Andreas Backfisch gehört zu den Pionieren der Ökosaatgutinitative. Der Rittmarshäuser Gemüsebauer steht auf einem großen Feld in der prallen Sonne, vor ihm zwei Reihen bunter Mangold:
"Mangold ist im Ökogemüsebau ein Gemüse, das durchaus immer größere Beliebtheit erlangt. Wir pflanzen satzweise alle zwei Wochen neuen Mangold und ernten den dann entsprechend. Die erweist sich als sehr praxistauglich. Auch von den Erträgen, von der Gesundheit, von den Qualitäten her passt das."
Einsäen, gucken, wie die Gemüsesorten wachsen, noch mal versuchen, mit den besten Pflanzen weitermachen: so verbessern die Züchter gemeinsam mit den Erwerbsgärtnern die einzelnen Sorten. In mühseliger Arbeit kommen dann - nach jahrelangen Züchtungsversuchen - samenfeste Sorten auf sein Gemüsefeld, sagt Andreas Backfisch. Samenfest bedeutet, dass die Bauern einen Teil der eigenen Ernte als Saatgut für das nächste Jahr benutzen können.
"In den letzten 20 Jahren ist ja viel mit Hybridsorten gezüchtet worden. Hybrid heißt, dass man die besten Eigenschaften der Vater und der Mutterlinie kreuzt. Die Sahne sozusagen abschöpft."
Hybridsorten sind zwar für den Bauern praktisch, weil damit besonders widerstandsfähige und ertragreiche Pflanzen entstehen, doch mit natürlichem Gärtnern hat die heutige Praxis nicht mehr viel zu tun. Denn bei der Hybridzüchtung werde oftmals auf der Zellebene im Labor eingegriffen, so Andreas Backfisch. Außerdem müssten die Gemüsebauern jedes Jahr neues Saatgut bei den Großkonzernen kaufen. Denn die Samen, die beispielsweise eine Hybrid-Gurke produziere, enthält meist nicht mehr die guten Eigenschaften einer Pflanze. Anders als beim samenfesten Saatgut.
Vielfältigeres Gemüse
Die Bauern können deshalb ihr Saatgut nicht selbst vermehren und geraten so in eine gewisse Abhängigkeit von den Saatgut-Konzernen. Bei ihren samenfesten Züchtungen ist nicht mehr entscheidend, dass die Gurke gerade wachse, die Tomate rund und die Zucchini groß; vielmehr sollen die Verbraucher zukünftig einen anderen Blick aufs Gemüse werfen. Es darf auch mal schrumpelig sein, klein, krumm oder unförmig, sagt Thomas Hölscher, einer der Geschäftsführer des Naturkostgroßhandels Elkershausen. Weniger Ertrag soll für die Gemüsebauern dabei kein Verlust sein.
"Wir sind ganz glücklich mit unseren Anbauern, die die Bereitschaft zeigen, die Sorten auszuprobieren. Da sagen wir natürlich, dass das finanzielle Risiko, dass der Gärtner dabei trägt, von uns aufgefangen wird."
Mit ihrer Ökosaatgut-Initiative wollen Biogroßhändler wie Thomas Hölscher oder Gemüsebauern wie Andreas Backfisch den Verbrauchern ein vielfältigeres Gemüse schmackhaft machen.
"Gerade bei Blumenkohl, Brokkoli ist es ja so. Da sind die Menschen schöne runde Köpfe gewohnt, Brokkoli, 500 Gramm Köpfe, fünf Tage im Kühlschrank. Das wird es so nicht mehr geben bei Brokkoli, weil die Ökosorten, die gezüchtet werden und die wir anbauen, die haben eine gewisse Streuung, die Blumen wölben sich mehr, die werden auch schneller gelb. Das ist nicht anders zu machen."
Um irgendwann doch einen Biobrokkoli zu haben, der lange grün und haltbar ist, arbeitet Gebhard Rossmanith als Geschäftsführer der Bingenheimer Saatgut AG mit seinem Team akribisch im Gewächshaus und im Garten.
"Da werden keine chemischen Stoffe zu Hilfe genommen. Das Pflanzenbild ist ein ganzheitlicher Ansatz. Wir gehen nicht in die Zellebene oder noch darunter in die Genomebene, sondern es wird an der ganzen Pflanze gezüchtet, auf dem Feld, unter ökologischen Bedingungen, am Erscheinungsbild der Pflanze. Das geht sehr weit, bis in den Geschmack, die feineren Merkmale wie Bekömmlichkeit. Also nicht nur die äußeren Merkmale, die dann für die Verbraucher entscheidend sind, welche Farbe hat meine Tomate, meine Möhre, sondern welche Form? Oder für den Anbauer: wie ist die Sortierbarkeit, wie ist die Waschbarkeit?"
Ein langer Atem ist gefragt: in den vergangenen 20 Jahren züchterischer Arbeit sind 60 neue Sorten entstanden. Diese neuen Sorten bieten - laut Gebhard Rossmanith - den Gemüsebauern eine Alternative zu den beliebten und ertragreichen Hybridzüchtungen. Ob sie sich wirklich durchsetzen, entscheidet am Ende wohl der Verbraucher.