Joeppe, Jelle und Jan heißen sie, sind 15 und 16 Jahre alt und an diesem Tag auf Klassenfahrt in Den Haag. Sie stehen auf dem Plein, dem Platz vor dem Parlament. Das werden sie gleich besuchen. Und anschließend die niederländische Vertretung der Europäischen Kommission gleich gegenüber.
Europa bedeute für sie Sicherheit, erzählen die jungen Niederländer. Grenzenlos Handel treiben und reisen. Ohne vorher umständlich Geld wechseln zu müssen. Die EU sei deshalb eine gute Sache. Und ein Leben ohne Euro unvorstellbar.
Für Geert Wilders hingegen ist ein Leben mit dem Euro unvorstellbar. Er möchte die EU lieber heute als morgen abschaffen – und hat mit seinem Programm Erfolg: Jüngsten Umfragen zufolge könnte seine EU- und fremdenfeindliche "Partei für die Freiheit" (PVV) bei den Europawahlen zweitstärkste oder sogar stärkste Kraft werden. Auch den Schülern auf dem Plein ist Wilders ein Begriff. Sie finden ihn sogar ziemlich cool. Weil er eine klare Sprache spricht und sich durch nichts beirren lässt , meinen Jan und Jelle.
"Diese Wahlen sind historisch"
Was kaum jemand bezweifeln dürfte. Am allerwenigsten Wilders selbst. Der sitzt einen Steinwurf entfernt in seinem schwerbewachten Fraktionsbüro und prophezeit ein politisches Erdbeben: „Diese Wahlen sind historisch", betont er. Auch in den anderen EU-Ländern würden die europakritischen Parteien so stark wie nie zuvor werden. „Das hat es noch nie gegeben. Es geht weniger um Wahlen als vielmehr um ein Referendum - für oder gegen Europa."
Der islamfeindliche Rechtspopulist schürt die Ängste vieler Niederländer vor einem europäischen Superstaat, in dem sie nichts mehr zu melden haben. Sein Vorbild ist die Schweiz: im Herzen Europas, aber ohne Euro und ohne EU-Mitgliedschaft. „Wir wollen wieder ein souveräner Staat werden und das Sagen zurückbekommen - über unser Land, unser Geld und auch unsere Immigranten."
Um mehr Einfluss in Brüssel zu bekommen, will Wilders im Europaparlament eine eigene Fraktion mit Gleichgesinnten bilden. Berührungsängste mit Parteien, denen Rassismus vorgeworfen wird, Antisemitismus und Hass gegen Homosexuelle, hat der Niederländer verloren. Selbst ist Wilders ein erklärter Freund Israels und setzt sich für die Rechte von Homosexuellen ein. Doch als seine wichtigsten Bündnispartner gelten Marine Le Pen vom französischen Front National, Filip de Winter vom belgischen Vlaams Belang und Heinz Christian Strache von der FPÖ in Österreich.
Der neue Kurs hat Wilders viel Kritik eingebracht, auch in den eigenen Reihen. Sein Spitzenkandidat in Brüssel zog sich im April deswegen überraschend zurück, die PVV musste in aller Eile Ersatz suchen.
Nur wenige Parteien bekennen sich zu Europa
Auch im niederländischen Parlament kam es Anfang Mai zum Eklat zwischen Wilders' PVV und dem rechtsliberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte. Der warf der PVV vor, einerseits gegen die Geldverschwendung in Brüssel zu wettern, andererseits aber im Europaparlament einen Antrag zur Schließung des Arbeitsortes Straßburg deshalb nicht unterstützt zu haben, um sich die Sympathien von Madame Le Pen nicht zu verscherzen.
Doch Premier Rutte muss selbst Kritik einstecken und sich vorwerfen lassen, sich im Wahlkampf nicht zu Europa zu bekennen: "Minder Europa" -"weniger Europa" heißt der Wahlslogan der Rechtsliberalen, die Angst haben, europaskeptische Wähler an die PVV zu verlieren.
Auch Sozial- und Christdemokraten scheuen es, eindeutig Stellung zu beziehen.
Eine ähnlich klare Sprache wie Wilders sprechen nur - am anderen Ende des politischen Spektrums - die Linksliberalen. Sie haben sich als überzeugte Europäer geoutet und Umfragen zufolge ebenfalls gute Aussichten, ganz vorne zu landen.
Eine ähnlich klare Sprache wie Wilders sprechen nur - am anderen Ende des politischen Spektrums - die Linksliberalen. Sie haben sich als überzeugte Europäer geoutet und Umfragen zufolge ebenfalls gute Aussichten, ganz vorne zu landen.