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Niedersachsen
"Ein fatales Signal für Rot-Grün"

"Das gibt uns Rückenwind." So kommentierte der Vorsitzende der CDU-Landesgruppe im Bundestag, Mathias Middelberg, den Verlust der rot-grünen Mehrheit in Niedersachen. Seit Monaten sei ein Zerfallsprozess der rot-grünen Regierung festzustellen, sagte der Unionspolitiker im Dlf.

Mathias Middelberg im Gespräch mit Sarah Zerback |
    Eine Aufnahme zeigt am 24.06.2017 die Fassade des niedersächsischen Landtags in Hannover (Niedersachsen). Nach zweijährigen Arbeiten ist die Runderneuerung des Landtagsgebäudes fast beendeten. Rechts im Hintergrund ist die Marktkirche zu sehen.
    Baustelle Landtag: Nicht nur das Landtagsgebäude in Hannover, auch die Regierung wird nun umgebaut (picture alliance / dpa / Silas Stein)
    Sarah Zerback: Am Telefon begrüße ich jetzt Mathias Middelberg, den Vorsitzenden der niedersächsischen Landesgruppe im Bundestag der Union. Guten Tag, Herr Middeelberg!
    Mathias Middelberg: Guten Tag, Frau Zerback, hallo!
    Zerback: Nach 20 Jahren bei den Grünen, was bieten Sie denn jetzt Frau Twesten, was sie in ihrer Partei nicht gefunden hat?
    Middelberg: Ich kann das im Einzelnen gar nicht so genau bewerten, weil ich ja nicht Mitglied des Landtages bin, sondern für die Bundestagsgruppe spreche. Ich kenne die Frau Twesten auch nicht persönlich, sodass ich nicht beurteilen kann, was sie sich erwartet, aber ich glaube, es gibt keine Angebote vonseiten der CDU. Es gibt da keine Positionen, keine Zusagen. Ich glaube, es ist eine persönliche Entscheidung, die Frau Twesten aus ihrer Überzeugung getroffen hat.
    Zerback: Jetzt sind Sie nicht im niedersächsischen Landtag, aber, Herr Middelberg, Sie werden doch da gute Kontakte nach Hannover haben. Wie lange steht das denn jetzt schon fest? Wir alle anderen waren ja überrascht.
    Middelberg: Das kann ich ehrlich gesagt auch nicht beurteilen. Für mich, ganz offen gesagt, war es wirklich jetzt neu. Ich hab's heute Vormittag erst erfahren, dass es diese Pressekonferenz gibt und dass die Mehrheit für Rot-Grün verloren geht.
    Zerback: Glauben Sie denn tatsächlich daran, dass es, wie Frau Twesten ja vor etwa einer Stunde gesagt hat, sich da so eine Art Retourkutsche eben abgezeichnet hat, oder ist das tatsächlich inhaltlich begründet, dieser Schritt? Kann Frau Twesten besser mit den Schwarzen?
    Middelberg: Wie Frau Twesten das im Einzelnen begründet, müssten Sie sie fragen. Ich glaube aber, dass der ganze Schritt auch Ausdruck der Tatsache ist, ich sage mal, dass die rot-grüne Regierung sich nicht in optimaler Konstitution befindet in Niedersachsen. Das kann man ja eigentlich schon seit Monaten feststellen, dass das ein gewisser Zerfallsprozess von SPD und grüner Regierung ist - Stichworte Vergabeaffäre, fehlende Aufsicht über VW, Kriminalitätsentwicklung oder Schulpolitik. All das, ich sage das mal, ist ja richtig schiefgelaufen.
    Zerback: Das gibt es in anderen Bundesländern auch, und da stehen die Koalitionen ja auch noch.
