Liebevoll haben Hiltje Zwarberg und seine Familie ihr altes Haus in einem kleinen Dorf bei Groningen restauriert.
"Wir leben in der Nähe der Nordsee, und unser Haus steht sechs, sieben Meter von einem Kanal entfernt. 2012 habe ich in den Wänden und im Dach viele kleine Risse bemerkt, und die Rückwand hat sich nach innen gewölbt. Der Gutachter erklärte, dass sich Außen- und Innenwände voneinander gelöst hätten, das Haus sei einsturzgefährdet und wir müssten sofort ausziehen."
Und seitdem steht es leer, ist abgesperrt. Die Ursache für die Probleme sind. Denn seit mehr als 50 Jahren wird in der Provinz Groningen Gas aus der riesigen Lagerstätte geholt, und das hinterlässt im Untergrund Spannungen, die immer wieder Beben auslöst. Das Haus der Zwarbergs ist nicht als einziges betroffen: Abgestützte Gebäude sieht man des Öfteren. Denn hier haben recht schwache Beben mit Magnituden von bislang höchstens 3,9 ernste Folgen. Der Grund:
"Die Gasförderung läuft in einer Tiefe von drei Kilometern, und dort entstehen auch die Erdbeben. Bei so flachen Beben gelangt jedoch sehr viel mehr Energie an die Oberfläche als bei einem gleich starken Ereignis in zehn und mehr Kilometern Tiefe, also dort, wo normale, tektonische Beben entstehen."
Beben sind häufiger und stärker
Mehr Energie an der Oberfläche bedeutet mehr Bodenbewegungen - und damit auch größere Schäden, erläutert Rene Peters vom TNO, dem Nationalen Forschungsinstitut der Niederlande. Seitdem die Beben vor rund 20 Jahren einsetzten, sind sie immer häufiger und stärker geworden:
"Die Menschen fühlen sich nicht mehr sicher in ihren Häusern, von denen einige recht alt sind und nicht dafür gebaut, Erdbeben zu widerstehen. Nach einer neuen Risikoabschätzung sind außerdem Beben mit einer Magnitude von bis zu 5 möglich - allerdings mit einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit."
Als der niederländische "Untersuchungsrat für Sicherheit" feststellte, dass die Gasförderung zu einem "Sicherheitsrisiko" geworden sei, handelte die Regierung. Für das ganze Jahr 2015 drosselte sie die Förderung aus Europas wichtigstem Gasfeld um 40 Prozent gegenüber 2013. Das hat Folgen für die Verbraucher, nicht nur in den Niederlanden, erklärt Harald Ecking vom energiewirtschaftlichen Institut an der Universität Köln:
"Nordwestdeutschland wird hauptsächlich durch das Groningen-Gas versorgt, dann aber auch Belgien und Teile von Frankreich."
Das Gas aus Groningen enthält vergleichsweise viel Stickstoff. Das unterscheidet es zum Beispiel von Erdgas aus Norwegen:
"Das Groningen-Gas ist ein sogenanntes niedrig-kalorisches Gas, also ein Gas mit einem geringeren Brennwert. Die Regionen, die mit diesem niedrig-kalorischen Gas, dem sogenannten L-Gas, versorgt werden, diese Regionen haben dann leicht andere Brenner, leicht andere Heizungen, die technisch auf dieses niedrigkalorische Gas eingestellt sind."
Da die Produktion in Groningen kaum wieder erhöht werden dürfte, müssen langfristig die an das Groningen-Gas angepassten Geräte an das hochkalorische Gas anderer Liefergebiete anpasst werden.
"Das ist ein langwieriger Prozess, der wurde auch von der Bundesnetzagentur jetzt eingeleitet und wird sich über mehrere Jahre hinstrecken. Dieser Prozess nennt sich Marktraumumstellung. Und das bedeutet im Prinzip, es würde ein Handwerker in die Wohnung kommen, würde diese Änderungen durchführen, dann wäre das Gerät in der Lage höherkalorisches Gas zu verbrennen."
Förderstopp in der Diskussion
Außerdem baue der niederländische Netzbetreiber wegen seiner Lieferverpflichtungen eine weitere Konvertierungsanlage, die hochkalorischem Gas, das von anderswo importiert wird, Stickstoff beimische, so Harald Ecking.
"Letztlich wird das so funktionieren, das zum Beispiel die Niederlande dann mehr Gas aus Norwegen beziehen oder über das sogenannte LNG, das Flüssiggas-Terminal in Rotterdam. Dieses Flüssiggas kann von allen Orten der Welt kommen."
In den Niederlanden hat derweil die Diskussion begonnen, ob ein kompletter Förderstopp für das Groningen-Gasfeld möglich ist. Allerdings dürften selbst dann die Erdbeben nicht so schnell aufhören: Im Untergrund haben sich nach mehr als einem halben Jahrhundert Förderung Spannungen aufgebaut, die noch lange für Unruhe sorgen werden.