Stefan Heinlein: Noch ist das politische Berlin nach dem Wahlsonntag weitgehend unsortiert. Die Koalitionsgespräche haben noch nicht einmal begonnen. Doch es gibt keine Zeit zum Durchatmen. Der nächste Wahlkampf geht in den Endspurt. In knapp zwei Wochen geht es in Niedersachsen um den neuen Landtag - eine vorgezogene Neuwahl, notwendig durch das Überlaufen einer Grünen-Abgeordneten in das Lager der CDU. Entsprechend verhärtet die Fronten, doch am Ende könnte es auch in Hannover wie in Berlin nur wenige Koalitionsvarianten geben. Am Telefon ist nun der CDU-Spitzenkandidat in Niedersachsen, Bernd Althusmann. Guten Morgen!
Bernd Althusmann: Guten Morgen.
Heinlein: Gestern Abend der gemeinsame Auftritt mit Angela Merkel in Hildesheim. Herr Althusmann, haben Sie den Abend an der Seite der Kanzlerin genießen können?
Althusmann: Ja. Sie ist und bleibt die führende Politikerin in Deutschland und in Europa. Es ist toll, Angela Merkel in Niedersachsen zu haben. Und insofern: Natürlich hätten wir uns ein besseres Bundestagswahlergebnis allesamt gewünscht. Wir haben Stimmen überwiegend an die FDP und auch eine Million Stimmen an die AfD verloren. Daraus können wir lernen, die entsprechenden Lehren ziehen und jetzt die letzten zweieinhalb Wochen zirka durchstarten bis zum 15. Oktober und noch mal deutlich das sagen und betonen, wofür wir in Niedersachsen stehen.
"Wir müssen gar nicht jetzt einen stärkeren Rechtskurs fahren"
Heinlein: Welche Lehren wollen Sie denn ziehen, Herr Althusmann, um diese Stimmen wiederzugewinnen? Wollen Sie die rechte Flanke schließen, so wie Horst Seehofer es fordert?
Althusmann: Nein, wir müssen gar nicht jetzt einen stärkeren Rechtskurs fahren oder konservativeren Kurs in der CDU in Niedersachsen. Wir haben uns sehr klar positioniert. Wir haben auch sehr, sehr deutlich gemacht, was wir in Niedersachsen anders machen wollen, sowohl was die Integrationspolitik betrifft, was die Asylpolitik betrifft. Wir werden am Ende signalisieren, dass wir die Haltung von Rot-Grün für falsch halten, die Maghreb-Staaten nicht zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Und gleichzeitig beklagen sich Rote und Grüne darüber, dass die Sicherheitspolitik der CDU angeblich zu scharf sei.
Ich kann nur sagen, wir brauchen Sicherheit und Ordnung in unserem Land, und da ist Rot-Grün am Ende kein Garant. Und noch schlimmer für Niedersachsen wäre ein rot-rot-grünes Bündnis. Das strebt Herr Weil offensichtlich an. Insofern werden wir alle Kraft jetzt in diesen Wahlkampf setzen, um das zu verhindern und es besser zu machen. Wir haben knapp 35 Prozent bei der Bundestagswahl jetzt erzielt in Niedersachsen, die SPD nur 27. Also wir haben alle Chancen am Ende, dass an uns keine Regierung vorbei gebildet werden kann.
Heinlein: Aber Sie werden vermutlich nicht alleine mit Ihrem schwarz-gelben Bündnis, mit der FDP regieren können. Das haben die Zahlen vom Sonntag noch einmal belegt. Da kommen Sie auf knapp 44 Prozent. Sie werden einen dritten Koalitionspartner brauchen. Wer kommt denn da in Frage?
Althusmann: Das ist natürlich Glaskugel. Wir wissen ja Gott sei Dank nicht, wie das Ergebnis ausgehen wird am 15. Oktober. Die CDU kämpft ausschließlich für sich und will stärkste Kraft werden. Da ist vieles mit der Union möglich, aber ich werde nach der Wahl, sofern wir eine Regierungsmehrheit erhalten, auf alle Parteien zugehen, auf alle demokratischen Parteien - nicht auf die Rechtspopulisten, nicht auf die Linkspopulisten - und werde ihnen Gespräche anbieten. Dann werden wir sondieren und dann wird man am Ende nach einigen Wochen wissen, was für eine Koalition in Niedersachsen möglich ist.