    Middelberg: Ja, aber Sie sehen ja, wenn Sie die Wahlergebnisse gesehen haben im Saarland und die Abwahl der rot-grünen Regierung in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen, ist das ja genau Beleg dieser Entwicklung, und das setzt sich in Niedersachsen jetzt fort. Die Zustimmungswerte für diese Regierung waren ja auch zuletzt sehr schlecht.
    Zerback: Und das heißt, jetzt übernimmt die Union, gibt's da schon Gespräche mit der FDP?
    Middelberg: Also das muss man abwarten. Verfassungsrechtlich gibt's ja offensichtlich zwei Wege. Die Regierung ist ja jetzt nicht weg in Niedersachsen, sondern gewissermaßen wird sie jetzt zu einer Minderheitsregierung, und sie muss jetzt überlegen, wie sie mit ihrer eigenen Position verfährt. Auch der Ministerpräsident muss für sich entscheiden, ob er einer Regierung, die gar nicht mehr handlungsfähig ist, auch noch vorstehen will, sprich, ob er zurücktreten will. Das würde den Weg zu Neuwahlen eröffnen, die andere Möglichkeit wäre ein konstruktives Misstrauensvotum. Ich glaube einfach, dass jetzt die Kollegen im niedersächsischen Landtag das in Ruhe beraten werden und dass man auch, ich sag mal, sehr sorgfältig alle rechtlichen Varianten dort prüft.
    Zerback: Ja, die Neuwahlforderung, die gibt es ja schon aus der CDU-Landtagsfraktion. Macht das denn überhaupt noch Sinn so kurz vor der Landtagswahl - immerhin ja in fünf Monaten?
    Middelberg: Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß auch nicht, ob die CDU sich jetzt schon dafür entschieden hat, diesen Weg zu gehen. Ich würde zunächst mal alle Varianten prüfen, und ich würde zunächst auch sagen, dass die Landesregierung selber, dass Herr Weil, der Ministerpräsident, am Zuge ist. Er hat die Mehrheit verloren, er ist nicht mehr handlungsfähig, nicht mehr regierungsfähig, und der Ball liegt erst mal bei ihm.
    Zerback: Gleichzeitig fordern die Grünen ja, dass Elke Twesten ihr Mandat zurückgibt, weil sie das eben über die Landesliste bekommen hat. Da kann also auch noch mal alles anders werden, es bleibt spannend.
    Middelberg: Ja, aber das ist ja so die übliche Forderung. Am Ende ist jeder Abgeordnete gewählt, egal ob über die Liste oder über ein Direktmandat erreicht. Es ist sein Mandat, das würde, glaube ich, auch jeder Abgeordnete für sich so sehen, und das sieht auch die Verfassung so. Deswegen sehe ich nicht das Bedürfnis, dass irgendjemand sein Mandat zurückgibt, weil er die Partei wechselt. Die Fälle hatten wir ja schon vielfach in Deutschland, und die Forderung halte ich für unberechtigt.
    Zerback: Dann blicken wir noch einmal auf die nächste große Wahl, die jetzt ansteht, das sind keine zwei Monate bis zur Bundestagswahl: Was ist das jetzt Ihrer Meinung nach für ein Signal?
    Middelberg: Ja, ich glaube, es ist ein fatales Signal für Rot-Grün. Das gibt uns Rückenwind, und es ist, sag ich mal, jetzt der Baustein Nummer vier. Also nach der Wahl im Saarland, nach der Abwahl von Rot-Grün in Schleswig-Holstein, nach der Abwahl von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen kommt jetzt der vierte Schlag, das vierte Bundesland, in dem Rot-Grün eben keine Mehrheit hat. Also ich glaube, das zeigt eigentlich den Verfallsprozess, dass Rot-Grün wirklich keine Option ist - weder in den Ländern und schon gar nicht im Bund.
    Zerback: Das ist die Meinung von Mathias Middelberg, dem Vorsitzenden der niedersächsischen Landesgruppe der Union im Bundestag. Vielen Dank für das Gespräch heute in den "Informationen am Mittag"!
    Middelberg: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.