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Niederlande
Debatte um politisch tendenziösen Unterricht

Trump ist ein Trottel, Schüler sollten weniger Fleisch essen: Solche Lehrer-Aussagen gehören nicht in den Unterricht, findet ein niederländischer Schüler und sammelt Beispiele auf seiner Instagram-Seite. Das hat eine landesweite Debatte ausgelöst, bei der auch die Rechtspopulisten mitmischen.

Von Andrea Lueg |
Eine leere Schultafel und eine Schultasche.
Schule sollte frei sein von politischer Einflussnahme, findet der Schüler Mats Nelisse - viele Lehrkräfte gestalteten ihren Unterricht zu einseitig (imago / Ute Grabowsky)
Sein Philosophielehrer sei für ein bedingungsloses Grundeinkommen, erzählt Mats Nelisse, Donald Trump werde als korrupt bezeichnet, und zum Klimawandel würden fragwürdige Informationen als Wahrheit hingestellt. Mats Nelissse findet, dass viele Lehrer in den Niederlanden ihren Schülern linke Positionen aufzwingen und das will er ändern. Der 18Jährige, der ein Gymnasium in Schiedam in Südholland besucht, hat eine Instagram-Seite eingerichtet. Darauf sammelt er landesweite Beispiele solcher Indoktrinierung, wie er es nennt.
"Es geht nicht nur darum, dass das linke Positionen sind, sondern vor allem darum, dass es einseitig ist. Ich könnte theoretisch auch einige linke Standpunkte teilen, aber es ist eben alles so einseitig. Es ist immer nur eine Geschichte, es ist irreführend und es ist indoktrinierend."
Keine einseitigen Aussagen im Unterricht
Schon seit Jahren ärgert sich der Schüler darüber, dass seiner Meinung nach die meisten Lehrer politisch links sind und ihre Positionen im Unterricht offen äußern.
"Ich hab hier das Material in der Hand, mit dem wir derzeit Englisch sprechen üben. Und was mir hier vor allem ins Auge fällt ist die Frage und der Artikel: 'Which is worse: Trump or Brexit?'
Ausserdem gibt es darin Sätze wie:
"Radfahren ist umweltfreundlicher als Fliegen. Meine Mutter sagt, dass wir Wasser sparen sollten."
Für Mats Nelisse alles Aussagen, die "links" sind und im Unterricht nichts zu suchen haben. 15.000 Follower hat seine Seite seinen Angaben nach inzwischen und auch die rechtspopulistische niederländische Partei Forum für Demokratie sprang gleich auf den Zug auf. Sie richtete eine eigene "Meldestelle für linke Indoktrinierung an Schulen und Universitäten" im Internet ein – und löste eine Riesendebatte aus. Die Lehrerverbände befürchten eine Einschüchterung der Lehrer und vor allem die Tatsache, dass auch heimlich gefilmte Videos aus dem Unterricht inzwischen im Internet kursieren, halten viele für ein Problem. Schon wird überlegt, ob man Handys deshalb aus dem Unterricht verbannen sollte.
"Spionage in der Klasse - machen wir nicht"
Bei einer Debatte im Parlament unterstützte lediglich die ebenfalls rechtspopulistische PVV von Geert Wilders den Vorschlag von Forum für Demokratie. Premierminister Mark Rutte meinte:
"Ich halte das für eine bizarre Idee. Unsere Lehrer arbeiten auf hohem Niveau, wir haben eins der besten Unterrichtssysteme der Welt und wir haben wirklich gute Leute vor der Klasse stehen, die sollten wir auch respektieren und solche Blüten, die die Politik treibt, nicht allzu ernst nehmen."
Seine Schlußfolgerung:
"Spionage in der Klasse – machen wir nicht."
Schüler, vor allem in der Mittelstufe eines Gymnasiums, seien in der Lage mit ihren Lehrern zu diskutieren, deren Meinungen infrage zu stellen. So die Lehrerverbände. Wenn Lehrer eine Haltung hätten, hieße das noch lange nicht, dass sie die ihren Schülern aufzwängen.
Lehrer dürfen zu ihrer Überzeugung stehen
Aber was denkt der Rektor von Mats Nelisses Gymansium über die Vorwürfe?
"Indoktrinierung, das ist so ein Begriff, der suggeriert, dass wir Schüler bewusst einseitig unterrichten. Das denke ich nicht."
Sagt Benedict Hamans. Aber was ist, wenn ein Lehrer zum Beispiel im Unterricht sagt, man sollte weniger Fleisch essen?
"Das ist vielleicht die Überzeugung von einem Lehrer. Und ich bin froh, wenn Lehrer zu ihrer Überzeugung stehen und sie aussprechen."
Und die Aussage eines Lehrers, Trump sei ein, vorsichtig übersetzt, Trottel?
"Von so einem Vokabular halte ich nichts, ich hoffe auch nicht, dass das so an unserer Schule gesagt wurde."
Indoktrinierung bewußt machen
Mats Nelisse betont, dass es nicht seine Idee war, einen Meldepunkt einzurichten, bei dem Lehrer womöglich namentlich genannt werden. Er wolle mit Hilfe sozialer Medien lediglich Beispiele für das, was er Indoktrinierung nennt, aus dem ganzen Land sammeln.
"Mein tatsächliches Ziel ist es, dass das wahrgenommen wird und sich verändert. Es ist wirklich gravierend, was manche Lehrer tun und ich finde, man muss sie darauf ansprechen."
Die Meldestelle, die die Rechtspopulisten vom Forum für Demokratie eingerichtet haben, will vorerst keine Namen von Lehrern veröffentlichen. Was und wann man etwas mit den gemeldeten Beispielen tun wolle, wisse man noch nicht.