Auf einer Anhöhe über dem Leinetal erhebt sich Schloss Marienburg mit dem mächtigen Turmquader in der Mitte. Ein Schloss wie aus dem Bilderbuch, gern als Filmkulisse genutzt.
"Also das ist, denke ich, schon ein Schatz, ein Juwel. Und "Neuschwanstein des Nordens" ist gar nicht mal so übertrieben..."
sagt einer der vielen Besucher in Radlerkleidung, der gerade seinen Kaffee genießt.
"Ist ein wunderbarer Innenhof wenn man unter den Rosen sitzt, ist das ein wunderbarer Platz hier..."
Aber noch sind die Rosen im Winterschlaf. Und wer die malerische Kulisse ein wenig näher anschaut, entdeckt viele Stellen mit blätterndem Putz. Die meisten Räume sind ungeheizt, nur in der Cafeteria kann man sich aufwärmen. Man kann sich vorstellen, dass der Unterhalt dieser wuchtigen Anlage teuer ist. Aber welcher Hausherr soll die nächste Renovierung bezahlen? Das Land Niedersachsen wäre bereit. Und der aktuelle Eigentümer, Ernst August junior, Erbprinz von Hannover, möchte gern für einen symbolischen Euro ans Land verkaufen. Aber Vater Ernst August schickt seine Anwälte und legt Veto ein: 2004 habe er seinem Sohn den Welfenbesitz nur unter Auflagen übertragen, die der Sohn nicht eingehalten habe. Seit Wochen streiten nun die Anwälte. Ausgang ungewiss. Der Betrieb auf dem Schloss mit Restaurant und Cafeteria, mit Trauungen und Führungen läuft weiter.
Landesregierung soll Erhalt mitfinanzieren
"Zu ihrem 39. Geburtstag bekam Königin Marie ein ganz besonderes Geschenk, von ihrem Mann. Beides sollte ihren Namen tragen – also der Marienberg und unsere Marienburg."
Die Kunstgeschichtsstudentin Hannah-Marie Müller führt an diesem Tag durch die Ausstellung zur Geschichte des Welfenpaares Georg V. und seiner Frau Marie, den Bauherren im 19. Jahrhundert.
"Sie ließ sich sofort Pläne von anderen Schlössern schicken, zog sich da immer raus, was ihr ganz gut gefiel und bildete in Gedanken schon mal ihr Traumschloss."
Heraus kam ein romantischer Stilmix, der 1866 fertiggestellt war. Georg V. und Marie haben auf ihrem Schloss aber kaum residiert, denn kurz nach Fertigstellung zog Georg in den Krieg gegen die Preußen und verlor. Hannover wurde preußische Provinz, der König ging ins Exil nach Österreich und wenig später folgten seine Frau und die Tochter. Als Privatbesitz der Königin blieb das Schloss immerhin im Familienbesitz, mitsamt kostbarem Inventar. Einen Bruchteil davon kann man heute noch beim Rundgang im Erdgeschoss sehen. Der Großteil, rund 20.000 Stück vom Silberlöffel über Ritterhelme, Waffen oder Gemälde, wurden bei einer großen Auktion 2005 versteigert. Der sensationelle Erlös: 44 Millionen Euro, von denen nur wenige Millionen im Schloss blieben. Und jetzt? Hannah-Marie Müller schätzt die Situation nüchtern ein:
"Ich glaube, für den Fortbestand und die Erhaltung wäre es wichtig, wenn das Land mit einsteigt, weil sonst mit den finanziellen Mitteln, die das Schloss erwirtschaftet und die der Prinz dazu aufbringen möchte, ist es glaube ich nicht mehr möglich, das lange zu erhalten."
Vom Erbprinzen als Hausherren hat sie einen guten Eindruck:
"Ja, das auf jeden Fall. Zweimal im Jahr macht er auch ein Fest für die Mitarbeiter, wo er mit seiner Frau und der kleinen Tochter vorbeikommt. Auch als die Tochter geboren ist, haben sie hier ein Kaffeetrinken gemacht, er ist da auch sehr umgänglich und freundlich."
Immer mehr Besucher kommen
Der Erbprinz Ernst August, 35 Jahre alt, lebt mit Frau und Tochter in Hannover. Dass er sich für das Schloss engagiert, bestätigt auch Ramona Schumann, Bürgermeisterin der Stadt Pattensen, die auf dem Schloss auch eine Außenstelle des Standesamtes betreut. Schumann lebt seit 14 Jahren am Fuße des Marienbergs und kann sich auch gut an die Auktion 2005 erinnern:
"Ich fand die großen Fuhrwerke ganz beeindruckend, also Kutschen - man hat ja eine Verbindung zum Schloss. Wir sehen es jeden Tag und sicherlich wollte man gerne herausfinden und sehen, was alles so drinnen ist."
Seitdem sei mit dem jungen Erbprinzen sehr viel Positives passiert:
"Wir haben danach eine deutliche Veränderung gemerkt, was die Möglichkeiten angeht, das Schloss anzugucken. Ausstellungsmöglichkeiten – es wurden mehr Flügel geöffnet, als früher geöffnet waren. Bei den Veranstaltungen, Kostümführungen, das wird auch sehr positiv angenommen."
Von 30.000 sei die Besucherzahl auf 200.000 pro Jahr angewachsen.
"Für uns ist am Entscheidendsten, dass das Schloss in der jetzigen Form erhalten bleibt und weiterhin offen bleibt für die Öffentlichkeit."
Beliebtes Touristenziel
Den Besuchern ist der Familienstreit im Hintergrund egal, es gibt echte Fans:
"Wenn das Wetter etwas schöner ist, dann komme ich immer sehr gerne, manchmal zweimal im Monat." "Ich finde schön, wenn sowas erhalten wird." "Es wäre schade – es ist ja ein Kulturgut - wenn es nicht zugänglich wäre."
Der Radfahrer hat mittlerweile den Kaffee getrunken. Er erinnert an frühere Streitigkeiten mit Ernst August Senior, ob es um das kostbare Evangeliar Heinrichs des Löwen ging, oder den Streit um die Schlösser in Blankenburg.
"Das darf natürlich hier nicht passieren. Eigentlich ist dieses Schloss ein Kunstwerk in sich. Auf der anderen Seite - Unterhaltung eines Schlosses an sich ist ein erheblicher Kostenfaktor."
Wie und wann der Streit zwischen Vater und Sohn geschlichtet werden kann, ist offen.