslöser waren die liberalen D66-Demokraten: Die Partei macht sich seit Jahren für ein Gesetz stark, das es auch alten, aber gesunden Menschen ermöglichen soll, Sterbehilfe zu bekommen - nämlich dann, wenn sie ihr Leben als vollendet betrachten. Damit ist die Partei 2017 erfolgreich in den Wahlkampf gezogen. Initiatorin Pia Dijkstra von D66:
"Unser Gesetz ist für Menschen über 75, die sagen: Ich will selbst entscheiden können, in welchem Moment ich mein Leben beende, ich will nicht warten, bis ich völlig abhängig von Anderen bin und in einer Umgebungen, in der ich mein eigenes Leben nicht mehr führen kann. Auch diese Menschen müssen die Möglichkeit bekommen, sich in Würde vom Leben zu verabschieden."
Seit 2017 ist D66 Teil einer Vierparteienkoalition, der neben den Rechtsliberalen von Premier Rutte auch die Christdemokraten und die kleine strengcalvinistische ChristenUnie angehören – und diese beiden Parteien sind strikt gegen jede weitere Ausweitung der Sterbehilfepraxis.
Mehrheit der Bevölkerung möchte Reform
Als Kompromiss – so steht es auch im Koalitionsvertrag – wurde beschlossen, erst einmal eine breite gesellschaftliche Debatte über die letzte Lebensphase und den Tod zu führen. Die Ergebnisse sollen Ende Juni auf einem Symposium präsentiert werden.
Außerdem ließ das Gesundheitsministerium von der Universität Utrecht untersuchen, wie viele Niederländer ihr Leben überhaupt als vollendet betrachten. Ergebnis: Es geht nur um 0,18 Prozent der Bevölkerung – und bei den meisten ist der Todeswunsch weder eindeutig noch permanent.
Allerdings ging es bei den Befragten um Menschen über 55, nicht über 75. Die D66-Demokraten arbeiten deshalb unbeeindruckt weiterhin an ihrem Gesetzesentwurf. Sie wissen 55 Prozent der Wähler hinter sich, so ergab eine weitere Untersuchung