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Niederlande
Koalitionsverhandlungen schwierig wie nie

Zwar hat die Rechtsliberale Partei von Mark Rutte die Parlamentswahl gewonnen, kann aber nicht alleine die Regierungsgeschäfte übernehmen. In den Gesprächen mit möglichen Koalitionspartnern zeigt sich, wie tief die Kluft zwischen den Parteien ist.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Die niederländische "Informateurin" Edith Schippers und Premierminister Mark Rutte treffen sich mit Mitgliedern verschiedener Parteien am 29. März in Den Haag.
    Im neu gewählten niederländischen Abgeordnetenhaus müssen sich 13 Fraktionen 150 Sitze teilen. (AFP/Bart Maat)
    "In den Niederlanden gewinnt eine Partei mit dem Wahlsieg nicht automatisch das Recht zu regieren. Für eine regierungsfähige Mehrheit muss sie immer erst zwei oder sogar drei andere Parteien für sich gewinnen. Da müssen Kompromisse gesucht und Konzessionen gemacht werden. Das ist das Schöne an unserer Konsens-Demokratie. Bei Wahlen gewinnt man lediglich das Recht, mitreden zu dürfen. Mehr nicht."
    Der Amsterdamer Politologe André Krouwel über die zersplitterte niederländische Parteienlandschaft.
    Hinter den Deichen gibt es schon lange keine großen Parteien mehr, sondern nur noch mittelgroße, die sich mit 15 bis 25 Prozent der Stimmen zufrieden geben müssen. Im neu gewählten niederländischen Abgeordnetenhaus müssen sich 13 Fraktionen 150 Sitze teilen.
    Größte Partei sind nach wie vor die Rechtsliberalen des bisherigen Premierministers Mark Rutte - aber nur mit etwas mehr als 21 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei landeten die Rechtspopulisten von Geert Wilders, dicht gefolgt von Christdemokraten und D66-Demokraten. Eigentlicher Wahlsieger sind die Grünen auf dem fünften Platz, sie konnten die Zahl ihrer Sitze mehr als verdreifachen.
    Mühsamer Weg
    Dementsprechend lange werden auch dieses Mal die Koalitionsverhandlungen dauern. Im politischen Vielstromland wird immer der Königsweg gesucht: das Gespräch. Und das braucht seine Zeit, so Professor Krouwel:
    "Koalitionsverhandlungen dauern bei uns mindestens drei bis hin zu sieben Monaten. Das finden wir ganz normal. Manchmal finden bis zu acht Verhandlungsrunden statt - ohne dass am Ende ein Kabinett zustande gekommen ist."
    Eine Schlüsselrolle dabei spielen der sogenannte "Verkenner" und der "Informateur", zwei Funktionen, die von ein- und derselben Person ausgeführt werden können. So auch dieses Mal. Das Parlament hat sich auf Ruttes Parteigenossin Edith Schippers geeinigt, bisher Gesundheitsministerin:
    Als "Verkenner", zu deutsch etwa Späher, hat Schippers als erstes mit allen Fraktionen gesprochen um herauszufinden, welche Kombinationen möglich sind und am ehesten dem Wahlergebnis gerecht werden. Ende März, zwei Wochen nach den Wahlen, ging es in die zweite Phase: Als Informateur setzte sich Schippers erstmals mit vier potenziellen Koalitionspartnern an einen Tisch: mit Ruttes Rechtsliberalen, den Grünen, Christdemokraten und D66-Demokraten.
    Wilders isoliert
    Zur großen Empörung von Geert Wilders und seiner "Partei für die Freiheit". Doch bis auf zwei Splitterparteien will nach wie vor niemand mit ihm zusammenarbeiten. Während der ersten Sitzung des neuen Parlaments ließ Wilders seinem Frust freien Lauf:
    "Das ist doch hier kein Kindergarten, wo das eine Kind weinerlich zum anderen sagt: Du hast mich gehauen, mit dir spiele ich nicht mehr."
    Doch wer hier mit wem spielen wird, ist noch völlig offen. Egal, ob Umweltpolitik, Einkommensnivellierung oder Arbeitsmarkt: Die vier Parteien der ersten Verhandlungsrunde stehen sich in vielem diametral gegenüber.
    Am größen ist die Kluft bei der Asyl- und Immigrationspolitik: Ruttes Rechtsliberale und auch die Christdemokraten wollen die Gesetze weiter verschärfen. Flüchtlinge sollen gar nicht mehr nach Europa gelassen, sondern außerhalb abgefangen werden. Ganz anders Grüne und D66-Demokraten:
    "Wir müssen Flüchtlinge weiterhin auffangen und ehrlich über die EU verteilen", so Kathalijne Buitenweg von den Grünen. "Und wir müssen ihnen vom ersten Tag an die Möglichkeit geben zu arbeiten und unsere Sprache zu lernen. Das ist wichtig, um sie gut zu integrieren."
    Rolle der EU
    Weitere Kompromisse braucht es, was die EU betrifft: Christdemokraten und Rechtsliberale wollen die Zusammenarbeit auf das Allernotwendigste beschränken; Grüne und D66-Demokraten plädieren im Gegenteil auf mehr Europa und haben nichts gegen eine intensivere Zusammenarbeit.
    Und dann sind da noch ethische Fragen, wie das geplante neue Organspendegesetz und die Liberalisierung des Sterbehilfeparagraphen. Beide Vorhaben gelten als Kronjuwelen der D66-Demokraten. Doch bei den Christdemokraten stoßen sie damit auf Granit - erst recht, was die Sterbehilfe betrifft:
    "Das kommt nicht in Frage, und das wird für uns auch nie in Frage kommen"
    so der christdemokratische Fraktionschef Sybrand Buma. "Dazu sagen wir nein, hundertmal nein."
    Nicht auszuschließen, dass die D66-Demokraten ihre Kronjuwelen verkaufen müssen, wenn sie mitregieren wollen. Fraktionschef Alexander Pechthold ist sich darüber nur allzu gut bewusst - nicht umsonst spricht er von der "grausamen Schönheit des Kompromisses".