Schwarz-grüne Verstimmungen
Heinlein: Entschuldigung, Herr Althusmann. Sie werden also auch mit den Grünen reden?
Althusmann: Ja, da wollte ich gerade drauf hinaus. Die Grünen in Niedersachsen, diese Grünen in Niedersachsen des Herrn Meyer im Besonderen, die haben sich in den letzten Wochen sehr stark im Tonfall vergriffen, finde ich. Wer sagt, dass schwarz-gelbe Hetzer dieses Land regierten oder aber die Schwarzen müssten endgelagert werden, das ist eine Gauland-Rhetorik, die die Grünen hier in Niedersachsen betreiben. Damit vergiften sie auch jegliche Möglichkeiten, mal überhaupt miteinander zu sprechen. Ich sage, grundsätzlich alle demokratischen Parteien müssen miteinander gesprächsfähig bleiben, aber mit den Grünen des Herrn Meyer, dem amtierenden Agrarminister hier in Niedersachsen, ist das kaum vorstellbar. Wie soll das funktionieren, welche Schnittmengen sollen wir mit diesen Vertretern, die sehr weit nach links gerückt sind, die gesamten Grünen, wie soll das funktionieren. Wir haben keinen Winfried Kretschmann.
"Es gibt ja auch vernünftige Grüne in Niedersachsen"
Heinlein: Können Sie das denn den Grünen verdenken, dass sie noch sauer sind auf Ihre Partei, auf Sie persönlich, Herr Althusmann, weil Grund für die Neuwahlen ist ja der Parteiwechsel einer Grünen-Abgeordneten zu Ihnen in das Lager der CDU, und da gibt es natürlich Verletzungen, die anscheinend bis heute noch eine Rolle spielen. Sie haben jetzt den Grünen noch einmal kräftig eingeschenkt. Ist das denn klug mit Blick auf mögliche Jamaika-Verhandlungen in 14 Tagen?
Althusmann: Die Grünen sollen sich erst mal selber an die eigene Nase fassen. Immerhin hat es offensichtlich Monate, wenn nicht sogar länger gedauert, dass ein Entfremdungsprozess einer Abgeordneten der Grünen stattgefunden hat. Und vielleicht darf ich mal darauf hinweisen, dass die SPD in Thüringen einen AfD-Abgeordneten aufgenommen hat - ein Vorgang, der kaum zu überbieten ist. Insofern: Das mag sein, dass man in notwendiger Schärfe sich im Wahlkampf auch miteinander auseinandersetzt. Aber wenn die Grünen so weit gehen, uns als Hetzer zu bezeichnen, dann gehört auf einen groben Klotz auch mal ein deutlicher Knall, was nie ausschließen wird, dass man miteinander trotzdem sprechen muss. Und es gibt ja auch vernünftige Grüne in Niedersachsen, wie Herrn Wenzel, wie Frau Heinen-Kljajić und wenige andere. Da sehe ich schon ausreichend Möglichkeiten. Aber grundsätzlich sage ich, wir kämpfen ausschließlich für uns, ausschließlich für die CDU, und dann wird man sehen, was am Ende über bleibt.
Heinlein: Im August, Herr Althusmann, auf dem Parteitag haben Sie eine Koalition mit den Grünen als undenkbar bezeichnet. Wenn ich Sie jetzt gerade richtig verstehe, lassen Sie sich dennoch jetzt ein Hintertürchen offen?
Althusmann: Nein, da müssen Sie genau hinhören. Ich habe immer von "diesen Grünen" gesprochen. Denn wenn wir nur Cem Özdemirs, Kretschmänner oder Habecks in Niedersachsen hätten, sähe ja sicherlich die Welt anders aus. Da würde auch jeder CDU-Vertreter auch im ländlichen Raum sagen, na ja gut, mit denen kann man sprechen. Aber wir haben da wirklich ein ernsthaftes Problem mit einigen, die wirklich massiv ideologisch gegen uns angehen, was ich nicht wirklich verstehen kann, denn wir sind auf dem Feld der Landwirtschaftspolitik mit Frau Otte-Kinast als ehemalige Landfrauen-Vorsitzende doch auch ein Angebot gerade an Menschen, die sich sehr darum sorgen, wie geht es weiter im ländlichen Raum mit Lebensmitteln, Verbraucherschutz und so weiter.
"Die demokratischen Parteien sollten miteinander reden können"
Heinlein: Sind denn diese persönlichen Befindlichkeiten, die Sie gerade beschreiben, wichtiger, ausschlaggebender für mögliche politische Gespräche nach der Wahl als mögliche inhaltliche Schnittmengen mit den Grünen in Hannover?
Althusmann: Ich denke, auf Bundesebene beispielsweise wird es ja auch nicht ganz einfach. Da gibt es ja auch einige herausragende schillernde Persönlichkeiten auf Seiten der Grünen, die da möglicherweise mitsprechen werden, um denkbare Koalitionsverhandlungen in Berlin voranzubringen. Aber am Ende muss man natürlich auch immer mit allen sprechen können. Ich wiederhole das. Die demokratischen Parteien sollten miteinander reden können.
Was ich allerdings nicht möchte ist, dass wir die Rechts- und Linkspopulisten mit einbinden, und da unterscheiden wir als Union uns in Niedersachsen auch sehr deutlich von Herrn Weil und seiner SPD. Er hält sich es völlig offen, mit den Linken letztendlich eine Koalition einzugehen, und das finde ich nicht ehrlich. Das finde ich nicht aufrichtig in dieser Sache. Da muss man sich schon klar positionieren. Das tut er nicht, lässt tief blicken. Insofern droht in Niedersachsen möglicherweise als Alternative zu einer CDU-geführten Regierung ein Linksbündnis Rot-Rot-Grün, und da muss ich sagen, das wäre wirklich das Schlechteste für Niedersachsen.
"Wir sind auch kampfesbereit"
Heinlein: Scharfe Kritik von Ihnen an den Grünen, jetzt auch scharfe Kritik an der SPD. Herr Althusmann, was bleibt Ihnen denn da noch?
Althusmann: Wir werden versuchen, in Niedersachsen stärkste Kraft zu werden, und dann mit allen demokratischen Parteien sprechen. Und dann wird es sicherlich Verhandlungen geben, welche Positionen miteinander vereinbar sind und welche nicht. Insofern: Ein Wahlkampf zeichnet sich auch immer dadurch aus, dass man pointiert und inhaltlich miteinander um die besten Ideen ringt. Das Persönliche, die persönlichen Angriffe sollten nach Möglichkeit unterbleiben.
Aber alle anderen müssen auch wissen, wir sind auch kampfesbereit. Wir lassen uns hier kein X für ein U vormachen. Alle anderen Parteien, die anfangen, tief in die Mottenkiste zu greifen und da mit einer Wortwahl um sich schmeißen, oder mit Schmutzkampagnen, das sehen wir sportlich. Da werden wir drauf eingehen.
Insofern: Es ist ein Wahlkampf und am Ende sage ich dennoch verbindend und vermittelnd, es muss in allererster Linie immer um die Inhalte gehen: innere Sicherheit, Bildungspolitik, Infrastrukturentwicklung. Das sind die wesentlichen Themen, Landwirtschaftspolitik, VW, klar zum VW-Gesetz zu stehen. All das sind Fragen, die viel wichtiger sind als manchmal das kleine Hickhack zwischen den Parteien. Das gehört aber auch so als das Salz in der Suppe, denke ich, im Wahlkampf dazu.
Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen der CDU-Spitzenkandidat in Niedersachsen, Bernd Althusmann. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Hannover.
Althusmann: Sehr gerne.
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